Interview mit einem Aktivisten aus Uganda

Menschen sind nicht nur "Überlebensmaschinen"

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Arthur Kisitu
Arthur Kisitu

BERLIN. (hpd) Arthur Kisitu ist ein Künstler, Aktivist und Pädagoge aus Uganda. Er spricht im hpd-Interview über Kunst, Tanz und Hoffnung von Kampala bis nach Berlin. Seine Arbeit verbindet politisches Bewusstsein und Handeln mit Kreativität und Ästhetik und gibt so vielen Kindern eine Plattform. Kisitu verbindet statt zu Trennen und ist damit ein vorzügliches Beispiel für jene, die glauben, dass Segregation eine Lösung sein kann in unserer globalisierten Zeit.

hpd: Wann oder wie haben Sie erkannt, dass Sie Künstler sind?

Arthur Kisitu: Alle Menschen sind von Geburt an ausgestattet mit Kreativität und Innovation. Jene, die dieser natürlichen Veranlagung nachgehen werden KünstlerInnen genannt. Ich bin zufällig einer von ihnen. Es ist mein Lebensstil seit ich ein Kind war. Ich bin Autodidakt in vielen Bereichen und lerne, während ich arbeite und meiner Leidenschaft folge.

Was hat Sie bewogen, Kindern in Uganda und Deutschland einen künstlerischen Austausch zu ermöglichen?

Ich bin Künstler in Uganda und hatte beschlossen, für eine Weile in Katanga (No Man's Land), einem Slum in Kampala, zu leben. Als Fotograf habe ich vieles aus dem Leben meiner Nachbarn, besonders ihrer Kinder, dokumentiert und miterlebt.

Nach erfolgreichen Ausstellungen in einer deutsch-ugandischen Gesellschaft kam ich 2013 nach Berlin, um hier das Projekt PEACE MATTERS, einen künstlerischen Austausch von Kindern und Jugendlichen zu initiieren. Zurück in Uganda habe ich diese Arbeit fortgesetzt, diesmal jedoch Kinder mit einbezogen, die auf dem Lande leben oder Mitglieder einer marginalisierten Gemeinschaft in Kampala sind. Inzwischen wurde das Projekt um die Dimension Tanz erweitert und der Austausch zwischen den Kindern des Katanga Slums und den Kindern der Batwa Pygmäen Minderheit, die aus ihrem ursprünglichen Lebensraum vertrieben wurden, etabliert.

Was sind die besonderen Schwierigkeiten, die die Kinder in Katanga und der Batwa Pygmäen bewältigen müssen?

Die Batwa Pygmäen sind eine Gruppe von Ureinwohnern die als SammlerInnen und JägerInnen im Wald lebten. In den 1990ern wurden sie aus den Wäldern vertrieben, in denen sie lebten. Sie müssen jetzt in Lagern leben und die Rückkehr in ihre heimatlichen Wälder wird ihnen von der Regierung verwehrt.

Ihre Geschichte ist traurig. Nach der gewaltsamen Vertreibung aus den Kisoro Wäldern wurden sie am Bunyinvi See wieder angesiedelt, wo sie weniger als 1 Prozent der Bevölkerung ausmachen.

Sie werden dort systematisch diskriminiert, indem z.B. die Geburten nicht registriert werden und so der Zugang zu den grundlegenden Bürgerrechten verwehrt wird, wie der Gesundheitsversorgung. Das Betreten von anderen Grundstücken und Häusern war lange Zeit für die Batwa Pygmäen verboten. Ihr Leben wurde als wertlos angesehen. In ihren Lagern, bzw. Reservaten waren sie nicht mehr als eine folkloristische Touristenattraktion. Die Batwa verdingen sich mittlerweile als Gelegenheitsarbeiter. Der Wald, der einst ihre Lebensgrundlage darstellte, ist ausgeplündert.

Sie fordern ihre Rechte und gleichberechtigten Zugang zu Land, Bildung und dem Gesundheitswesen.

Die 25.000 BewohnerInnen des Katanga Slums überleben in extremer Armut. Nur wenige Kinder gehen zur Schule und es ist schwer aus dem Teufelskreis von Armut und Bildungsferne auszubrechen. Auch sie sind Außenseiter in der großen Gemeinschaft von Uganda.

Warum haben sie Tanzen in ihr Projekt aufgenommen? Es könnte durchaus Wichtigeres geben für Kinder. Zur Schule gehen, zum Beispiel, Zugang zur Gesundheitsfürsorge und anderes.... ?

Nach 4 Jahren Aufenthalt in dem Slum, hatte ich viele Eindrücke und Gedanken der BewohnerInnen gesammelt. Viele von ihnen beklagten sich über die unfaire Präsention ihrer Geschichten in den Mainstream-Medien. Mit diesem Wissen begann ich, die Menschen zu fotografieren und zu interviewen.

Ich habe viel gelernt, unter anderem, dass Menschen selbst in höchst peinigenden Situationen nicht nur reine Überlebensmaschinen sind, die nur auf die nächste Mahlzeit warten. Natürlich brauchen Menschen Schulen, Schutz, Essen zum Überleben aber das reicht nicht um das GANZE Sein zu befriedigen, auch emotionale, mentale und meiner Meinung nach auch spirituelle "Nahrung" ist nötig.

Ein sehr wichtiger Aspekt, der meist ignoriert oder sogar abglehnt wird wenn es um Lebensbedingungen in Armut geht, ist Freizeit. Während der Dokumentation der Katanga-Story folgte ich manchmal Kindern zurück zu ihren Dörfern anlässlich von Festivitäten wie Weihnachten oder kulturellen Festivitäten.

Bei einer dieser Gelegenheiten wurde ich Zeuge eines Streites von Kindern darüber, welches Lied gespielt werden solle und wie dazu getanzt werden soll. Die Kinder aus dem Slum (also aus der Stadt) wollten zu Popmusik tanzen, während die Kinder der Dörfer traditionelle Lieder bevorzugten.

Arthur Kisitu mit Schülern einer Lebenskunde-Klasse
Arthur Kisitu mit Schülern einer Lebenskunde-Klasse in Berlin-Neukölln

In unserem Projekt wollen wir die Kinder, die sich begegnen, bestärken, sich gegenseitig ihre jeweilige Lieblingsmusik vorzustellen und dazu zu tanzen. Nach dem Lernen der verschiedenen Tänze entwickle ich eine Choreografie und verbinde die Bewegungen in einer harmonischen und hochinteressanten Tanzsequenz, um die kulturelle Vielfalt zu zelebrieren: Tradition trifft Urbanität!

Tanz als universelle Sprache ist eine Möglichkeit Grenzen zu überwinden. Wir hoffen damit eine Brücke zu bauen, zwischen deutschen und ugandischen Kindern, die sich mit ihren Erfahrungen wiederfinden. Dies geschieht, indem ich den Gruppen jeweils kurze Filmsequenzen zeige und sie inspiriere, ihre eigenen Kreationen zu zeigen.

Während es bei dem Projekt darum geht, die Kinder generell zu stärken und vertraut zu machen mit diversen kulturellen Einflüssen, geht es bei den Batwa Kindern auch darum, ihre Traditionen wertzuschätzen. Ich bin gewiss, dass die Rückbesinnung auf Geschichte und Traditionen durch Tanz auch neue Möglichkeiten eröffnet, Verbindungen zu schaffen, sowohl lokal als auch global über die Kontinente.

Die Erfahrungen, die ich beim letzten PEACE MATTERS Projekt 2013 auch mit Gruppen im Fach Humanistische Lebenskunde machen konnte, haben mich erfreut und bestärkt, diese Arbeit auch in Deutschland fortzusetzen.

Langfristig ist es meine Hoffnung, Kinder aus Deutschland nach Uganda einzuladen und vice versae. Mittelfristig hoffe ich auf Organisationen, die solch einen Austausch unterstützen. So sehr ich meine Arbeit liebe, die materielle Unterstützung, die ich mit Hilfe meiner Kunst geben kann ist natürlich gering, die Hilfe von FreundInnen ist wunderbar, aber natürlich brauchen wir jede nur mögliche Unterstützung, - zur Zeit vor allem für einen neuen Laptop und eine weitere Kamera, um das Material zu bearbeiten.

Das Gespräch führte Susan Navissi für den hpd.

Für Projekttage an Schulen (oder Spenden) wenden Sie sich bitte an
Dr. Johanna Heuveling (Deutsch): johanna.heuveling[at]pressenza.com
Arthur Kisitu (Englisch): theportraithome[at]gmail.com