STUTTGART. (gbs-stutt) Durch eine Meldung der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung wurde bekannt, dass eine Autobahnkirche bei der Raststätte "Sindelfinger Wald" geplant wird. Dieses Projekt ist auf eine Initiative des Stuttgarter Regierungspräsidenten Johannes Schmalzl zurückzuführen.
Im Gegensatz zu der Entwicklung bei den christlichen Kirchen, die jedes Jahr Mitglieder verlieren, Pfarrstellen abbauen und Kirchen schließen/entweihen/umnutzen oder abreißen, ist der Ausbau der Autobahnkirchen ein paradoxes Phänomen. In Deutschland werden ständig weitere Autobahnkirchen gebaut oder ausgewiesen. Die erste Autobahnkirche wurde 1958 gebaut – aktuell gibt es 44 Autobahnkirchen. Die Motivation, Autobahnkirchen zu bauen und zu betreiben hat etwas Missionarisches. Nirgendwo gibt es so viele wie in Deutschland.
Für die GBS-Regionalgruppe Stuttgart war dies Anlass, das Phänomen der Autobahnkirchen in Deutschland einmal genauer zu studieren, auch die Finanzierung und die Rolle des Staates und in diesem Fall des Landes Baden-Württemberg zu recherchieren.
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet den Staat – und damit auch das Land Baden-Württemberg, trotz des Hinweises auf die "Verantwortung vor Gott" in der Präambel, zu religiös-weltanschaulicher Neutralität. Es schließt theoretisch die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse aus. Die gesellschaftliche Realität sieht leider immer noch anders aus.
Der Deutsche Staat und die gewählten Abgeordneten privilegieren weiterhin zwei Großkirchen und diskriminieren damit andere Weltanschauungen – und vor allem Bürger mit anderen Weltanschauungen. Wenn das Regierungspräsidium Stuttgart, eine Behörde des Landes Baden-Württemberg, den Bau einer Autobahnkirche federführend betreibt, ist dies ein Verstoß gegen die weltanschauliche Neutralität.
Offensichtlich haben Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes noch nicht gelernt, zwischen privaten religiösen Interessen und öffentlichen Aufgaben und Interessen zu trennen. Gibt es ein öffentliches Interesse für eine Mitwirkung des Landes Baden-Württemberg an dem Bau von Autobahnkirchen? Die Anfrage an das Regierungspräsidium Stuttgart und an das Land wurde bisher noch nicht beantwortet. Würde das Land den Bau von Autobahnmoscheen ebenso fördern?
Sollten öffentliche Gelder von Kommunen, vom Landkreis oder vom Land Baden-Württemberg für christliche Autobahnkirchen eingesetzt werden, wäre das eine verfassungswidrige Subvention für ein christliches Projekt.
Wie Recherchen gezeigt haben, hat das Land Baden-Württemberg bei der 2005 eröffneten Autobahnkapelle Hegau durch eine Spende zum Bau beigetragen. Das sollte sich nicht wiederholen.
In der beigefügten Anlage (siehe unten) wird herausgearbeitet, dass ein Versicherer im Raum der Kirchen den Bestand und Ausbau von Autobahnkirchen zentral unterstützt.
Die Trägervereine einzelner Autobahnkirchen suchen Spender und finden manchmal auch Zugang zu öffentlichen Mitteln. Im Osten Deutschland hat man verfallende ungenutzte autobahnnahe Kirchen durch die Zusatzfunktion "Autobahnkirche" wieder renovieren können.
5 Kommentare
Kommentare
Arno Gebauer, ... am Permanenter Link
Guten Tag,
überall im Lande sind die Gedenkstätten für die historische Hinrichtung
verteilt. Ich verstehe nicht was die Verkehrseinrichtung "Autobahn"
mit solchen Gedenkstätten zu tun hat. Mehr Rastplätze für LKW-Fahrer sind
viel wichtiger.
Es ist wissenschaftlicher Murks, dass nach der historischen Hinrichtung eine
leibliche Auferstehung erfolgte.
Viele Grüße
Arno Gebauer
Berthold Fritz am Permanenter Link
Wenn der Staat gestressten Autofahrern einen Ort für eine besinnliche Stunde bieten will, dann kann er auch Philosophie und Weltanschauungsunterricht in diesen Örtlichkeiten einrichten und ein Klo gleich dazu!
Wolfgang am Permanenter Link
Wetten das mehr auf das WC gehen als in die Kirche? Tolles Ausfahrtsschild, beides deutet auf "Scheiße" hin. Hart aber herzlich!
Werner Koch am Permanenter Link
Beides deutet auf Bedürfnisanstalten hin: öffentliche WCs sind Bedürfnisanstalten. Autobahnkirchen sind "christliche Bedürfnisanstalten" wie es ein Kommentator genannt hat.
Werner Koch am Permanenter Link
Mittlerweile hat Regierungspräsident Johannes Schmalzl geantwortet.
Auszüge aus dem Antwortbrief von Johannes Schmalzl:
„Eine konkrete Aufgabe des Regierungspräsidiums Stuttgart ist im Auftrag des Bundes der Erhalt und Ausbau unserer über 400 Kilometer Autobahnen, wozu nicht nur Tank- und Rastanlagen gehören, sondern auch Autobahnkirchen.“
„Als Regierungspräsident unterstütze ich gerne das Anliegen sehr, an einer der meistbefahrenen Autobahnen in Ost-West-Richtung, die sowohl für den Urlaubsverkehr der Menschen als auch für den Transport von Gütern eine herausragende Rolle spielt, eine "Raststätte für die Seele" zu errichten.“
….“stellen wir das Grundstück zur Verfügung.“
„Ich respektiere es, wenn Sie als nicht religiöser Mensch davon keinen Gebrauch machen wollen. Für viele Menschen ist der „Reisesegen" aber etwas ganz wichtiges. Das sollten Sie auch respektieren.“
Ich habe jetzt beim Bundesverkehrsministerium eine Anfrage gestellt, u. a. frage ich ob es tatsächlich einen Auftrag des Bundes zum Ausbau der Autobahnkirchen gibt.