Islamhass spielt Fundamentalisten in die Hände. Diese Meinung vertritt Lamya Kaddor in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung.
Sie warnt davor, die Muslime als homogene Gruppe anzusehen. "Zu Recht berichten die Medien über die dunklen Seiten des Islams" schreibt Kaddor. "Manche aber betreiben geistige Brandstiftung und tragen den Islamhass so weiter in die Mitte der Gesellschaft."
Natürlich müsse man "in diesen Tagen" über die barbarischen Verbrechen der IS-Terroristen oder die Radikalisierung muslimischer Jugendlicher durch Salafisten, auch in Deutschland, sprechen. "Aber es wird immer so getan, als bedrohe 'der Islam' 'den Westen'. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die meisten Muslime ebenfalls bedroht werden durch diese muslimischen Extremisten." Sie selbst ist eine der Bedrohten, denn sie vertritt eine liberale, vernunftorientierte Auslegung islamischer Quellen: "Ich schreibe als muslimische Autorin gegen Salafisten, Islamisten und Fundamentalisten."
Aus ihren eigenen Beobachtungen, die sie im Artikel schildert, wird deutlich, wie Medien (z.B. der FOCUS) diese Stereotypen bedienen und wie diese dann in der Gesellschaft aufgenommen werden.
"In der Konsequenz ist diese Stimmungsmache das Futter, das die islamischen Extremisten nährt. Die Salafisten locken Jugendliche mit dem Argument: der Westen hasst den Islam. Weiß man doch, muss man gar nicht groß erklären. Künftig können sie als Beleg den Focus-Titel hochhalten."
14 Kommentare
Kommentare
Fabian Krahe am Permanenter Link
Auf Focus online ist der Artikel, auf den Lamya Kaddor sich wohl bezieht, zu finden. (http://www.focus.de/wissen/mensch/religion/islam/titel-ein-glaube-zum-fuerchten_id_4242325.html) Vllt.
Nun aber zum Inhalt: Lamya Kaddor behauptet, manche Medien betreiben geistige Brandstiftung. Dies möchte sie auch am Beispiel eben jener oben aufgeführten, von Michael Klonovsky verfassten Focus-Titelgeschichte verdeutlichen. Sie möchte sich gegen die Islamhasser wenden, die indifferenten, die alles kurz und klein hauen wollen. Doch dabei verrät sie lediglich, dass sie selbst zum Kreis jener von Links hofierten Islamapologeten gehört, die versuchen jedwede Islamkritik als denunziatorisch, als Verbreitung von Stereotypen auszuweisen und weg zu wischen.
Denn so bleibt bei ihr unerwähnt, dass Klonovsky indirekt für die Unterscheidung Hamed Abdel-Samads zwischen Islam und Muslime plädiert. Außerdem stellt er ganz klar fest: "Eine große Mehrheit der Muslime lebt friedlich ihren Glauben und lehnt den Islamischen Staat (IS) ab." Auch das Fazit des Artikels: "Der gläubige Muslim, der täglich fünfmal vor seinem Gott kniet, stört niemandes Frieden - im Gegenteil, die fromme Übung in Demut täte manchem Westler gut, auch wenn er nicht an Gott glaubt. Aber ein Teil des Islam betrachtet heute den Westen als Feind und sucht den Konflikt mit ihm." wirkt auf mich nicht gerade Hass-schürend.
Doch sehen wir uns an, was Kaddor über den Artikel schreibt: "In dem Focus-Titel heißt es an einer Stelle: "Der Islam unterdrückt die Frauen. Dieser Punkt bedarf keiner ausführlichen Begründung." Man muss offenbar nicht mehr argumentieren, sich mit dem beschäftigen, was man kritisiert, ist sowieso alles klar." Und sie hat recht. Dies steht wirklich so im Artikel. Nur leider stellt sie den Zusammenhang falsch dar. Denn wichtig ist das Wörtchen "ausführlichen". Denn Klonovsky argumentiert sehr wohl. Er verweist auf ein breites Spektrum der Entrechtung der Frauen in der islamischen Welt. Frauen dürfen nicht am öffentlichen Leben teilnehmen und kein Eigentum besitzen. Dafür müssen sie Tschador, Niqab oder Burka tragen. Sie dürfen nicht heiraten, wen sie wollen und haben Steinigung bei Ehebruch (und vorehelichem Geschlechtsverkehr), sowie sogenannte Ehrenmorde zu fürchten. Die Unterdrückung der Frau im Islam wird also anhand dieser Beispiele, die allerseits bekannt sein dürften, als evident angesehen. Diese These ist nur eine von sieben anderen. Über Thesen muss diskutiert werden. Sie müssen noch keine vollständig begründeten Teile eines Theoriengebäudes sein.
Sehr bedenklich ist, dass Kaddor genau das macht, was von Klonovsky kritisiert wird. "Der Islam besitzt eine magische Eigenschaft. Eigentlich gibt es ihn gar nicht. Es gibt vielmehr zahlreiche islamische Glaubensrichtungen, Strömungen, Lehrmeinungen, Schulen, Sekten. Die Schreckenstaten des Islamischen Staates, so lautet der Kanon von Grün bis Muslimfunktionär, haben nichts mit dem Islam zu tun. Überhaupt ist absolut unstatthaft, von „dem“ Islam zu sprechen. Nur wenn er beleidigt wird, ist „der“ Islam plötzlich da." Klonovsky betont, dass es verschiedene Strömungen im Islam gibt und die meisten Muslime friedlich sind. Doch dann begeht er den Kardinalfehler und kritisiert, ach schreck, die Fundamente des Islam und die am weitesten verbreiteten Lehrmeinungen; zieht also eine direkte Linie zwischen dem, was als "Wort Gottes" verbreitet wird, und dem, wie sich einige von dessen Anhängern auch wirklich verhalten. Hier müssen also Islamhasser am Werk sein.
Dieser Artikel von Kaddor ist nur einer von vielen, die sich der Diffamierung von Islamkritik widmen. Weitere kritische Auseinandersetzungen dazu finden sich z.B. im Sammelband: Feindbild Islamkritik. Wenn die Grenzen zur Verzerrung und Diffamierung überschritten werden, hrsg. von Hartmut Krauss, Osnabrück 2010.
Peer am Permanenter Link
Hallo Fabian,
vielen Dank für deinen Kommentar, fand ihn sehr gut. Ich würde gerne deine Meinung zu dem Einwand hören, dass es den "den" Islam nicht gebe. Ich mein so ganz von der Hand zu weisen ist es ja nicht. Ich nenne mich z.B Humanist, es gab bestimmt auch im Namen des Humansimuses schon Unrecht. In so einem Fall würde ich ja auch darauf hinweisen, dass ich einen anderen Humanismus vertrete und nicht mit Anderen die sich das selbe Label geben wie ich, in einen Topf geworfen werden. Dennoch schein mir diese ewige Erklärung als Ausrede und Kritikimmunisierung. Wie siehst du das?
Fabian Krahe am Permanenter Link
Moin Peer, deiner Einschätzung, dass es "den" Islam nicht gäbe, sei eine Strategie der Kritikimmunisierung, schließe ich mich im großen und ganzen an. Über "den Islam" zu reden bedeutet m.E.
Letztlich finde ich es recht sympathisch nur die indiviuellen Weltanschauungsentwürfe zu betrachten, aber wird dies uns Menschen gerecht, die wir gewohnt sind, uns eine Art von Gruppenidentität zu geben? Aber viel wichtiger: ist dies das Anlieger der Islam-Apologeten, die behaupten, es gäbe keinen Islam, sich aber oft gleichzeitig wohlfeil als Muslime bezeichnen? Ich denke, dies kann ich ruhigen Gewissens verneinen (eine empirische Untersuchung kann ich jedoch nicht vorzeigen). Aber zurück zur hermeneutischen Ebene meiner Argumentation. Von "dem Islam" zu sprechen bedeutet keineswegs immer eine indifferente Betrachtung des vorliegenden Phänomens. Wichtig, man kann es gar nicht oft genug sagen, ist zu definieren worüber man eigentlich spricht. Dafür ist leider, vor allem in der medialen, politischen Diskussion oft keine Zeit. Sobald das Argument kommt, es gäbe nicht "den Islam", dann kann es aber immer noch recht entkräftet werden, indem man eine Definition von "der Islam ist, ..." anbringt.
So sehe ich dies zumindest. Sollte ich einen Fehlschluss in meiner Argumentation begangen habe, dann weise mich bitte darauf hin.
David am Permanenter Link
Eine stringente Argumentation, der man sich anschliessen kann.
Auffällig wir dieser Sachverhalt immer dann, wenn bei Kritik auf der einen Seite behauptet wird, dass es DEN Islam nicht gäbe und bei Forderungen oder vermeindlich positiven Aspekten plötzlich dann doch mit DEM Islam argumentiert wird.
Unterschiedliche Strömungen sind zweifelsfrei im Islam vorhanden. Aber es gibt ein Grundkonzept und Basisquellen, was nahezu alle Strömungen teilen.
Peer am Permanenter Link
Hi,
ich schließe mich Ihnen großteils an. Der klassische Einwand gegen Ihre Argumentation wäre wohl dieser: Woher wollen Sie als nicht-Muslim besser bewerten bzw. definieren als Muslime selbst? Sollte man die Definition des Islams nicht islamischen Theologen überlassen?
Wenn man diesem (eigentlich sinnvollen) Argument zustimmt, folgt aber meines Erachtens, dass der Islam immer so definert wird, wie es der jeweilige Gesprächspartner gerne hätte. Und somit widerum jede Kritik abgelehnt werden könnte. Sehen Sie das ähnlich?
Lg
Fabian Krahe am Permanenter Link
Moin Peer,
dieses Argument mag vielleicht politisch Zünden, aus einer kritischen Perspektive m.E. jedoch nicht.
(1) Gerade das Durchdenken von Innen, welches Theologen praktizieren, ist problematisch. Denn ihr Forschungsgegenstand ist stets das "Eigene". Ihre "eigene" Tradition, ihre "eigene" Überlieferung, ihr "eigener" Glaube, ihr "eigenes" Verhältnis zu Gott oder was auch immer. Eine Beschäftigung mit "fremden" geschieht nur dann, wenn es auf "Eigenes" trifft, als eine Auseinandersetzung mit dem "Eigenen". So wie einem deutschen protestantischen Systematiker i.d.R. bereits die Religiösität eines österreichischen Katholiken "fremd" sein dürfte, so Verhält es sich auch bei einem deutschen sunnitischen Theologen gegenüber der Religiösität eines iranischen Schiiten. Und genau an diesem Punkt ist m.E. eine religionswissenschaftliche Perspektive vorzuziehen, da Religionswissenschaftler sich i.d.R. mit fremden Religionen beschäftigen, übrigens mit grundsätzlicher jeder fremden Religion. Religionswissenschaftlicher können im Idealfall eine "doppelt kritische Distanz" zu ihrem Forschungsgegenstand wahren. Weder sind sie institutionell, noch dogmatisch in ihren Forschungsergebnissen eingeschränkt, noch benutzen sie das religiöse Vokabular ihrer eigenen Religion, sondern sind darum bemüht, die einer Religion innewohnende eigene "religiöse Grammatik" zu erforschen. Sie haben also einer besseres Rüstzeug, um auch ihnen "fremde" Formen von Religiösität zu untersuchen, selbst wenn sie unter der gleichen Oberbezeichnung firmieren.
(2) Die Logik des von Ihnen vorgeschlagenen Arguments möchte ich nun noch eine andere Situation übertragen. Stellen Sie sich vor Sie Japanologie und befassen sich mit den Strukturen der japanischen Gesellschaft. Nun kommt aber der Einwand, dies sollten Sie lieber einem japanischen Soziologen überlassen. Denn wie könnten Sie dies besser machen als ein Japaner selbst? Sie werden also als Wissenschaftler disqualifiziert wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Dies entspricht genauso wenig einer voraussetzungslosen Wissenschaft, wie die Behauptung, jemand könnte in einem gewissen Gebiet nicht wissenschaftlich Forschen, weil diesem Menschen ein intersubjektiv nicht überprüfbarer Glaube fehle.
Von diesen beiden Argumenten ausgehend bin ich der Überzeugung, dass das Argument "Sollte man die Definition des Islams nicht islamischen Theologen überlassen?" leicht entkräftet werden kann. Es muss als ein Verfahren der Kritikimmunisierung abgelehnt werden.
Vergleiche zu Argument 1: Greschat, Hans-Jürgen: Wie unterscheiden sich Religionswissenschaftler von Theologen, in:
Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft, 64. Jhrg. 1980, S. 259-267.
Joachim Datko am Permanenter Link
Die abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam sind Feinde des Selbstbestimmungsrechts des Menschen. Nur gut, dass wir den Humanismus und die Wissenschaften haben.
Judith am Permanenter Link
Lamya Kaddor verklärt sich mal wieder selbst. Sie gehört ebenfalls zu den Menschen, die Jugendliche locken. Bekanntlich ist sie muslimische Religionspädagogin. Und hier bekommt sie ein Forum?
Hans Schulze am Permanenter Link
Was ist das Schlimme im Allgemeinen daran, islamischer Religionspädagoge zu sein, und im Besonderen, wenn man dazu noch Lamya Kaddor heißt?
David am Permanenter Link
Im Allgemeinen? Nun, Sie stimmen mir sicher zu, dass es allgemein unredlich ist, Dinge zu behaupten, die man nicht belegen kann. Und um so unredlicher wird es, wenn man dies bei Kindern versucht.
Im Besonderen? Frau Kaddor stellt sich nicht der tieferen Kritik. Aber das ist sicherlich ein Facette aller Apologeten, da ist sie keine Ausnahme.
O. am Permanenter Link
"Islamhass spielt Fundamentalisten in die Hände."
falsch.
Es müsste heissen: "Fundamentalisten spielen Islamhass in die Hände."
Angelika Richter am Permanenter Link
"..., denn sie vertritt eine liberale, vernunftorientierte Auslegung islamischer Quellen: "Ich schreibe als muslimische Autorin gegen Salafisten, Islamisten und Fundamentalisten.""
Hier muss der Vollständigkeit halber ergänzt werden:
Ihre "liberale, vernunftorientierte Auslegung islamischer Quellen" hat leider 2 ihrer ehemaligen Religionsunterrichtsschüler nicht daran gehindert, in den Dschihad zu ziehen.
Hans Schulze am Permanenter Link
Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Noch Schwarz-Weißer geht es wohl nicht? Was empfehlen Sie denn Frau Angelika Richter?
David am Permanenter Link
"Was empfehlen Sie denn?"
Ehrlichkeit.