Charles W. Mills Monographie "The Racial Contract" von 1997 gilt heute als moderner vertragstheoretischer Klassiker, kritisierte er darin doch frühe Denker aufgrund ihrer Ignoranz gegenüber dem Rassismus. Berechtigt macht der Autor auf diese Defizite aufmerksam, ignoriert dabei aber, dass man das gemeinte Denken auch und gerade gegen diese Ignoranz wenden kann, was eben gerade dessen Modernität und Offenheit veranschaulicht.
Zu den klassischen Modellen in der politischen Philosophie gehören die verschiedenen Vertragstheorien. Das gemeinte Denken geht jeweils in der Grundsubstanz davon aus, dass bestehende Herrschaft durch einen fiktiven Kontrakt legitimiert werden könne. Bekanntlich folgten aus den gemeinten Ansätzen auch unterschiedliche Konsequenzen, sie reichten von der Etablierung eines autoritär-diktatorischen Staates bis hin zu einem liberal-sozialen Staat. In Anknüpfung und gleichzeitiger Kritik daran entwickelte Charles W. Mills seinen "Racial Contract". Damit sind sowohl sein eigener Erklärungsansatz wie eine unterstellte Vertragspraxis gemeint. In seinem Buch "The Racial Contract", das erstmals 1997 erschien und mittlerweile als moderner Klassiker gilt, geraten diese Dimensionen mitunter durcheinander. Auch die Bezeichnung "Race" im Text kann irritieren, versteht man doch in der deutschen Sprache darunter etwas anderes als in der englischen Sprache. Es geht hier um eine ethnisch-soziale Kategorie, nicht um das historische "Rasse"-Verständnis.
Diese Klärungen sind vorab nötig, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Worum ging es darin dem Autor, der als jamaikanischer Philosoph als Professor am CUNY Graduate Center in New York lehrte? Er kritisierte in seinem Buch inhaltliche Defizite der Vertragsvorstellungen, hätten sie doch die Diskriminierung von Schwarzen in den entwickelten Vorstellungen komplett ignoriert. Demgegenüber verwies Mills auf einen anderen Vertrag, der ein historischer Fakt und nicht nur ein Gedankenexperiment gewesen sei: eben den "Racial Contract". Demnach beruhten die westlichen Gesellschaften, womit insbesondere, aber nicht nur die USA gemeint waren, auf einem diskriminierenden Vertrag. Dabei seien Nicht-Weiße ausgeschlossen und Weiße allein bestimmend gewesen. Die ganze Angelegenheit wäre dabei für die Letztgenannten von einseitigem wirtschaftlichem Nutzen gewesen. So müsse auch für die Gegenwart eine neue Kategorisierung vorgenommen werden: "Weiß/nicht-Weiß, Person/Unterperson" (S. 111).
Dazu bestehe ein fehlendes oder unterentwickeltes Bewusstsein, welches allenfalls bei "den weißen Abtrünnigen und Race-Verrätern" (S. 5) – wie in der Widmung formuliert – vorhanden sei. "Erörterungen von race und Weißem Rassismus" (S. 42) müssten stärker in die politische Philosophie integriert werden. Der Autor wollte damit "einen nicht-idealen Vertrag als rhetorische Figur und theoretische Methode zum Verstehen der inneren Logik race-bezogener Herrschaft und zur Beantwortung der Frage … verwenden, wie sie die Politik des Westens und anderswo strukturiert" (S. 46). Drei Aussagen bündeln das Gemeinte: die "Weiße Vormachtstellung" existiere, sie sei selbst als politisches System aufzufassen und beruhe auf einem zwischen Weißen geschlossenen Vertrag (vgl. S. 47). Die damit einhergehenden Inhalte entwickelte Mills dann in zehn Thesen, welche im Kern des Textes ausführlicher entwickelt werden. Sie münden in der Auffassung: "Weißsein ist in Wirklichkeit überhaupt keine Farbe, sondern eine Menge von Machtverhältnissen" (S. 156).
Mit differenziert-kritischem Blick können Einwände wie Zustimmung formuliert werden. Letzteres gilt bezogen auf die Ignoranz gegenüber dem Rassismus, welche ebenso in der politischen Philosophie besteht. Die Ausnahmen, die Mills erwähnt, machen andere Optionen immer wieder deutlich. Er erinnert berechtigt an die langfristigen Folgen, welche mit Kolonialismus und Rassismus einhergingen. Aber auch wenn der Autor einen rigorosen Dualismus vermeiden will, macht er es sich mit der Schwarz-Weiß-Unterscheidung dann doch zu einfach. Und dann blickte er nicht nach vorn – hin zu einer neuen Perspektive, wobei man sie gerade in den alten Vertragstheorien finden kann. Berechtigt machte Mills darauf aufmerksam, dass Rassismus dort nicht thematisiert wurde. Einzelne Denker hatten gar selbst derartige Vorstellungen. Gleichwohl kann man etwa auch mit Kant gegen ihn selbst und solche Positionen anargumentieren. Und bei Rawls meint der "Schleier des Unwissens" ebenso, dass die Hautfarbe ebenso wenig eine Rolle wie der Sozialstatus spielt.