Ärztliche Leitlinie zu Vorhautverengungen (Phimose) veröffentlicht

Neues Nachdenken über die Vorhautbeschneidung gefordert

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Sechs deutsche Ärzteverbände fordern ein neues Nachdenken über die Vorhautbeschneidung. Sie haben eine neue ärztliche Leitlinie zu Vorhautverengungen (Phimose) herausgebracht. Darin wird empfohlen, eine Operation nicht voreilig oder vorbeugend durchzuführen. Somit müsse der § 1631d BGB erneut hinterfragt werden.

In einer WAZ-Meldung heißt es: "Dass die männliche Vorhaut nur ein unbedeutendes, Probleme verursachendes Stück Haut sei, sieht man an einigen deutschen Kinderkliniken schon länger kritisch." In dem Artikel wird auf die lebenslangen Konsequenzen einer Beschneidung hingewiesen. Denn anders als es die – häufig religiösen – Verfechter der Beschneidung (aus medizinisch nicht notwendigen Gründen) verharmlosen, können diese für die Betroffenen gravierende Folgen haben.

In der Empfehlung der Ärzte heißt es: "Eine Therapie der primären oder sekundären Phimose sollte nur dann erfolgen, wenn die Patienten Beschwerden haben oder solche unmittelbar zu erwarten sind." Und weiter: "Im Säuglingsalter besteht keine medizinische Indikation zur Therapie einer Vorhautenge. In einigen ausgewählten Fällen kann bei Säuglingen mit assoziierter Uropathologie eine Zirkumzision sinnvoll sein …" (Hervorhebung durch den Autor).

Zitiert wird der Kinderchirurg Kolja Eckert: "Mir wurde beigebracht, Vorhäute abzuschneiden. Ihre Bedeutung aber wurde nie vermittelt. Es gab dazu lang keine Forschung." Inzwischen gibt es umfangreiche Forschungen über dieses Thema (siehe auch hier). Diese vermittelt der WAZ-Artikel ausführlich. "In der neuen Phimoseleitlinie betonen die Autoren die Funktion der ­Vorhaut. Laut einer Studie des US-Mediziners und Beschneidungskritikers Morris L. Sorrells ist sie der sensibelste Teil des Organs. Stark durchblutet spielt sie für das Erleben sexueller Empfindung eine wichtige Rolle und schützt die Eichel wie das Lid das Auge."

Wenn sie entfernt wird, gehen Tastkörperchen, befeuchtende und vermutlich zur Immunabwehr wichtige Drüsen verloren, warnen die Ärzte. "Das führe zur Desensibilisierung eines Organs, dessen Ausdehnungsfähigkeit eine wichtige Eigenschaft ist, das bei dem Eingriff aber bis zu 50 Prozent seiner Hautre­serve verliert."

Die neue Phimoseleitlinie lehnt auch die früher propagierte vorbeugende Beschneidung zur Verhinderung sexuell übertragbarer Krankheiten ab. Bei den wenigen Fällen, in denen aus medizinischer Sicht eine Zirkumzision notwendig ist, verlangen die Ärzte eine Vollnarkose und lokale Betäubung. "Die neue Leitlinie warnt zudem vor Komplikationen durch Beschneidung, die selbst in kinderchirurgischen Zen­tren bei fünf Prozent der Behandlungen eintreten würden. Bei Neugeborenen sei die Zahl noch viel höher."

Damit – so die Konsequenz – müsse der vom Bundestag eilig erlassene § 1631d BGB über die "Beschneidung des männlichen Kindes" dringend auf den Prüfstand. Dänemark macht es vor.