BERLIN. (hpd) Ein Jahr nach dem islamistischen Attentat auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" erscheint ein Sonderheft der Satirezeitschrift mit einer Auflage von einer Million Exemplaren. Die Titelseite der Ausgabe erregte bereits Tage zuvor die Gemüter.
Diesmal ist es Gott selbst, der es auf die Titelseite von Charlie Hebdo geschafft hat. Blutverschmiert rennt er mit einem umgehängten Maschinengewehr durchs Bild. Die Überschrift: "1 an après - l'assassin court toujours" ("Ein Jahr danach: Der Mörder ist noch immer auf freiem Fuß."). Die Karikatur stammt aus der Feder des neuen Chefredakteurs Laurent Sourisseau. Sie kann als satirische Antwort auf die weit verbreitete These verstanden werden, dass Religion nichts mit Terror zu tun habe.
Charlie Hebdo bleibt seiner bissigen Linie treu und nimmt gegenüber Fanatikern jeglicher Couleur kein Blatt vor den Mund. In einem religionskritischen Leitartikel erklärt Sourisseau: "Viele haben gehofft, dass wir nach den Attentaten draufgehen, als Zeitung – diese idiotischen Islam-Fanatiker haben das gehofft, aber auch geweihte Ärsche von anderen Religionen". In dem vorab veröffentlichten Editorial verteidigt Sourisseau zudem den Atheismus und den Laizismus. "Die Überzeugungen der Atheisten und der Laizisten können noch mehr Berge versetzen als der Glaube der Gläubigen", so der Chefredakteur.
Erste Reaktionen mussten nicht lange auf sich warten lassen. So sprach Abdallah Zekri von der französischen Beobachtungsstelle für Islamophobie bei dem Sender BFMTV von einem "für alle Religionen sehr beleidigenden Text". Anouar Kbibech, Präsident des Französischen Verbandes der Muslime erklärte gegenüber der Zeitung "Le Dauphiné Libéré": "Keine Religion erkennt sich in diesem abgebildeten Gott wieder. Gläubige werden diese Zeichnung mit Gleichgültigkeit, ja sogar mit Verachtung" behandeln. In der gleichen Zeitung bezog auch der katholische Abbé Pierre-Hervé Grosjean Stellung. Der Gott der Christen sei ein gewaltloser, der die Botschaft des Friedens übermittle. Es sei nicht die Religion, sondern der Fanatismus, der töte.
Noch schärfer ging Lucas Wiegelmann in der Welt mit Charlie Hebdo ins Gericht. Zwar sei die Karikatur lustig. Doch der Generalverdacht gegen die Religion auf Unversöhnlichkeit und Intoleranz, der auf ihr ruht, sei ungerecht. Mehr noch: "Was passiert, wenn man Gott aus dem Spiel lässt, ist leider auch schon getestet worden, mit monströsen Folgen. Die Totalitarismen, die das 20. Jahrhundert zum blutigsten der Menschheitsgeschichte gemacht haben, waren dezidiert antireligiöse, atheistische Bewegungen", so Wiegelmann. Die großen Religionen dagegen machten die Welt nicht schlimmer, sondern besser.
Was soll man dazu sagen? Solch eine dummdreiste, geschichtsverfälschende Aussage kann man wohl nur mit Satire ertragen. Man kann sie nur mit Charlie Hebdo ertragen.
26 Kommentare
Kommentare
Stefan Dewald am Permanenter Link
An diese Stelle passt der Verweis auf das aktuelle Interview mit dem Chefredakteur von »charlie Hebdo«:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/gespraech-mit-dem-chefredakteur-von-charlie-hebdo-14000488.html
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
BRAVO CHARLIE HEBDO!!!
"der katholische Abbé Pierre-Hervé Grosjean [...]: Der Gott der Christen sei ein gewaltloser, der die Botschaft des Friedens übermittle. Es sei nicht die Religion, sondern der Fanatismus, der töte."
Wollen wir Gott selbst sprechen lassen?:
"Ich will den Menschen, den ich geschaffen habe, vom Erdboden vertilgen." (1. Mose 6,7)
Also in meiner Welt kann man sich kaum terroristischer verhalten, als der "liebe Gott". Eigentlich gar nicht - und dabei völlig unbarmherzig, einem der wesentlichen Merkmale terroristischer Aktionen. Kinder, Säuglinge, Ungeborene: alle hinweggerafft, weil es "Gott" reute, den Menschen geschaffen zu haben. Da ist der Kuchen misslungen; na, dann schmeißt man ihn halt weg!
Wenn heute Menschen Fehler machen haben wir Resozialisierungsprogramme. Wie unendlich viel barmherziger ist also unsere moderne Gesellschaft - trotz ihrer Fehler - gegenüber einem solch rachedurstigen, blutlechzenden "Gott"?
Warum erwarten wir permanent von dessen fundamentalen Anhängern, dass sie weniger widerlich und skrupellos sind?
"Die Totalitarismen, die das 20. Jahrhundert zum blutigsten der Menschheitsgeschichte gemacht haben, waren dezidiert antireligiöse, atheistische Bewegungen", so Wiegelmann. Die großen Religionen dagegen machten die Welt nicht schlimmer, sondern besser."
Florian hat dies schon treffend kommentiert.
Ich kann solche Hornochsen, die Hitler für einen Atheisten halten, nicht ertragen. Weder an Stammtischen mit drei Maß Bier intus noch als Journalist der Welt. Wie verbohrt muss ein Mensch sein, nicht einmal einen Blick in ein Geschichtsbuch zu wagen, nur, um seinen "lächerlichen Aberglauben" (zitiert nach Albert Einstein) irgendwie am Leben zu erhalten?
Meine ganze Wut vor einem Jahr, meine ganze Fassungslosigkeit damals kommt wieder hoch. Diesmal nicht wegen der Terroristen, sondern wegen derartigen abwiegelmannenden Kommentaren, die Ursache und Wirkung verwechseln. Sollten wir nicht eher genau hinsehen und Ursachen schonungslos benennen? Um irgendwann den Terror zu beenden, der im Namen des größten Terroristen, den sich kranke Menschenhirne je ausdenken konnten, verübt werden?
Solange Religionen noch eine Rolle auf unserer Erde spielen, solange ist der allmächtige Mörder auf freiem Fuß...
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Dass im Namen Gottes gigantische Verbrechen verübt worden sind, ist leider nicht zu bestreiten.
Atheismus alleine ist also sicher keine Lösung. Nichtkommunistische politische Systeme wurden noch nicht in großem Stil ausprobiert (wenn man die Französische Revolution als protokommunistisch ansieht, was ich tue), also lässt sich über deren Wirkung (noch) nichts sagen.
Der laizistischste Staat der Welt ist derzeit wahrscheinlich Frankreich. Auch das hat offenbar bislang nicht zum völligen Frieden unter den Bürgern geführt. Vielleicht ist das ja großteils eine Folge der Kolonialzeit. Aber gerade die afrikanischen Kolonien wurden notabene großteils während der republikanischen und weitgehend laizistischen Phasen Frankreichs zusammenerobert.
Fazit: Dass Atheismus der Welt Frieden brächte oder auch nur dazu beitrüge, ist eine völlig unbewiesene und bislang sogar eher widerlegte Behauptung.
Falls jetzt das Argument kommen sollte "Der Atheismus funktioniert nur, wenn er auf der ganzen Welt herrscht" - nun das ist der Wunschtraum jedes Ideologen: alle Andersdenkenden zu eliminieren.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Nein, so funktioniert das nicht.
"Dass die ausdrücklich atheistischen Gesellschaftssysteme allesamt in kürzester Zeit zu totalitären Staaten mit Staatsterror geworden sind, ist aber auch nicht zu leugnen. [...] Atheismus alleine ist also sicher keine Lösung."
Was ist denn Atheismus? Atheismus heißt einfach nur: "Es gibt keinen Gott, zumindest spielt er für mich keine Rolle." Das ist keine Ideologie, kein Wirtschafts- und kein politisches System. Deshalb sehe ich mich auch nicht als Atheisten, obwohl ich einer bin. Ich bin aber auch Aweihnachtsmannist, Aosterhasist, Afeeist und Aufoist.
Faktisch sind alle Ideologien - gerade der Faschismus und der Kommunismus - wie Religionen aufgebaut. Da gibt es ein "heiliges" Buch (Mein Kampf oder Das Kapital) und verehrte Gründer (die in der Religion irgendwann zu Propheten verklärt wurden), da gibt es dualistische Abgrenzungen und Drohungen beim Abfall von der reinen Lehre, Denkverbote und Nachrichtenkontrolle. Für mich sind alle derartigen Systeme Religionen, die, je näher sie uns zeitlich sind, umso politischer wirken. Im Jahr 500 v.u.Z. hätten wir alle vermutlich den aufkeimenden Monotheismus auch noch sehr viel politischer wahrgenommen, als heute, nachdem er durch Millionen von Köpfen gegeistert ist und allerlei Transformationen erfuhr.
"Der laizistischste Staat der Welt ist derzeit wahrscheinlich Frankreich. Auch das hat offenbar bislang nicht zum völligen Frieden unter den Bürgern geführt."
Ich denke, wir sind uns einig darin, dass es in Frankreich noch sehr viel Einfluss von Religion gibt - von den muslimischen Gettos am Rand großer Städte ganz abgesehen. Laizismus ist sicher ein erstrebenswertes Ziel, weil zumindest die Staatsführung (und damit mittelbar die Gerichtsbarkeit) nicht auch noch dem religiösen Unfug Vorschub leistet, wie in Gottesstaaten.
Doch wahrhaft überwunden sind die Folgen des religiösen Dualismus erst, wenn wirklich niemand mehr glaubt, bzw. jeder Gläubige weiß, dass er nur eine private Meinung mit seinem selbst finanzierten Glauben vertritt, die keinen Anspruch auf Anerkennung durch Dritte erheben kann.
Das hat nichts mit einem staatlich verordneten Atheismus zu tun, denn dies ist ein historischer Fehler, wie es sich z.B. in China zeigt, wo Muslime Einfluss gewinnen konnten, weil sie das Dogma "kein Gott" durch das Dogma "doch ein Gott" ersetzen konnten. Wahrhaft aufgeklärte Menschen wissen dogmenfrei, dass es zumindest nicht den Gott aus Bibel und Koran gibt.
"Fazit: Dass Atheismus der Welt Frieden brächte oder auch nur dazu beitrüge, ist eine völlig unbewiesene und bislang sogar eher widerlegte Behauptung."
Wie gesagt: Atheismus an sich macht gar nichts. Erst der Humanismus kann die Welt zum Besseren bewegen.
"Falls jetzt das Argument kommen sollte "Der Atheismus funktioniert nur, wenn er auf der ganzen Welt herrscht" - nun das ist der Wunschtraum jedes Ideologen: alle Andersdenkenden zu eliminieren."
Können Sie mir eine Quelle nennen, in der ein derartiger Blödsinn steht?
Norbert Schönecker am Permanenter Link
"Wie gesagt: Atheismus an sich macht gar nichts. Erst der Humanismus kann die Welt zum Besseren bewegen."
Da kann ich Ihnen ja einmal einen ganzen Satz lang zustimmen!
Theismus an sich macht gar nichts. Erst die Nächstenliebe kann die Welt zum Besseren bewegen.
(Ich gebe jetzt der Versuchung nach und schreibe dazu, dass das sinngemäß im 1 Korintherbrief in Kapitel 13 steht, auf die Gefahr hin, dass Sie das als religiöses Argument und mich als Lügner bezeichnen).
Ich bin froh, dass sie staatlich verordneten Atheismus als historischen Fehler sehen. Ich habe durchaus auch schon mit Menschen zu tun gehabt, die jede Religion verbieten wollen - im Namen des Friedens. Interessanterweise sind das oft dieselben, die höchst aggressiv und persönlich untergriffig Andersdenkende beleidigen.
Das letzte Argument habe ich vom Marxismus abgeleitet, wo ich oft gehört habe, dass er erst nach der erfolgreichen Weltrevolution "greift". Und auch manche Christen (v.a. amerikanisch-evangelikaler Prägung) argumentieren ähnlich. Deshalb traue ich auch Atheisten so etwas zu. Ich bin zum zweiten Mal froh, dass sie das für Blödsinn halten.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Soll mich das bedenklich stimmen, wenn Sie mich so überschwänglich loben?
Ich lass es mal so stehen. :-)
Ich kann und will nicht für alle religionskritischen Menschen sprechen. Ich stehe auch Esoterik, Alternativmedizin und anderen Auswüchsen menschlichen Denkens oder Glaubens kritisch gegenüber. Ich bin überhaupt ein Skeptiker, der auch nicht Wissenschaftlern alles blind "glaubt", nicht einmal Humanisten. Ich hinterfrage alles und jedes.
Ich wünschte mir nur, dass auch Gläubige aller Art dies so handhaben würden. Dann könnten wir nämlich mit der Glaubensfreiheit viel entspannter umgehen. Selbstkritik und Reflexion des eigenen Verhaltens - am besten mit Ockhams Rasiermesser bewaffnet - würde nämlich die Selbstgefälligkeit gerade gläubiger Menschen ein gutes Stück reduzieren.
Gerade die, die oft von Demut sprechen, zeigen diese nämlich nur sehr dosiert, wenn es um Demut vor der Wirklichkeit geht.
"Theismus an sich macht gar nichts. Erst die Nächstenliebe kann die Welt zum Besseren bewegen."
Dies ist so ein typischer Satz. Sie stellen - sprachlich nicht ungeschickt - eine Verbindung zwischen Theismus und Nächstenliebe her. Doch wie kommen Sie dazu? Wissen Sie nicht, dass Nächstenliebe angeboren ist und bereits bei höheren Säugetieren vorkommt? Auch Altruismus und Sozialleben finden wir im Tierreich (von dem wir ein Teil sind), weil er (und hier kommt die Maus) einen EVOLUTIONÄREN VORTEIL darstellt.
Als der von Ihnen sicher sehr geschätzte Herr Jesus (angeblich) die Nächstenliebe predigte, war diese in der Natur ein viele Millionen Jahre alter Hut. Jetzt kann man sagen: "Was Darwin herausfand, nämlich die Evolution, ist ein noch viel älterer Hut." Richtig! Aber niemand käme auf die Idee, dass man Darwin verehren muss, DAMIT die Evolution funktioniert.
Religion begeht also den Kardinalfehler, dass sie teilweise erfundenes, teilweise pseudohistorisches Personal einführt, um völlige Banalitäten der Natur auf "göttliches" Wirken zurückzuführen - was im Umkehrschluss das Verschwinden dieser Banalitäten bei Verweigerung der Verehrung des "heiligen" Personals zur Folge hätte. So, wie Naturkatastrophen oder Krankheiten die Folge unzureichender Gläubigkeit seien.
Glauben als Privatsache ist wirklich okay und kann das Leben des einzelnen bereichern. Es geht bei meiner Kritik um die Weiterungen, die sich daraus ergeben. Es geht um diesen größenwahnsinnigen Anspruch von Religion, ihre Riten und Dogmen stünden in irgendeiner Relation zur Realität und hätten in dieser eine Wichtigkeit. Glauben Sie mir: Die Realität schert sich seit 13,8 Mrd. Jahren einen feuchten Dreck um Riten und Dogmen der Religion. Dies alles, was für Ihre Lebensgestaltung extrem wichtig erscheint, ist erst in einer Zeitspanne entwickelt worden, die einen verschwindend kleinen Bruchteil der Existenz des Universums umfasst. Und in einem noch viel kleineren Bruchteil dieser Zeit werden diese Riten und Dogmen wieder verschwunden sein.
Ihr Theismus hat also kosmisch gesehen nicht die geringste Relevanz. Trotzdem werde ich immer Ihr Recht verteidigen, diese Riten - solange Sie Dritte (auch Kinder) dort nicht mit hineinziehen - ausüben zu dürfen. Wir leben in einer recht freien Gesellschaft, in der Gedankenfreiheit herrschen sollte, auch wenn Gläubige dies oft genug bekämpft haben.
Wie gesagt: Ich täte mich generell mit Religionen leichter, wenn sie den Unsinn ihrer angeblichen Bedeutung für alle Menschen aufgeben könnten. Es mag auch nicht jeder Karneval, Fußball oder Briefmarkensammeln. Doch für die jeweiligen Anhänger können diese Hobbys extrem wichtig und lebensbestimmend sein. Ich will damit Ihre spezielle Religion oder Ihren Theismus nicht beleidigen, sondern nur von dem hohen Podest stoßen, auf das sie Kleriker selbst gestellt haben.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Ich habe den Satz "Theismus an sich macht gar nichts. Erst die Nächstenliebe kann die Welt zum Besseren bewegen." bewusst parallel zu Ihren Sätzen formuliert "Atheismus an sich macht gar nichts.
Jesu Kernlehre von der Nächstenliebe (Liebe deinen Nächsten wie dich selbst; Feindesliebe) hatte ein paar Jahrhunderte zuvor schon Lao Tse verkündet, meines Wissens ohne Theismus.
Was das Christentum speziell ausmacht, ist also nicht die Nächstenliebe, die kennen andere auch. Es ist die Menschwerdung des Gottessohnes samt Opfertod und Auferstehung zur Vergebung der Sünden für alle Menschen.
Ich halte zu Ihrem Ärgernis diese Ereignisse tatsächlich nicht nur für historisch real, sondern auch für entscheidend bedeutend für alle Menschen. Ich halte - für Sie wahrscheinlich noch ärgerlicher - die Vergegenwärtigung dieser Ereignisse in der Eucharistiefeier ebenfalls für Ereignisse von kosmischer Bedeutung.
Das heißt aber nicht, dass ein Christ oder gar ein Priester irgendwie besser wäre als ein anderes Wesen. Wenn ich selbst unkonzentriert die Messe zelebriere, dann hat Gott wahrscheinlich mehr Gefallen an einem Atheisten, der gerade für seine Familie sorgt, oder auch an einem Regenwurm, der die Erde umgräbt, als an mir. Die Erhabenheit meiner Handlung macht mich selbst nämlich nicht besser. Ein Regenwurm tut auch etwas Nützliches und heuchelt dabei nicht.
Dass meine Ansichten (als Ansichten) hochmütig sind, ist unbestreitbar - solange man sie für falsch hält. Sobald man sie für wahr hält, müssen sie so exklusiv sein, wie sie sind.
Das heißt aber nicht, dass Gläubige (als Menschen) zwangsläufig hochmütig sein müssen. Gerade Christen sollten sich vor pharisäischer Selbstgefälligkeit hüten.
Zudem ist Selbstgefälligkeit keineswegs ein exklusives Phänomen der Theisten. Ein paar Blicke in atheistische Foren zeigen jedem Leser, dass viele Atheisten höhnisch oder verächtlich auf gläubige Menschen herabschauen und sich für intelligenter oder evolutiv fortschrittlicher halten als Gläubige. (Auch hier fällt es nicht jedem leicht zu unterscheiden: Ist der Atheismus ein evolutiver Fortschritt - eine wissenschaftlich diskutable These - oder ist der Atheist ein evolutiv fortschrittliches Wesen - meiner Ansicht nach eine völlig indiskutable Abwertung Andersdenkender).
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Nach meiner Auffassung von Humanismus setzt er Atheismus nicht zwingend voraus, genau so, wie Nächstenliebe den Theismus nicht zwingend voraussetzt."
Dann sind wir uns ja einig.
"Was das Christentum speziell ausmacht, ist [...] die Menschwerdung des Gottessohnes samt Opfertod und Auferstehung zur Vergebung der Sünden für alle Menschen.
Ich halte zu Ihrem Ärgernis diese Ereignisse tatsächlich nicht nur für historisch real, sondern auch für entscheidend bedeutend für alle Menschen."
Warum sollte das für mich ärgerlich sein (außer der übliche mitschwingende Größenwahn "bedeutend für alle Menschen")? Sie sollten sich indes über sich selbst ärgern, weil Sie so einen Unsinn glauben.
"Ich halte - für Sie wahrscheinlich noch ärgerlicher - die Vergegenwärtigung dieser Ereignisse in der Eucharistiefeier ebenfalls für Ereignisse von kosmischer Bedeutung."
Das allerdings ist ärgerlich, weil ich größenwahnsinnige Menschen an sich nicht gut leiden kann. Ihr Jesus hätte uns eher von der Borniertheit als von angeblichen und religiös erfundenen/konstruierten Sünden befreien sollen.
Absehen davon, dass ich den Verzehr von (umgewandeltem) Menschenfleisch und -blut für reichlich gewöhnungsbedürftig halte. Ich bin nämlich aus Überzeugung kein Kannibale.
"Das heißt aber nicht, dass ein Christ oder gar ein Priester irgendwie besser wäre als ein anderes Wesen."
Das wäre ja auch noch schöner!
"Die Erhabenheit meiner Handlung macht mich selbst nämlich nicht besser."
Hätten Sie "eingebildete Erhabenheit" hinzugesetzt, könnte ich auch diesen Satz unterscheiben.
"Dass meine Ansichten (als Ansichten) hochmütig sind, ist unbestreitbar - solange man sie für falsch hält. Sobald man sie für wahr hält, müssen sie so exklusiv sein, wie sie sind."
Richtig! Weshalb die Frage nach der Authentizität "heiliger" Schriften und "Gott" von immenser Bedeutung ist. Nicht so sehr für mich, sondern für Sie. Vielleicht sollten sich Theologen mal in Zukunft näher mit der Basis ihres Glaubens befassen und nicht so sehr mit wohlgefälligem Verdrehen abscheulicher Drohbotschaften aus Bibel und Co.
"Zudem ist Selbstgefälligkeit keineswegs ein exklusives Phänomen der Theisten. Ein paar Blicke in atheistische Foren zeigen jedem Leser, dass viele Atheisten höhnisch oder verächtlich auf gläubige Menschen herabschauen und sich für intelligenter oder evolutiv fortschrittlicher halten als Gläubige."
Sie wollen das nicht Verstehen. Sie haben sich weiter oben selbst geoutet als jemand, der ernsthaft erwartet für die ÜBERZEUGUNG respektiert zu werden, dass eine halbverweste Leiche nach drei Tagen auf(er)steht und dann zur Fuß in den Himmel fliegt, der unserer heutigen Erkenntnis nach nicht Gottes Reich, sondern tödliches Vakuum enthält. Sie sagen ja selbst, dass Sie dies nicht metaphorisch verstehen, sondern HISTORISCH. Genauso, wie die Jungfrauengeburt vermutlich und all der andere magische Hokuspokus, den die frühen Christen ihren ungebildeten Schafen einzureden versuchten.
Bei allem Verständnis für schräge Vorstellungen, aber dafür können Sie von keinem Atheisten Respekt erwarten. Das ist so jenseits aller Logik und Nachvollziehbarkeit - von den "moralischen" Implikationen ganz abgesehen - dass hier auf Seite der Vernunft schon ein gewisser evolutionärer Vorteil zu verorten ist. Die Neurowissenschaft kennt inzwischen sogar den Ort in Ihrem Gehirn (der hintere mediale Frontalkortex), in dem nicht nur die Gläubigkeit, sondern auch der Rassismus sitzt.
Dies müssen wir als Gesellschaft überwinden, weil die Gründe, die zur Entwicklung dieser Eigenschaften führten, inzwischen obsolet sind und einer friedlichen und gerechten Globalisierung im Wege stehen. Die Nachrichten berichten jeden Tag darüber. Ich jedenfalls lasse mich von den Vertretern der Religion - egal welcher - nie mehr belügen. Mit sich selbst können Sie das gerne tun, aber erwarten Sie keinen Respekt dafür.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Ich habe hochintelligente, intellektuell redliche und persönlich hochanständige Menschen kennengelernt, die
) an UFOs glauben
) an Horoskope glauben
) Polytheisten (konkret: Neuheiden) sind
) dem Wicca-Kult anhängen
) die Bibel als naturwissenschaftliches Lehrbuch wörtlich auslegen
Ich kann nichts davon etwas abgewinnen. Speziell bei Astrologie kann ich überhaupt nicht verstehen, wie ein intelligenter Mensch so etwas glauben kann. Ich halte Horoskope für blanken Unsinn und den Glauben daran u.U. für gefährlich.
Aber die Erfahrung beweist mir, dass der Glaube an Astrologie und Intelligenz samt Anstand einander nicht ausschließen. Auch wenn ich das nicht begreife, so muss ich es doch zur Kenntnis nehmen.
Es ist wie bei einem Experiment, dessen Resultate nicht den Erwartungen entsprechen. Man prüft zuerst die Anordnung des Experiments und wiederholt es. Wenn die Ergebnisse gleich bleiben, dann sind sie zur Kenntnis zu nehmen, und man stellt fest, dass die Erwartungen falsch waren.
Mein Ergebnis ist: Es existieren intelligente Astrologie-Gläubige. Ich nehme es verständnislos zur Kenntnis. Mir bleibt nichts anderes üblich, wenn ich nicht die Realität leugnen will.
Vielleicht gelingt Ihnen das ja auch einmal bei Theisten (und sogar bei Christen).
Zu "Himmelfahrt": Das Englische unterscheidet subtil zwischen "sky" und "heaven". Das hilft.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Mein Ergebnis ist: Es existieren intelligente Astrologie-Gläubige. Ich nehme es verständnislos zur Kenntnis. Mir bleibt nichts anderes üblich, wenn ich nicht die Realität leugnen will."
Ihre Logik vorausgesetzt, existiert ALLES. Denn Sie werden für jede vernünftige und für jede unvernünftige Annahme irgendwo auch intelligente Vertreter finden. Denn grundsätzlich halte ich jeden Menschen für intelligent. Es macht nur jeder unterschiedlich intensiv Gebrauch davon.
Das Vorhandensein von Gläubigen, egal welcher Richtung, beweist also genau gar nichts. UFOs existieren nicht abhängig vom Grad der Intelligenz ihrer Gläubigen. Dies ist durch ein einfaches Experiment zu verifizieren: Wenn Sie Recht hätten, dann wäre z.B. das Objekt, das Hesekiel beobachtete und in seinem Buch beschreibt, gleichzeitig ein Raumschiff von einem fremden Planeten und eine Metapher für "Gottes" Himmelsthron. Das eine glauben "Däniken-Gläubige", das andere "Theismus-Gläubige". Und doch schließen sich die beiden Versionen einander aus. Unabhängig davon, wie intelligent die jeweiligen Gläubigen sind.
Wissen ist nicht über die Anzahl der Gläubigen nachzuweisen. Als noch niemand in Europa von Amerika wusste, existierte es trotzdem. Umgekehrt mag es Milliarden von Monotheismus-Gläubigen weltweit geben - deswegen existiert noch lange nicht zwangsläufig der diesem Glauben zugrundeliegende "Gott".
Daher interessiert es wissenschaftlich gesehen überhaupt nicht, wie der Kenntnis- oder Überzeugungsstand bzgl. bestimmter Aussagen ist. Die Sterne waren auch zur Zeit von Giordano Bruno ferne Sonnen, die von Planeten umkreist werden, auch wenn alle Christen davon überzeugt waren, dass es kleine Lichter waren, wie an einer Kuppel oberhalb der Erde befestigt ("Fixsterne") waren. Bruno wurde also u.a. deswegen von Christen qualvoll verbrannt, weil er gegen die überzeugte Mehrheit der Christen argumentierte - und doch hatte er, wie wir heute wissen, Recht.
Sie sehen - wenn Sie es an sich heranlassen -, dass Glauben keine Berge versetzen kann und auch nicht unbedingt Recht hat. Im Gegenteil. In allen naturwissenschaftlichen Fragen hat Glaube katastrophal versagt. "Gott", der das alles angeblich mitgeteilt hat, hat also offenbar von seiner eigenen Schöpfung nicht die geringste Ahnung.
"Zu "Himmelfahrt": Das Englische unterscheidet subtil zwischen "sky" und "heaven". Das hilft."
Wobei bitte sollte das helfen? Kennen Sie nicht das biblische Weltbild? Ich hatte neulich Besuch von zwei Zeugen Jehovas, diesen wackeren Bibelforschern. Denen musste ich die Bibel vorlesen, damit sie begreifen, dass in der Bibel das Bild der flachen Erde mit dem Himmelgewölbe darüber beschrieben steht. Sie waren wirklich der Meinung, in der Bibel stünde eine korrekte Beschreibung bzgl. der astronomischen Verhältnisse.
Ich bin es wirklich langsam leid, sogenannten gläubigen Menschen die Bibel erklären zu müssen. Dort wird in keiner Weise zwischen dem atmosphärischen Himmel und dem "himmlischen" Himmel unterschieden, auch wenn das Englische diese Unterscheidung vornimmt. Es geht in der Sache um den Himmel (die Atmosphäre) unterhalb der festen Himmelskuppel ("Firmament") und um die "göttliche" Sphäre oberhalb der Kuppel, auf der im Zenit der Thron "Gottes" stehen soll. Bestenfalls - mit viel Wohlwollen - könnte man hierin die Beschreibung des Weltalls sehen, weshalb die Russen, als sie in diesen Bereich raketentechnisch vorstießen, verkündeten, sie hätten dort oben "Gott" nicht gefunden.
Selbstverständlich ist Jesus nach biblischer Überzeugung nach oben in den Himmel geschwebt und wäre dort auf "Gottes" Thron gestoßen, um an der Seite seines Vaters über die Welt zu herrschen.
Dass Sie und andere Theologen heute eine Metapher (?) darin sehen, hängt damit zusammen, dass man sich einfach nur noch lächerlicher machen würde, falls man noch immer annähme, dort oben gäbe es wahrhaftig einen Thron "Gottes". Das wäre nämlich dann das UFO von Hesekiel, der uns eine lebendige Beschreibung dieses fahrbaren und flugfähigen Thrones liefert.
Dass der Thron optisch wiederum von babylonischen Götterprozessionswagen abstammt, will natürlich auch keiner der Monotheisten wahrhaben, weil gerade diese prunkvoll ausgestatteten Wagen der Inbegriff des Götzendienstes im Polytheismus waren.
Aber so kommt es halt, wenn eine erfundene Ideologie letztlich nur ein volksetymologischer Mix unterschiedlicher Konzepte und Erscheinungsformen ist. Wahrheit sieht anders aus.
Aber trotzdem: Glauben Sie wohl! (Mit der kleinen, angehängten Hoffnung, dass Ihnen eines Tages eine echte Erleuchtung kommen möge...)
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Wie Sie mich richtig zitiert haben: "Es existieren intelligente Astrologie-Gläubige." Das heißt nicht, dass in der Astrologie auch nur ein Funken Wahrheit steckt.
Deshalb kann ich Ihren ersten Abschnitten Recht geben, zumal Sie selbst schreiben, dass Sie jeden Menschen für intelligent halten. Ich bin es leid, dass viele Atheisten dazu neigen, Gläubige (egal welcher Art) für dumme kleine Hascherln zu halten, die ihr Hirn nicht verwenden. (Das Schlupfloch "nicht verwenden" lassen Sie ja selbst offen)
Dass ich behauptet hätte, Astrologie, UFOs etc. wären irgendwie wahr, ist ein Missverständnis, das ich klar zurückweise. Das habe ich nicht behauptet.
Zu "Himmel": Die Autoren der älteren Teile der Bibel waren offenbar Anhänger der Sphärentheorie. Das spielt aber für mich keine Rolle, da es sich bei den Texten meist um Mythen, Hymnen u.ä. handelt. Deshalb kann ich auch Hiob ("Er hat die Erde aufgehängt an nichts") nicht an Anspruch nehmen, weil es sich ebensowenig um einen naturwissenschaftlichen Bericht handelt (wo die Kosmologie halt stimmt, weil der Text jünger ist). Vergleich: Im "Kleinen Prinzen" steht auch haarsträubender astronomischer Unsinn. Das wertet den Text nicht ab, es ist trotzdem ein weises Buch.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Ich bin es leid, dass viele Atheisten dazu neigen, Gläubige (egal welcher Art) für dumme kleine Hascherln zu halten, die ihr Hirn nicht verwenden.
Ich habe den unterschiedlich intensiven Gebrauch der Intelligenz nicht auf spezifische Gruppen reduziert. Es gibt in allen "Lagern" solche und solche. Nur verwenden viele Gläubige ihre Intelligenz oft dazu, die absurdesten Konstruktionen "heiliger" Schriften so umzuverbiegen, bis sie in ihr eigenes und halbwegs in das reale Weltbild passen. Man kann mit Intelligenz auch sorgsamer umgehen.
Falls sie das jetzt als größenwahnsinnig abtun, nach dem Motto: "Was bildet der sich ein, definieren zu können, wie man Intelligenz zu nutzen hat?", dann erwidere ich ganz entspannt: "Welche Denkart hat mehr Ergebnisse mit praktischem Nutzen produziert?"
Haben Menschen AUFGRUND ihres Glaubens irgend einen Fortschritt für die Menschheit gebracht? Das Gegenteil ist sogar der Fall: Das christliche Mittelalter (er tut mir ja leid, dass diese Zeit existiert hat) hat systematisch versucht, die geistigen Errungenschaften der Antike zu vernichten. Nur der arabischen Kultur als Zwischenübersetzer und Hüter dieses Wissens haben wir die Kenntnis vom antiken Gedankengut zu verdanken.
Fortschritt und Erkenntnisgewinn haben bis heute Religionen zu verhindern versucht, weil neue Erkenntnisse deren "absolute Wahrheiten" (ein wesentliches Kernelement für den Reason-Why bei Religionen) beschädigen könnten - und letztlich auch beschädigt haben.
Doch anstatt diese Erkenntnisse der Empirie zu begrüßen, werden heute noch - auch von Ihnen - alte Texte eines lächerlichen bronzezeitlichen Gesellschaftsmodells verdreht und verschwurbelt, bis es halbwegs "philosophisch" und nicht mehr völlig lächerlich klingt.
"Die Autoren der älteren Teile der Bibel waren offenbar Anhänger der Sphärentheorie. Das spielt aber für mich keine Rolle, da es sich bei den Texten meist um Mythen, Hymnen u.ä. handelt."
Diese Aussage von Ihnen ist so ein klassisches Beispiel. FÜR SIE spielt das keine Rolle, doch für die Autoren und mehr noch für deren Zuhörer spielte die eine ganz wesentliche Rolle. Sie argumentieren mit einer unzulässigen Gewichtung der Textstellen nach Ihrem persönlichen Nutzen, wie Sie ja selbst schreiben.
Und dann folgt der Verweis auf Hiob, den auch die mich besucht habenden Zeugen Jehovas neulich einwarfen. Das ist der Bibeltext dazu im Kontext:
"Er spannt den Norden aus über der Leere, hängt die Erde auf über dem Nichts. Er bindet die Wasser in seine Wolken, und das Gewölk zerreißt nicht unter ihnen. Er verhüllt den Anblick seines Thrones, indem er sein Gewölk darüber ausbreitet. Er rundete eine Schranke ab über der Fläche der Wasser bis zum äußersten Ende, wo Licht und Finsternis zusammentreffen. Die Säulen des Himmels wanken und entsetzen sich vor seinem Schelten." (Hiob 26,7-11 aus: Elberfelder)
Hier wird absolut präzise das babylonische Weltbild der flachen Erde mit Himmelskuppel wiedergegeben. Die "Aufhängung der Erde über dem Nichts" ist ein hilfloser Versuch, sich vorzustellen, wie der Urzustand (Nichts = ohne Erde) in den "heutigen" Zustand (Universum = Erde im Nichts) verwandelt wurde. Die Himmelskuppel (die "gerundete Schranke", bei der die Muslime davon ausgehen, sie trenne sogar das Süß- vom Salzwasser auch in den Meeren) wird über die Erde gespannt (um "die Wasser" zu trennen und oben zu halten) und der Thron im Zenit aufgebaut. Sogar die "Säulen des Himmels" finden Erwähnung, bei den Muslimen sind das die "Wurzeln der Berge", auf dem die ganz Chose aufgebaut ist.
Wer in dieser 1:1-Beschreibung der "Genesis-Erde" einen modernen kosmologischen Ansatz sieht, der kann nicht richtig lesen oder verstehen. Das meinte ich mit unterschiedlich intensivem Gebrauch der Intelligenz.
Auch Sie, lieber Herr Schönecker, können es nicht lassen, sich den Unsinn der Bibel schön zu reden, auch wenn Sie ihn relativieren wollen. Da wird gebogen und geschraubt, bis es in der Druckerschwärze quietscht, anstatt den eleganten Weg zu gehen - gemäß Ockhams Rasiermesser (Sparsamkeitsprinzip) - und den Unsinn einfach zu ignorieren oder abzuschneiden, um letztlich zu erkennen, dass sich unsere Vorfahren wohl geirrt haben müssen, als sie die biblischen Texte verfassten.
"Vergleich: Im "Kleinen Prinzen" steht auch haarsträubender astronomischer Unsinn. Das wertet den Text nicht ab, es ist trotzdem ein weises Buch."
Ja, diesen Vergleich akzeptiere ich. Niemand - NIEMAND - verehrt den kleinen Prinzen als reale Gottheit, die im Himmel wohnt und über unser Schicksal wacht. Jeder Leser weiß, dass es sich um eine schöne und weise Geschichte handelt - und sonst gar nichts.
Kritisch werden Bibel und Co. nur, wenn man anfängt, das Geschilderte für bare Münze zu nehmen - und sei es nur, um ein altes Götterbild aus dem vorderen Orient für wahr zu halten.
Little Louis am Permanenter Link
Aber bei den kriegsrelevanten Unterschieden zwischen Sunniten , Schiiten und allen anderen - iten geht es doch NUR um Machtpolitik und Tribalismus. Doch nicht um die wahre und reine Religion.
Also ist die ganze die ganze Wut umsonst. Hm, was jetzt?
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Genau so ist es!
Wir sollten auch langsam anfangen, mehr Scheiße zu essen. Millionen Fliegen können sich doch nicht irren... :-)
Im Ernst: Ich warte auf den Tag, an dem mir jemand (egal wer) erklärt, was eine reine (also "unweltliche") Religion denn sei. Ich will hier gar nicht spekulieren, aber irgendetwas muss es doch abseits von Machtstreben und Gemeindekontrolle geben, was man als reine Religion bezeichnen könnte. IRGENDETWAS!!!
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Zu "unweltliche Religion" verweise ich auf die Wüstenväter. Manche haben das Eremitentum wirklich sehr konsequent gelebt - von denen ist naturgemäß auch wenig bis nichts bekannt.
Falls Sie aber nicht von machtstrebenden religiösen Führern, sondern tatsächlich von machtstrebender Religion an sich reden: Ja, jede Religion versucht, den ganzen Menschen zu ändern. Es wäre undenkbar, dass der Geist des Menschen (die Seele, die Psyche, wie auch immer) sich ändert, aber das Verhalten gleich bleibt.
Und ganz offensichtlich hat der Mensch das Bedürfnis, Erkenntnisse anderen mitzuteilen (das erscheint mir auch evolutionär zweckmäßig). Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um religiöse, wissenschaftliche oder soziale Erkenntnisse handelt und ob die Erkenntnisse wahr oder falsch sind. Wer etwas entdeckt, will es anderen (vielleicht nicht allen, aber manchen) mitteilen. Der Mensch will Wissen teilen (Oder: der Mensch neigt zum Tratschen). Das gilt auch für religiöse Erkenntnisse. Ob das Ergebnis dann lautet "Ich erzähle dir von meinem Glauben und du mir von deinem" oder "Hör zu und glaube, was ich dir sage, sonst setzt es was", das ist dann eher eine Frage des Charakters oder - wohl deutlich mehr - der Hintergrundkultur. In liberalen Kulturen (und deren gab es leider erst wenige in der Menschheitsgeschichte) funktioniert auch der interreligiöse Dialog meistens recht gut.
Gerhard Streminger am Permanenter Link
Mir ist die Aufregung nicht ganz zugänglich. Wenn Gott, wie alle drei monotheistischen Religionen behaupten, die Welt a u s d e m N i c h t s geschaffen hat, dann ist letztlich auch ER dafür verantwortlich.
Es gibt ja auch die guten Engel, die i n F r e i h e i t stets das Gute tun. Eine Welt, in der es nur solche Wesen gäbe, wäre gewiss besser als diese. Da Gott sie so, wie sie nun einmal ist, geschaffen hat, ist ER kein gütiges Wesen, sondern ein Dämon, falls ER existierte.
Ronald Flug am Permanenter Link
Wir müssen uns endlich im 21. Jahrhundert von Religionen trennen: nicht Religionsfreiheit, sondern frei von Religionen. Wir können nicht mit etwas leben, was den einen einschließt!
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Ich kenne das Auge im Dreieck (oder in der Pyramide) als Symbol des dreifaltigen Gottes, der Freimaurer, der Illuminaten, bei den Ägyptern des Altertums und im Siegel der USA. Im Islam kenne ich es nicht.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Im Islam kenne ich es nicht."
Das ist doch völlig logisch. Im Islam darf man die exoreale Entität wegen des Bilderverbots nicht darstellen. Aber natürlich fliegt auch Allah mit Napoleon-Hut durch den Weltraum.
Dieter Bauer am Permanenter Link
Welche Religion ist keine Scheindarstellung nicht existenten Seins? Diese Erkenntnis mag für einen Großteil religiös indoktrinierter Mitmenschen ungeheuerlich erscheinen, ändert aber Tatsachen nicht.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Treffende letzte Sätze, Florian!
Noncredist am Permanenter Link
>> Was passiert, wenn man Gott aus dem Spiel lässt, ist leider auch schon getestet worden, mit monströsen Folgen. Die Totalitarismen, die das 20.
Das Bestreben nach Macht und Kontrolle haben antireligiöse und atheistische Bewegungen mit denen der religiösen gemein. Wer gerne über Menschen herrschen möchte, ihnen das Leben bis in das kleinste Detail regeln und steuern möchte, der geht auch gerne "über Leichen". Das haben Menschen aller Coleur zeigen können. Egal ob sie gottlos vorgingen oder ob sie ein supernaturalistisches und allmächtiges Moralwesen zur Hilfe nahmen, welches niemals falsch lagen konnten und "zufälligerweise" exakt der selben Meinung war wie der Ausüber der Macht.
Mit hilfe der Religion ist die Kontrolle und Machtausübung um ein vielfaches leichter. Von der Lenkung der Zeugung, bis hin zum Tode - mitsamt der dazugehörigen Zeremonien. In vielen Fällen auch gleich noch einen "moralischen Grund", wann und wie man das Leben von "unpassenden" Mitmenschen beenden soll. Da es ein perfektes Moralwesen vorsagt, von Sprachrohr-Priestern bestätigt, muss es ja stimmen und wäre eine klare Beleidigung gegen den klar offenbarten Willen Gottes, würde man sich nicht an diese himmlischen Regeln halten.
Bei Menschen besteht zumindest noch die Möglichikeit der Überzeugung. Aber wie will man einen Gott davon überzeugen, dass die vorherige Entscheidung ... nunja ... *nicht* perfekt war?
Die Täter hatten ein Menschen- und Gottesbild gelernt bekommen. Ein z.Bsp. jüdisch-hebräischer Gott hatte alle Zeit und Macht der Welt, dieses - für uns eindeutig antisoziales und damit falsches - Menschenbild korrigieren zu können. Ob es durch das Eingreifen eines Heiligen Geistes, eines Engels, Marienerscheinung, Blahblah einer Fatima, ein Mohammed-Gespräch oder unzählige weitere Möglichkeiten geschieht, dürfte für ein allmächtiges Wesen wohl das kleinste Problem gewesen sein. Solch ein Gott hat anscheinend kläglich versagt. Irgendwelche Plapperprediger haben mit ihren simplen fundamentalistischen Gedanken diese Menschen manipuliert und sie zu Tötungswerkzeuge gemacht. Sie haben MEHR Macht über diesen Menschen bewiesen, als alle Götter des Universums zusammen. Zumindest wenn man die Existenz von Göttern annehmen würde. Nimmt man die Götter aus der Gleichung raus, so haben Menschen die Fähigkeit zur todbringenden Manipulation klar bewiesen. Der Glaube an ein Leben nach dem Tode - mit vielen Jungfrauen - und dem dazugehörigen "moralisch richtigen" Ableben, inklusive der Tötung der "moralisch unrichtigen" Gotteslästerer, half hier hervorragend. Die Ursachen sind im Schwarz/Weiss-Bild zu finden, die solche Religionen in ihren Büchern beschreiben. Die In-Group der Richtigreligiösen hat die "gottgegebene" Macht über das Ableben der Out-Group, der falschreligiösen oder gar nichtreligiösen Unmenschen in der Gesellschaft. Das ist seit Jahrtausenden nachlesbar. Und der korrigierende Gott, der anscheinend das Benutzen eines Maschienengewehres nicht verhindern konnte oder wollte (Theodizee lässt grüßen) läuft draussen weiterhin noch frei herum ;)
@Norbert Schönecker
>> Der laizistischste Staat der Welt ist derzeit wahrscheinlich Frankreich. Auch das hat offenbar bislang nicht zum völligen Frieden unter den Bürgern geführt. <<
Wo Menschen unterschiedlicher Meinung zusammenkommen, wird man wohl kaum "völligen Frieden" vorfinden. Reibungen sind gar unter Geschwister nichts ungewöhnliches. Weshalb das Nichtglauben an Geistern und Göttern zu einem "völligen Frieden" führen sollte, bleibt mir ein Rätsel und dürfte wohl hier als klaren Strohmann gelten.
>> (..) Auge im Dreieck (..) Will Charlie Hebdo damit etwas ausdrücken? <<
Eine Frage, die der Chefredakteur oder der Karikaturist wohl sehr gut beantworten könnte. Aber weshalb befragt man nicht die Redaktion von Charlie Hebdo dazu? Welche Reaktion wollte man beim Leser des Kommentares mit dieser leicht an einer Verschwörungstheorie erinnernden Text provozieren? ;) Nichts für ungut :)
Norbert Schönecker am Permanenter Link
@noncredist: Genau genommen hat der Laizismus in Frankreich, wie mir scheint, nicht nur keinen völligen Frieden geschaffen, sondern nichts zum Frieden beigetragen.
Zum Auge im Dreieck: Zunächst war es wirklich eine Frage, und meine Französischkenntnisse sind leider recht armselig. Ich persönlich habe den Verdacht, dass der Karikaturist in diesem Detail wenig nachgedacht hat. Und vielleicht war ich auch gekränkt, dass der christliche Gott für ein ausdrücklich islamistisches Verbrechen seinen Kopf (hier sehr plastisch) hinhalten muss. Verschwörungstheoretiker bin ich keiner, nein.
Little Louis am Permanenter Link
ZU:
"..elche Reaktion wollte man beim Leser des Kommentares mit dieser leicht an einer Verschwörungstheorie erinnernden Text provozieren? ;) Nichts für ungut :)
Werner Koch am Permanenter Link
Der Laizismus in Frankreich ist nicht das Problem – wie es Kommentatoren unterstellen.
Frankreich hat ein Problem mit Parallelgesellschaften und durch mangelhafte Integration; es befindet sich in einer wirtschaftlichen Krise, was die benachteiligten Jugendlichen in den Vorstädten besonders stark trifft. In Frankreich sind die betroffenen Jugendlichen französische Staatsbürger, aber sie fühlen sich wohl ähnlich diskriminiert wie die Afroamerikaner sich heute noch in den USA diskriminiert fühlen.
In Deutschland erklären kirchennahe Politiker gerne, dass der Laizismus in Frankreich eine Ursache ist und wollen damit gegen eine weitere Säkularisierung in Deutschland argumentieren oder die Säkualrisierung sogar zurückdrehen. Auch die Kirchen nutzen das Argument gerne um die Religiosität zu stärken und einer weiteren Säkularisierung vorzubeugen.
Das ist ein billiges und demagogisches Argument. Nicht der Laiszismus ist in Frankreich die Erklärung, warum gerade Frankreich in diesem Jahr schon 2x schrecklichen Terror erlebt hat.
Die bessere Erklärung, warum Frankreich ein Problem hat, findet man in dem Bericht „Unangebrachte Rhetorik” http://taz.de/Debatte-Terrorbekaempfung-in-Frankreich/!5253600/ - der Beitrag ist leider nicht mehr verfügbar. Ich habe eine Kopie gespeichert.
Mit dem für 3 Monate beschlossenen Ausnahmezustand geht Frankreich gegen marginalisierte Jugendliche in den Banlieues vor. Bis jetzt 3000 Hausdurchsuchungen.
"Die „zweite Generation“ der islamischen Emigration in Frankreich, die sich marginalisiert und diskriminiert fühlt (und es objektiv ja auch ist), die mit ihrem Elternhaus auf Kriegsfuß stehen und die sich zugleich aus Verblendung und Frustration in eine „nihilistische Revolte” gegen die moderne Konsumgesellschaft und die Wertordnung des mit dem Kolonialismus identifizierten Westens hineingesteigert haben.
Gerade deshalb aber ist es so schwierig, gegen diesen „Feind im Inneren” anzukommen; denn um das Übel dieses Terrorismus an der Wurzel zu packen und auszumerzen, hätten sich die französischen Regierungen (und das gilt gleichermaßen für Chirac, Sarkozy und Hollande) schon vor Langem etwas mehr um die prekäre und zugleich dramatische Situation dieser Out-cast-Jugendlichen in den Banlieues, den großen öden Vorstädten von Paris, kümmern müssen, die zum Zentrum der alltäglichen Gewalt, und des Drogenhandels geworden sind, in denen die Arbeitslosigkeit auf eine Rekordhöhe geklettert ist und die in den vergangenen zehn Jahren nachgerade zum „idealen Nährboden” für die Entstehung dieser neuen islamistischen Radikalität geworden sind, die jetzt so brutal, so unberechenbar und so grausam in geradezu blinder Mordwut zugeschlagen hat."
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"Das gesellschaftliche Phänomen, um das es hier geht, ist jedoch nicht etwa eine „Radikalisierung des Islam”, sondern vielmehr die „Islamisierung der Radikalität”, wie Olivier Roy es bezeichnet."
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
„Islamisierung der Radikalität”
Das ist ein wichtiger Punkt!
Monotheistische Religionen und ihre Häresien oder Schismen sind stets in Phasen wachsender und auch begründbarer Radikalität entstanden.
Das Judentum (am Anfang dieser Entwicklung) konsolidierte sich in Babylon, als die Hebräer in bedrängter Lage waren, wenn auch wirtschaftlich nicht so desolat, wie die französischen Jugendlichen in den Vororten. Aber die Freiheit fehlte, es drohte die Assimilation in die neubabylonische Mehrheitsgesellschaft. Da wurde als Ventil das identitätsstiftende, aber dualistische Judentum entwickelt.
Das Christentum entstand in einer Zeit, als Römer das Land besetzten und das Volk nach einem Messias, nach einem Befreier aus der Bedrängnis rief.
Der Islam entstand als judenchristliche Häresie, weil das jesusgläubige Christentum den Nahen Osten ideologisch zu überschwemmen drohte. Dazu mussten die arabischen Stämme geeinigt werden, um dagegenhalten zu können. Mohameds Angriffskriege (80 in 8 Jahren) zeigen dies überdeutlich.
Religionen sind also stets in Phasen entstanden, in denen schwache Menschen ein Ventil für ihre durch äußere Umstände entstandene Radikalität suchten. Diese Radikalität zeigte sich erst jüdisch, dann christlich und schließlich islamisch.
Ich vermute, in einer gerechten und von ausgeglichenem Wohlstand gekennzeichneten Gesellschaft gäbe es kaum Gründe für Religion. Und zwar weil kein Grund zur Radikalisierung besteht. Denn diese Gesellschaft könnte aufrichtig monistisch sein und auf das Gift des Dualismus in ihrer Mitte verzichten.