Kommentar

"Diese Moschee ist eine Bewährungsprobe für die friedlichen Muslime in Deutschland"

hamed.png

Hamed Abdel-Samad

Die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee der Rechtsanwältin Seyran Ates sorgt für Aufregung. Die Rechtsabteilung der Al-Azhar-Universität sprach eine Fatwa gegen sie aus. Der Politologe und Islamismusexperte Hamed Abdel-Samad ist besorgt und ruft zur Solidarität auf. Ein Kommentar. 

Ich nehme die Anfeindung gegen die neue Berliner Moschee sehr ernst. Die Fatwa aus Ägypten und die Agitation aus der Türkei und aus Kreisen der Islamverbände könnte das Leben der Initiatoren in Gefahr bringen.

Vor 1400 Jahren gab es einen ähnlichen Fall. Eine Gruppe Muslime in Medina wollte eine neue Moschee bauen, da die Moschee von Mohamed weit weg war. Sie luden Mohamed ein, um die neue Moschee zu segnen, doch dieser hatte Angst, dass diese Moschee zur Spaltung der Muslime führen könnte, also befiel er, die neue Moschee zu verbrennen. Drei Koranverse aus Sure 9 bestätigen diese Episode:

"Achte auf diejenigen, die die auf Schaden und Unglauben ausgerichtete Moschee erbauten, um die Gläubigen zu entzweien und Beobachtungen zugunsten derer anstellten, die einst gegen Gott und Seinen Gesandten Krieg führten. Sie werden hoch und heilig schwören: 'Wir bezweckten nur Gutes.' Gott bezeugt, daß sie hartnäckige Lügner sind. Du sollst niemals darin beten! Eine Moschee, die vom ersten Tag an auf der Basis der Frömmigkeit errichtet wurde, hat eher den Anspruch darauf, daß du darin betest. Darin sind Menschen, die sich läutern wollen. Gott liebt die, die sich läutern. Ist der, der sein Gebäude auf der Frömmigkeit Gott gegenüber und auf dem Wohlgefallen Gottes gründet besser oder der, der sein Gebäude am Rand eines verfallenen vom Wolkenbruch unterspülten Sandhanges gründet, der mit ihm in das Höllenfeuer hinabstürzt? Gott leitet die ungerechte Schar nicht zum rechten Pfad."

In der Geschichte des Islam wurden immer wieder Moscheen verbrannt oder zerstört, die von der Mainstream-Theologie abgewichen waren. Diese Verse waren die Grundlage dafür. Radikale Sunniten, die schiitische und Ahmadiya-Moscheen in die Luft jagen, berufen sich ebenfalls auf diese Verse. Auch für die Fatwa gegen die Berliner Moschee waren diese Verse ausschlaggebend. Diese Verse tauchen nun immer wieder in den feindseligen Kommentaren der Gegner der Moschee auch in Deutschland. 

Diese Moschee ist eine Bewährungsprobe für die friedlichen Muslime in Deutschland. Man muss nicht die Initiative begrüßen und man muss nicht in der Moschee beten. Aber das Mindeste, was man tun kann, ist seine Solidarität mit dieser Moschee zu zeigen und sich gegen die Drohungen und Diffamierung stellen. Sollte diese sogenannte schweigende Mehrheit auch zu diesem Fall schweigen, dann ist sie nicht friedlich, sondern passiv, wie die schweigende Mehrheit der deutschen, die zwischen 1933 und 1945 geschwiegen hatte und somit ein Ungeheuer ermöglicht hatte, Deutschland und die Welt ins Elend stürzten zu lassen!

Es ist endlich Zeit, von Muslimen zu verlangen, das zu leisten, was sie von der deutschen Mehrheit immer wieder verlangen: Toleranz, Respekt vor Vielfalt und Selbstbestimmung!