Das Opfer hatte einem aussagepsychologischen Gutachten unter der Bedingung zugestimmt, bei ihrer Untersuchung möge auf das Beisein des Verfahrensleitenden Kirchengerichts-Vorsitzenden verzichtet werden. Ihrem Wunsch wurde nicht stattgegeben. Professor Dr. Norbert Nedopil, München, wurde beauftragt, ein Gutachten über das Opfer nach Aktenlage zu erstellen. Anders bei dem Tatverdächtigen, von ihm wurde kein aussagepsychologisches Gutachten bzw. Profil erstellt.
Als Opfer steht Alexandra Wolf mit vollen Namen in der Öffentlichkeit, währenddessen der Beschuldigte im Täterschutz der Öffentlichkeit gegenüber anonymisiert bleibt, als vermutlicher Täter, Beschuldigter, hoher Geistlicher, Priester, Kleriker etc.
Das Bistum führt über den Missbrauchsvorwurf eine Chronoloigie.
Im Fokus – die Institution Katholische Kirche
Die Katholische Kirche ist eine geschlossene Gesellschaft. An ihrer Spitze steht der Pabst, man kann auch sagen, der "Papst hat das Heft in der Hand", (Spiegel, Schwarz / Wensierski 24.06.2002). Die Priester-Weihe ist die Aufnahme in den Klerus, die Inkardination. Von diesem Moment an handeln Geweihte für die Kirche im Namen Christi. Damit sind die in eine Sphäre paralell der bürgerlichen Rechte gehoben. Auch ist ein Rechtsverhältnis durch die Inkardination entstanden, das den Geweihten Schutz und Beschäftigung bei der Kirche sichert. In den USA genießt ein Mitglied der Kirche keinen besonderen Schutz. Wird eine Straftat bekannt, schaltet sich dort die Staatsanwaltschaft ein. In Deutschland gibt es eine besondere Linie:
Hier hat sich die katholische Kirchen selber eine "Kompetenz-Kompetenz"
zugesprochen, mit der sie darüber entscheidet, worüber sie entscheidet. Für die Öffentlichkeit unübersehbar wurde dieses mit dem 24-Stunden-Ultimatum, mit dem Erzbischof Robert Zollitsch der damaligen Justizministerin Leutheusser–Schnarrenberger die Rücknahme ihrer Äußerung abforderte: Die katholische Kirche würde sich nicht mit besonderer Beteiligung an der Aufklärung des Missbrauchs-Skandals auszeichnen. Zollitsch zog sich auf die Anweisung des damaligen Vorsitzenden der Glaubenskongration, Kardinal Josef Ratzinger aus dem Jahr 2001 zurück. Ihm, Ratzinger, seien alle Fälle "sündig" gewordener Priester zuzustellen.
Tritt der Fall ein, dass ein Geweihter ‚sündig’ geworden ist, steht die Institution einer schwierigen Aufgabe und der Entscheidung gegenüber,;wie wirkt sich sein Vergehen auf die geschlossene Gemeinschaft der katholischen Kirche aus? Die Frage hat die Institution getroffen. Offenheit wird proklamiert, umgesetzt ist diese Forderung nicht.
In Deutschland sind diskrete Beseitigungen von Tatvorwürfen, manchmal auch misslungene Versuche bekannt geworden. Missbrauchsbeauftragte verhandeln direkt mit Opfern. Gegen eine Zahlung von € 3.000, € 5.000, 9.000 auch von € 25.000 bestätigen Opfer ihr Schweigen per Unterschrift. Öffentlichkeit und Staatsanwaltschaft werden rausgelassen. Das Gesetz des Schweigens funktioniert in Deutschland zumeist, wenn auch nicht immer und gilt vorrangig für die sogenannten "verjährten" Fälle.
Einem Druck konnte sich die Kirche in Deutschland nicht entziehen. Sie reagierte mit einer Einigung, nicht verjährte Tatvorwürfe der Staatsanwaltschaft zu übergeben. Das könnte zur Anerkennung der Opfer führen, hat aber einen Haken: Der Beklagte kann sich mit seiner Einrede zur Verjährung vor Aufklärung schützen. Nutzt der Beklagte die Möglichkeit zur Verjährung, ist eine mögliche Anklage verfallen, der Beklage einer Strafverfolgung entgangen.
An die katholische Kirche wurde appelliert, so wie auch bei Menschenrechts-Verfahren üblich. eine Einrede auf Verjährung nicht zu nutzen. Dazu wurde bisher aber nichts bekannt.
Aus Vatikan-Papieren zu sexuellem Missbrauch geht hervor: Allein 2011 und 2012 lag die Zahl der von der katholischen Kirche ausgeschlossenen, profanisierten Priester weltweit bei rund 400.
Peter Wensierski – kurz und bündig
Peter Wensierski findet, die katholische Kirche tue sich schwer mit der Umsetzung ihrer Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Geistliche:
2010 sagte der Münchner Kardinal Reinhard Marx: "Wir werden die Opfer in den Mittelpunkt stellen." Fünf Jahre später kommt das Signal von dem Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann: "Wir haben eine ganz andere Kultur im Umgang mit den Opfern, eine Sensibilität."
Wensierski findet es unglaublich: Mit Bekanntwerden der Missbrauchsbeschuldigung
in Würzburg gehen die kirchlichen Institutionen für den Beschuldigten in eine Verteidigungsposition. Dem Opfer nimmt sich niemand an.
Von dem Beschuldigten wird keine Täter-Risiko-Analyse erstellt. Über ihn wird nicht recherchiert, man will diskret bleiben. Der Beschuldigte wirkte mit an der Entscheidung, der Fall sei nicht dem Staatsanwalt vorzustellen.
Wenn ein Mann der Kirche des sexuellen Missbrauchs beschuldigt und auch noch angezeigt wird, wendet sich die Stimmung wohl erst einmal in jeder katholischen Gemeinde gegen den Anzeigeführenden und gegen die Ermittler. Das ist nicht nur in Bayern so, sondern überall, wo Menschen im katholischen Milieu verwurzelt sind. Die Eltern waren vielleicht Ministranten, die Freude ebenso. So war es in Regensburg, in Hildesheim, dem Canisius Kolleg in Berlin (Anmerkung hpd: Mit einer Geldstrafe von 4.000 Euro verurteilt das Kirchengericht des Erzbistums Berlin 2013 einen Haupttäter. Der heute 72-jährige bleibt Priester, darf das Amt aber nicht mehr ausüben).
Wensierski wundert sich auch über eine Antwort des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann im Jahr 2002. Auf die Frage nach dem Skandal um hunderte pädophiler Priester in den USA und den Umgang damit, antwortete der Kardinal, er werde sich den Schuh der Amerikaner nicht anziehen, der passe ihm nicht. Spiegel 24.06.2002, "Der Papst hat das Heft in der Hand" von Ulrich Schwarz/Peter Wensierski http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-22955262.html
"Es wirft auch ein Schlaglicht auf die Kultur des Wegschauens" wenn der pädophile, mehrfach aufgefallene und verurteilte Priester Wolfdieter Weiß (Anm. hpd: Bistum Würzburg) vom kirchlichen Umfeld gestützt, in seiner Einbildung unschuldig zu sein, mit Hilfe eines Generalvikars als Seelsorger erst einmal in weiteren Pfarreien des Bistums Würzburg eingesetzt wird. Verständnisvolle Worte für "Wolfdieter" und ein Brief, in dem sich ein Kirchenmann brüstete, den lieben Wolfdieter vor Strafe zu schützen: "Ich behauptete damals auch, innerhalb der Kirche seiest Du im Rahmen der Richtlinien freigesprochen worden ..."
Eine Wende auf eine Null-Tolerenz-Linie tritt aus der Erkenntnis dieses Falles ein bei dem Generalvikar des Erzbistums Würzburg, Dr. Karl Hillenbrand, (verstorben 2014): "Missetäter brauchen ein schützendes Umfeld, Sympathisanten und Personen in ihrem Umkreis, die sie tolerieren".
Spiegel 20.04.2009 Missbrauch "Unter Brüdern" http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-65089070.html
U. a. recherchierte und schrieb Peter Wensierski
Spiegel 27.01.2016 "Bistum Hildesheim: Familientragödie über zwei Generationen"
Dieser Artikel bewegte u. a. von der Bundesregierung eingesetzten unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, einen unabhängigen Ermittler für diesen Fall in Hildesheim zu fordern. http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/bistum-hildesheim-familientragoedie-ueber-zwei-generationen-a-1074031.html
Wensierski schrieb u. a. den Artikel "Die verirrten Hirten" und stellte fest, vierzig Jahre nachdem sich ein Priester an einem Ministranten über Jahre hinweg verging, hat die katholische Kirche Deutschland erstmals sexuellen Missbrauch entschädigt ...
Spiegel 05.12.2005 Kirche "Die verirrten Hirten" http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43510763.html
Spiegel 21.09.2002 Kirche "Brandbrief nach Rom"
"Mit der Aufklärung von Missbrauchsfällen lässt sich das Bistum Mainz sehr viel Zeit. Nun hoffen die Opfer auf Beistand vom Papst. Erstmals schreibt ein 14jähriges Opfer an den Heiligen Vater über seinen Missbrauch durch katholischen Pfarrer Norbert E. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-25211797.html
Spiegel 15.07.2002 Katholische Kirche "Vertuschen und versetzen"
Als der Papst die amerikanischen Bischöfe für eine Vielzahl sexueller Übergriffe rügte, begann eine weltweite Debatte. Nur die deutschen Bischöfe taten, als gehe sie die Problematik nichts an. Tatsächlich gibt es Parallelen zu den USA - auch die deutschen Opfer wollen nicht länger schweigen. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-23215434.html
4 Kommentare
Kommentare
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Wie schon Deschner unwiderlegt und unwiderlegbar schrieb: Die größte kriminelle Vereinigung aller Zeiten.
All dies liegt außerhalb meines rationalen Fassungsvermögens. Aber offensichtlich glaubt der Klerus tatsächlich und wirklich daran, nur eigenen "Gesetzen" verantwortlich zu sein.
Grundgesetz: Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Damit steht aus der staatlichen Sicht den Kirchen keine Jurisdiktion für Dinge zu, die dem staatlichen Strafrecht unterfallen!
Es ekelt mich an.
Rainer Bolz am Permanenter Link
Peter Wensierski hat großartige Aufklärunsarbeit geleistet.
In Großbritannien erhebt man Leute für weitaus weniger Lebensleistung in den Adelsstand.
Und was machen wir?
Veronika Poerschke am Permanenter Link
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold! Schweigen kann Kirche und Staat am Besten!
Liane Mueller-Knuth am Permanenter Link
Ein sehr gelungenes Interview in Verbindung zum Film Spotlight, den sollte man sich unbedingt ansehen.
Genau so läuft es mit der Kirche auch in Deutschland ...
Wann hört das endlich auf ?