BERLIN. (hpd) Auftakt zur diesjährigen Großdemo “Wir haben es satt!” waren eine dampfende Fuhre Mist und eine Pressekonferenz. Der Titel ist Programm.
Seit 2011 gehen Bauern und Verbraucher gemeinsam auf die Strasse und geben das Versprechen: “Wir kommen wieder”. Und sie halten es ein. Im vergangenen Jahr gingen rund 50.000 Menschen auf die Straße – und der Kreis der Bündnispartner ist in diesem Jahr weiter angewachsen. Gemeinsam will man für ökologische und bäuerliche Landwirtschaft einstehen.
Bei der Pressekonferenz wurde eine aktuelle Forsa-Umfrage unter Bauern vorgestellt. Reinhild Benning, Agrarexpertin von Germanwatch, sagte: “Die Mehrheit der Landwirte stimmen für eine qualitative Kennzeichnung von Fleisch und Milchprodukte, 85 Prozent befürworten die Herkunftsbezeichnung, 75 Prozent wollen die Tierhaltungsform gekennzeichnet wissen und dass erkennbar sein soll, ob Gentechnik im Futtertrog war, sagen 71 Prozent.”
“Wir setzen auf Qualität”, so Johanna Böse-Hartjen, Milchbäuerin aus Niedersachsen. “Die Verbraucher fragen nach und wir Bauern können regionale Lebensmitteln und Produkten ohne Gentechnik garantieren. Von den Genossenschaften wurde der Handel übernommen. Wenn Bauern jetzt für einen Liter Milch 20 Cent weniger erhalten als das, was sie an Kosten haben, können sie ihre Betriebe auf Dauer nicht halten.”
Kannayan Subramniam, indischer Milchbauer und Landwirtevertreter berichtet, warum er die Demonstration in Deutschland unterstützt: Milch ist in Indien ein wichtiges Produkt. Es gibt 70.000 Milchbauern doch “seit 2011 gibt es Importe, die billiger waren als unser eigenen Produkte. Bauern waren gezwungen, ihre Kühe an Schlachthöfe zu verkaufen.” Die Finanzkrise von Indien in den 90-er Jahren eröffnete einen starken Wettbewerb, Preisdruck war die Folge. Milch beispielsweise wurde aus Frankreich aufgekauft und damit existenzbedrohend für Landwirte und Kleinbauern in Indien. Aktuell verhandelt die EU zur Öffnung des Europäischen Marktes nach Indien.
Zurück zum Misthaufen: Der hatte Polizeibewachung und landete auf dem Asphalt der Heinrich-von-Gagern-Straße in Sichtweite des Reichstagsgebäude und des Bundeskanzleramtes. Starker Wind trug die “Landluft” über den weiten Platz bis hin zu Frau Dr. Merkel, die zeitgleich auf dem roten Teppich den algerischen Ministerpräsidenten Abdelmalek Sellal empfing. Abstandhaltend war die Bannmeile um das Bundeskanzleramt mit roter Kordel gezogen.
Die Demo “Wir haben es satt” startet am Samstag, dem 16.01.2016 um 12:00 Uhr auf dem Potsdamer Platz. Das komplette Programm ist auf der Webseite der Veranstalter zu finden.
3 Kommentare
Kommentare
Lutzikas Beltzemann am Permanenter Link
Eine Kennzeichnung von Tierschutzstandards wäre wertvoll, sollte aber auch unabhängig überprüft werden.
Was den Milchpreis betrifft, wird vielleicht einfach zu viel produziert. Der Markt ist bereits steuerlich begünstigt (z.B. 7% MwSt ggü. 19% bei Sojamilch). Dies ist auch für den Tierschutz nachteilhaft.
Konni Scheller am Permanenter Link
Diese verschmähte "Agrarindustrie" hat es überhaupt erst möglich gemacht, dass die Demonstraten gegen sie aufmarschieren können -
denn ohne grundlegende Reformen und Rationalisierungen in der Landwirtschaft wäre die Produktivität nicht so gestiegen. Erst dadurch wurde es möglich, dass viele Menschen überhaupt erst anderer Tätigkeit nachgehen können: lernen, studieren, Ingenieur und Arzt werden und so weiter.
Diese sogenannte Agrarindustrie macht uns satt - und jeder kann es sich leisten.
ich sehe in diesen Demonstrationen ein Zeichen dafür, dass viele Menschen schon die elementaren Kenntnisse über die Zusammenhänge in der Natur verloren haben.
Frank Linnhoff am Permanenter Link
Ich habe großes Verständnis für diese Demonstration; denn tatsächlich privilegiert die europaweite Politik eindeutig Großbetriebe. Dies gilt nicht allein für die Landwirtschaft, sondern in allen Bereichen.