Kommentar

Christi Himmelfahrt? Ein paar Anmerkungen zu einem erfundenen Feiertag

BERLIN. (hpd) Die Relation zwischen christlichen und säkularen Feiertagen stimmt längst nicht mehr. In einem Kommentar zu Christi Himmelfahrt setzt sich Horst Herrmann kritisch mit religiösen Feiertagen und ihren Grundlagen auseinander.

Damit gleich alles klar ist: Ich finde es weder politisch korrekt noch theologisch fair, wenn Feiertage erhalten und staatlich gestützt werden, die auf historisch dubiosen Ereignissen beruhen. Beispiele, über die diskutiert werden sollte, sind Weihnachten, Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten, Mariä Himmelfahrt. Die christliche Tradition wird sich kaum halten.

Feste feiern, wie sie fallen? Sie fallen in der Tat. Der Disput ist schon eröffnet.
Erschreckend, welches Gewaltpotential sich in solchen Diskussionen bemerkbar macht. Hunderte von schmähenden und drohenden Mails brachen beispielsweise über eine Kita herein, deren Martinszug stand unter Polizeischutz, und kein Bischof sah sich genötigt, bestimmte Gläubige zu rügen. Dabei war einmal mehr deutlich geworden, welches Lager gewaltbereit ist.

Freilich werden die Grundlagen der Feste und Prozessionen dennoch zunehmend überdacht. Ein Beispiel: Das Fest Fronleichnam erscheint aus mehreren Gründen fragwürdig. Allein seine Basis ist bedenklich. Wir brauchen nur an die Vorgänge um das so genannte Letzte Abendmahl zu denken. Und auch eine folkloristische Tradition des Festes bleibt verdächtig. Für sie können zwar Bürgerwehren mobilisiert werden, doch für ihre Festteppiche müssen Zigtausend Blumen sterben. Im Übrigen stelle ich mir die Frage, ob einem Freund, ob Gott wirklich Blumen gestreut werden sollten. Einer Majestät schon…

Schluss damit. Gott als Freund ist ein bescheidener, entäußerter Gott. Dieser Wandel im Gottesbild hat entscheidende gesellschaftliche Folgen. Was sich bereits abzeichnet: Die Zeit, da das Christentum eine über eine unbefragte, "natürliche" Mehrheit in Staat und Gesellschaft verfügte, geht unaufhaltsam ihrem Ende zu. Die politischen Stützen, auf die sich die Gläubigen verlassen konnten, werden schneller und gründlicher wegfallen als gedacht. Künftig wird gerade das Gegenteil vom aktuellen Status als "natürlich" empfunden werden. Eine Rückkehr zur Majestät ist ausgeschlossen. Die Herren-Attribute haben ausgedient.

Wir haben sogar etwas Glück. Was bestimmte Bundesländer noch an so genannten stillen Feiertagen kennen, an denen unter Anderem öffentliches Tanzen behördlich untersagt ist und polizeilich verfolgt wird, sieht nach einem Erbe der österreichischen Monarchie aus. Unter den damaligen Kaisern waren an den "Norma-Tagen", diesen gesperrten Festtagen mit katholischem Hintergrund, öffentliche Musik- und Theateraufführungen verboten. Und Norma-Tage gab es zeitweilig zuhauf: Die drei letzten Tage der Karwoche, Fronleichnam, die Vorabende der Frauenfeste, alle Frauentage wie Mariä Himmelfahrt, Mariä Verkündigung, Mariä Empfängnis selbst, Allerheiligen und Allerseelen, alle Tage im Advent vom 15. Dezember an, Heiliger Abend, Weihnachten, alle Freitage und alle Sonntage des Jahres. Da sind wir schon etwas weiter. Solche Häufungen zu Lasten der "Lustbarkeit" sind zu Recht überholt. Den Rest schaffen wir noch.

Eine Verrohung der Sitten oder eine Verletzung des religiösen und sittlichen Empfindens, wie sie in die Argumentation der Verteidiger des Status quo eingegangen sind, ist nicht zu befürchten. Ich halte ohnedies den Versuch kirchlicher und weltlicher Obrigkeiten, ausgerechnet mithilfe von Verboten die so genannte Sittlichkeit zu schützen oder zu heben, in aller Regel für verdächtig. Dabei ist das so genannte Glaubensleben in seinen praktischen Äußerungen weithin zu einer folkloristisch geprägten Beschäftigungstherapie herabgesunken. So gibt es noch im 21. Jahrhundert Orte in Deutschland, wo mehrmals im Jahr Prozessionen mit unechten Reliquien abgehalten werden. Mit Schädelreliquien übrigens, die auch andernorts vorgezeigt werden. Offenbar hatte der gefeierte Heilige mehrere Köpfe.

Und es gibt Orte, wo dreimal pro Tag Kirchenglocken läuten, um an den Besuch des Engels bei Maria von Nazaret zu erinnern - also an ein erdachtes Ereignis. Das Volk will es so? Oder Religionsdiener wollen es? Das Volk feiert eh schon lange anders. Die Kenntnis beispielsweise der Inhalte von Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten ist dahin.

Wie wäre es mit einem Tag der Menschenrechte? Mit einem Evolutionstag, einem Tag des Welthumanismus, einem Tag des Weltfriedens, einem Fest der Aufklärung? Immerhin erinnern uns solche Zusammenhänge nicht an ausgedachte, sondern an nachgewiesene Geschehnisse. Freilich wird es Zeit brauchen, den Menschen den Sinn ihrer Befreiung zu erklären. Bisher hat sich kein Kleriker um derlei gekümmert. Wozu auch? Noch hat er seine Schäfchen im Trockenen. Mit der Tatsache, dass sein Christentum nur noch eine traditionelle Bedeutung hat und christliche Gläubige schon bald nur noch eine Minderheit ausmachen werden, hat er sich nicht auseinandergesetzt. Das wird sich schneller rächen, als er denkt.

Jedenfalls stimmt die Relation zwischen christlichen und säkularen Feiertagen längst nicht mehr: Neujahr, Tag der Arbeit, Tag der Einheit sind ganze drei säkulare Feste. Ihnen steht ein Dutzend christlicher Feiertage gegenüber.
Wo leben wir? Wo bleibt die Neutralität unseres Gemeinwesens, wenn Feiertage, die an wesentliche Ereignisse erinnern wie ein Tag der Menschenrechte, noch immer keine Chance eingeräumt bekommen? Hat denn die Proklamation der Menschenrechte weniger zum Fortschritt der Welt beigetragen als Christi Himmelfahrt?