BERLIN. (hpd) Manipulation, Korruption und Menschenrechtsverletzungen: Die preisgekrönte Dokumentation "Dirty Games" ist couragierter Investigativjournalismus über die dunklen Seiten des Milliardengeschäfts mit dem Profisport. Ein wichtiges Alternativ- oder Begleitprogramm zur Fußball-Europameisterschaft.
Im verregneten Kathmandu, Nepal, landet nachts ein Flugzeug aus Katar. Ein Vater wartet am Flughafen auf die Heimkehr seines Sohnes. An Board der Qatar-Airways-Maschine befindet sich ein Sarg mit der Leiche des 28-jährigen Bahadur Danuwar, die in sein Heimatland überführt werden soll. Der Nepalese hatte als Gastarbeiter in Katar an Baustellen bei der Errichtung von Stadien für die umstrittene Fußball-Weltmeisterschaft 2022 gearbeitet. Der Totenschein vermeldet lediglich, der junge Mann hätte im Schlaf einen Herzstillstand erlitten. Danuwars Familie kann das nicht glauben. Der Vater einer kleinen Tochter soll kerngesund gewesen sein.
Dafür spricht auch, was Menschenrechtsorganisationen seit Jahren kritisieren: Arbeitsmigranten aus zumeist südasiatischen Ländern arbeiten in der Hitze des Wüstenemirats unter katastrophalen und höchst gefährlichen Arbeitsbedingungen. In Kathmandu berichten Rückkehrer, sie wurden in Katar wie Sklaven gehalten, ihrer Pässe und Arbeitsverträge beraubt und unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht. Bei Arbeitsverweigerung werde mit Gefängnis gedroht, bei Arbeitsunfällen komme der Krankenwagen ohne Sirenen, um keine unliebsame Aufmerksamkeit zu erzeugen. Viele Gastarbeiter kehren mit leeren Händen oder, wie Bahadur Danuwar, in Särgen in ihre Herkunftsländer zurück.
NGOs schätzen, bis zur Eröffnung der WM im Emirat am persischen Golf werden 4000 Gastarbeiter ihr Leben gelassen haben. Diese Todesfälle werden von den katarischen Behörden verschwiegen und vertuscht. Von der FIFA werden die Menschenrechtsverletzungen im WM-Gastgeberland 2022 nicht Ernst genug genommen und die vielen Toten fahrlässig in Kauf genommen. Franz Beckenbauer versicherte unlängst, er habe "nicht einen einzigen Sklaven in Katar g'sehn".
Die schockierende Geschichte um Danuwars Tod und die Ausbeutung nepalesischer Gastarbeiter bildet den ersten Akt in Benjamin Bests Dokumentation "Dirty Games", die derzeit in den deutschen Kinos läuft. Bests Film legt offen: Die Menschenrechtsverletzungen in Katar haben System. Sie sind die blutigen Begleiterscheinungen der weltweiten Geldmaschine "Profisport". "Dirty Games" ist das Filmdebüt des Berliner Sportjournalisten, der seit Jahren investigativ über Manipulation und Korruption im Sport recherchiert. Die Dokumentation wirft einen Blick hinter die Kulissen des internationalen Spitzensports und dokumentiert, was spätestens seit dem aktuellen FIFA-Skandal jedem klar sein sollte: Betrug, Ausbeutung und rücksichtslose Politik regieren den Profisport.
So erzählt der Film auch von den Zwangsenteignungen vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien 2014, als zehntausenden Familien ihre Wohnungen genommen wurden, um Platz für moderne Stadien, Straßen und Hotels zu machen. Von der Vorbereitung für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro dieses Jahr wird wieder ähnliches berichtet. "Dirty Games" zeigt Bilder, die im Schatten der großen Medienevents zu schnell verblassen. Den meisten Deutschen werden wohl nicht die Bilder von brasilianischen Demonstranten im Gedächtnis bleiben, sondern Götzes Siegtreffer im Endspiel gegen Argentinien. Denn wenn der Ball erst einmal rollt, wird leicht alles andere ausgeblendet.
"Dirty Games" deckt nicht unbedingt fundamental Neues auf, bietet aber seltene und aufschlussreiche Einblicke. Denn der Film lässt Opfer und Täter zu Wort kommen. Zu den stärksten O-Tönen des Films zählt ein ehemaliger Boxmanager, der zugibt, in seiner aktiven Zeit hunderte Kämpfe manipuliert zu haben. Oder ein NBA-Schiedsrichter, der berichtet wie er jahrelang auf Basketballspiele der Profiliga wettete, die er selbst gepfiffen hat. Sportverbände verharmlosen solche Betrügereien oft als unmoralische Entscheidungen von Einzeltätern. Best aber lässt keinen Zweifel daran, dass das Problem ein strukturelles ist.
Bleibt die Frage, wie man als Zuschauer mit diesen sehr unangenehmen Wahrheiten umgehen soll. Die großen internationalen Sportevents werden stetig bombastischer und teurer. Und damit wachsen auch die Schattenseiten des Weltsports. Doch seit einer Woche rollt wieder der Ball, die Kameras sind auf das Spielfeld gerichtet und alle Skandale um die FIFA scheinen vergessen oder zeitweise verdrängt.
Dirty Games, Deutschland 2015 / Dokumentarfilm / 90 Minuten / Regie: Benjamin Best / ab 6 Jahren freigegeben
1 Kommentar
Kommentare
Kay Krause am Permanenter Link
Die Ansichten eines Alt-Sportlers mögen belächelt werden, damit kann ich leben: Mich wundert's nur, dass diese Art von Geldscheffeln immer noch als "Sport" bezeichnet wird.
Nicht erst heute, schon zu Cäsars Zeiten war "Sport" ein Geschäft. "Gebt dem Volk Brot und Spiele!", so sprach der große Kaiser. Heute hat die Mafia denProfi-Sport fest im Griff, an dieser Art der Volksbelustigung werden weltweit Milliarden gescheffelt, und ich gebe zu, dass auch ich mich hinreißen lasse, ein Länderspiel Deutschland - Polen im TV anzuschauen. Es ist ja auch nicht so, dass das eine Sünde oder gar verboten ist, nur: was hat das alles noch mit "Sport" zu tun?
Dass diese Mafiosi über Leichen gehen, um ihre Ziele durchzusetzen, sollte niemanden verwundern!