"Spotlight" in Deutschland - die Recherchen des Journalisten Peter Wensierski

Die Mauern des Schweigens aufbrechen

Bei diesem Fall in Würzburg ist von Seiten der Kirche alles getan worden, den Täter zu entlasten, für das Opfer hingegen wenig, eigentlich nichts, das ist aus den Akten zu erfahren. Dabei könnte es einfach sein, Opfer und Betroffene Hilfe und Trost. Aber das Gegenteil geschieht. Siehe Spiegel.de/video

Der Fall

Zurück zum Jahr 1988. Mutmaßlicher Tatort ist das Besprechungszimmer im Exerzitienhaus Himmelspforten, Würzburg. Es ist der spätere Treffpunkt der Deutschen Bischofskonferenz, an dem u. a. die "Leitlinien zur Bewältigung von sexuellen Missbrauch" entstanden sind.
Sie sei zum Oralverkehr gezwungen worden, sagt die damals 17jährige Tochter eines künftigen Diakons, der mit seiner Familie an diesem Tag in das Exerzitienhaus eingeladen worden war. Katholisch sozialisiert schweigt sie über das Geschehen. Ihre Eltern sind beide dem Glauben verbunden, sie bemerken eine Verhaltensänderung an ihrer Tochter. 2012 erfahren die Eltern den Hintergrund und den Namen des allseits wohlbekannten Priesters. Die Mutter ergreift die Initiative und informiert per Telefon das Büro des Würzburger Bischofs, Friedhelm Hofmann, zeigt den Missbrauch der minderjährigen Tochter an.
Gutgläubig erwartet die Familie, das Wort des Bischofs Hofmann werde sich mit Taten füllen, eine Untersuchung eingeleitet. Hatte er doch allgemein zum Missbrauch gesagt, man werde auf Betroffene zugehen: "Wir brauchen den Kontakt zu den Opfern, die im Mittelpunkt stehen."

Trotz Verdacht auf Straftat, die Kirche bleibt intern

Gegenüber dem Opfer Alexandra Wolf und ihren Eltern geschieht erst einmal nichts. Ende 2013 fragt sie im Büro des Erzbischofs nach und mahnt die versprochene Aufklärung an. Ihre Anzeige wäre persönlich zu stellen gewesen, damit meldet sich der damals amtierende Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand bei dem Opfer zurück. Am 9. Januar 2014 gab dann Alexandra Wolf ihre Vorwürfe persönlich zu Protokoll. 

2010 hatte es in der Diözese Würzburg eine Personal-Änderung gegeben. Prof. Dr. Klaus Laubenthal, Jurist und Lehrstuhlinhaber für Kriminologie und Strafrecht an der Universität Würzburg, wurde zum Missbrauchsbeauftragten berufen. 
Ihm gegenüber beschuldigt Alexandra Wolf den damaligen Personalreferenten und  späteren Missbrauchsbeauftragten (2002 – 2010) des Bistums Würzburg als Täter. Sie habe früher Anzeige erstatten wollen. Eine Hürde aber sei für sie nicht zu überwinden gewesen: Der Täter und der Missbrauchsbeauftragte der Diözese waren ein und dieselbe Person.

Laubenthal erfährt erstmals an diesem Tag, dass der Missbrauchsvorwurf  seinen Vorgänger belastet. Er sucht das Gespräch mit dem Beschuldigten. "Ja",  sagt dieser, als Ort käme wohl Himmelspforten in Frage.  Dort sei er unüblicherweise mit der damals Minderjährigen alleine in einem Raum gewesen. 

Weiter geht es hier jetzt mit einem Zitat aus dem Spiegel: "Laubenthal fragte nach, ob das Mädchen in dem Raum eine Hose getragen habe. Nach über zwei Jahrzehnten antwortete der Priester: "Nein, etwas Kürzeres. Ich meine, ein gelbes Kleid." Zu einem sexuellen Übergriff gefragt, sagt er: "Nein."

Laubenthal begann, so Wensierski im Spiegel weiter, "... die Plausibilität ihrer Vorwürfe (Alexandra Wolf – Anmerkung hpd)  zu überprüfen. Zwei Monate später stand für ihn, Laubenthal, fest, dass tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht eines sexuellen Missbrauchs an einer minderjährigen Person durch Herrn Dr. Friedrich Stein vorliegen", somit bestehe wahrscheinlich eine Straftat und die Staatsanwaltschaft sei einzuschalten.

"Der Missbrauch konnte nicht bewiesen werden" - Kirchengerichtsverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit:

Trotz der Einschätzung des Missbrauchsbeauftragten Prof. Dr. Klaus Laubenthal gab es keine Vorstellung des Falls bei der Staatsanwaltschaft. Die leitenden Kirchenmänner stärkten sich hier gegenseitig den Rücken, man "vertraue sich voll", so hieß es. Einbezogen in die Runde war der Bischof Hoffmann, ebenso der Generalvikar Hillenbrand.  Man händigte dem Beschuldigten sogar Akten zum Fall aus und gewährte ihm dadurch Einflussnahme auf den "Umgang mit dem (eigenen) Fall". Obendrein nahm der mutmaßliche Täter teil an der Entscheidung, den Staatsanwalt nicht einzuschalten. Man entschied sich für die Weitergabe an das Kirchengericht München. 

Damit landete wie viele andere Missbrauchs-Anzeigen auch dieser in der "katholischen Paralleljustiz". Von Wensierski recherchiert, im Spiegel zu lesen: 22 Kirchengerichte arbeiten in Deutschland unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Staatliche Gerichte können deren Arbeit nicht überprüfen, Akten und Beschlüsse bleiben kirchenintern. "Der Missbrauch konnte nicht bewiesen werden", kam von dort der Schlusspunkt. Von diesem Zeitpunkt an nahm die Anzeige des Missbrauchs seinen außergewöhnlichen Verlauf. 

Die kompletten Unterlagen des Münchner Kirchenrechtsverfahren einschließlich der Vernehmungsprotokolle des Beschuldigten und der Zeugen sowie der ausführliche Bericht der Voruntersuchung kamen in die Hände des Journalisten Wensierski. Dieser nahm die Recherche auf und stellt fest: