Aktion vor dem Kölner Dom verdeutlicht, warum der Staat endlich handeln muss

Die "schonungslose Aufarbeitung" des Missbrauchsskandals

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Diese Skulptur von Jacques Tilly aus dem Düsseldorfer Karneval 2019 wird in abgewandelter Form ab dem morgigen Mittwoch drei Tage vor dem Kölner Dom stehen.
Der "Hängemattenbischof"

Anlässlich der Vorstellung des zweiten Gutachtens zum sexuellen Missbrauch im Erzbistum Köln demonstrieren das "Aktionsbündnis Betroffeneninitiativen" und die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) erneut vor dem Kölner Dom. Mit der Aktion vom 17. bis 19. März soll verhindert werden, dass der öffentliche Druck nachlässt. Außerdem will die gbs "Amtshilfe" leisten, damit die überforderten Kirchenaustrittsstellen ihrer Aufgabe nachkommen können.

Nach der aufsehenerregenden Protestaktion mit dem "Eichelbischof" vor drei Wochen bringen die Organisatoren erneut eine provokante Skulptur auf die Kölner Domplatte: Der "Hängemattenbischof" des Düsseldorfer Wagenbauers Jacques Tilly liegt zufrieden grinsend in seiner goldenen Schlafkoje, die an zwei Kreuzen befestigt ist, welche sich unter dem Gewicht des untätigen Amtsträgers so sehr verbiegen, dass sie vollends zu zerbrechen drohen.

Matthias Katsch vom Eckigen Tisch erklärt, weshalb die Organisatoren nach so kurzer Zeit schon wieder in Köln demonstrieren: "Wir wollen verhindern, dass der öffentliche Druck nach der Veröffentlichung des zweiten Gutachtens nachlässt. Ganz Deutschland blickt auf Köln, und die Kirche wird sich danach auf die Schulter klopfen und betonen, man tue ja etwas. Doch die Gutachten sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Auch in mehreren anderen Bistümern wurden Gutachten erstellt. Doch teilweise sind sie geschwärzt, Rücktritte von Klerikern gibt es immer noch nicht und vor allem: den Opfern wird damit allein auch nicht geholfen."

"Nach so vielen Jahren der Vertuschung", so Katsch, "vertrauen wir den Kirchen nicht mehr, dass sie den Gutachtern wirklich alle Akten zugänglich machen. Bereits die Ankündigung von Erzbischof Woelki, er werde im Gutachten genannte Personen, wenn es 'nötig' ist und auch dann nur 'vorläufig', von ihren Aufgaben entbinden, lässt vermuten, dass er nur handeln wird, wenn der öffentliche Druck groß genug ist. Unser 'Aktionsbündnis Betroffeneninitiativen' fordert daher in einer Online-Petition unter anderem die Einsetzung einer unabhängigen Wahrheits- und Gerechtigkeitskommission durch den Bundestag sowie die Gründung eines Opfergenesungswerks."

Das Versagen des Staates

David Farago von der Giordano-Bruno-Stiftung nimmt auch die Staatsanwaltschaften in die Pflicht und sagt mit Blick auf die Skulptur des "Hängemattenbischofs": "Eigentlich müsste neben dem Bischof ein Staatsanwalt liegen. Es kann nicht sein, dass private Gutachter die Aufgaben der Ermittlungsbehörden übernehmen. Spätestens seit der sogenannten MHG-Studie aus 2018 war den Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland bekannt, dass sich in den Kirchenarchiven Belege für Straftaten finden, die noch nicht verjährt sind. Gleichwohl wurde kein einziges Kirchenarchiv durch die Staatsanwaltschaften selbst durchsucht."

Dem steht nicht entgegen, dass die Staatsanwaltschaft Köln vergangene Woche rechtliche Gründe anführte, aufgrund derer sie keine Ermittlungen gegen Erzbischof Rainer Maria Woelki aufnehmen dürfe: "Wie bei allen anderen Arbeitgebern", so hieß es, müsse angeblich "auch ein Erzbischof" keine "Dinge" über seine Angestellten preisgeben. Dieses Argument jedoch verkennt, wie gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon erläutert, "dass ein Bischof kein gewöhnlicher Arbeitgeber ist, sondern ein Vertreter einer 'Körperschaft des öffentlichen Rechts', was nach herrschender Rechtsmeinung mit einer 'gesteigerten Verantwortung' sowie der 'Wahrung eines angemessenen Grades an Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit' einhergehen muss. Erzbischof Woelki wird sich daher durch den Vergleich mit normalen Arbeitgebern nicht aus der Affäre ziehen können. Nun sind die Vertreter des Staates gefordert, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen!"

gbs leistet "Amtshilfe" beim Kirchenaustritt

In den letzten Monaten haben sich viele Bürgerinnen und Bürger dazu entschlossen, den Druck auf die Kirchen zu erhöhen, indem sie massenhaft aus der Kirche austraten. Doch selbst das ist zurzeit in vielen deutschen Großstädten nicht möglich, da die zuständigen Behörden überlastet sind und keine zeitnahen Termine vergeben können. Damit niemand länger Kirchensteuer zahlen muss, als es erforderlich ist, hat die gbs ein Kirchenaustritts-Formular entworfen, das man am Computer ausfüllen und ausdrucken kann. Das eigenhändig unterschriebene Dokument sollte man am besten per Einschreiben an die jeweils zuständige Behörde versenden. Die richtige Adresse findet man auf der Website www.kirchenaustritt.de (für Köln lautet die Adresse übrigens: Amtsgericht Köln, Justizgebäude, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln).

Es ist noch unklar, wie die Behörden mit diesem Schreiben umgehen. Wahrscheinlich werden sie das vorgezogene Datum für den Kirchenaustritt nicht anerkennen wollen. Die Giordano-Bruno-Stiftung und das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) sind allerdings gerne bereit, einen Musterprozess in dieser Angelegenheit zu führen. Denn es kann nicht sein, dass man zwangsweise Kirchenmitglied bleiben muss – nur weil der Gesetzgeber es versäumt hat, das Kirchensteuerrecht an die Rechtswirklichkeit anzupassen und die Möglichkeit zu schaffen, unkompliziert und zeitnah (beispielsweise auf digitalem Weg) aus der Kirche auszutreten.

Infos zur Aktion am Kölner Dom

Zur Protestkundgebung aufgerufen hat die Giordano-Bruno-Stiftung, gemeinsam mit dem "Aktionsbündnis Betroffeneninitiativen". Diesem gehören zahlreiche Betroffenenorganisationen an: Eckiger Tisch e. V.MoJoRed e. V. – Missbrauchsopfer-Josephinum-RedemptoristenBetroffeneninitiative-HildesheimInitiative Ehemaliger Johanneum HomburgBetroffeneninitiative kirchlicher Missbrauch Süddeutschland e. V.Selbsthilfe Missbrauch MünsterSelbsthilfe Missbrauch RhedeInitiative für einen Gedenkort am Johanneum sowie Missbrauchsopfer & Betroffene im Bistum Trier MissBiT e. V.

Die Versammlung mit dem "Hängemattenbischof" wird vom 17. bis 19. März täglich von jeweils 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr auf der Kölner Domplatte stattfinden. Ausnahme: Am 18. März starten wir schon um 8:30 Uhr. Die bestehenden Auflagen zur Eindämmung der Corona-Pandemie werden selbstverständlich eingehalten.