Der DGB plant den Schulterschluss mit der katholischen Kirche

Mariä Himmelfahrt: Feiertagsglück für alle Bayern?

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Mariä Himmelfahrt, Chorfresko von 1748 mit der Krönung Mariens (Detail) in einer Kirche in Altdorf
 Chorfresko mit der Krönung Mariens

Die Frage nach den Feiertagen sorgt in Deutschland regelmäßig für Diskussionen. Arbeitgeber klagen über zu viele arbeitsfreie Tage, Arbeitnehmer hingegen hätten gern mehr. Bayern liegt dabei traditionell vorne: In den katholisch geprägten Regionen werden 13 gesetzliche Feiertage begangen – so viele wie in keinem anderen Bundesland. Jetzt sorgt der bayerische Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Bernhard Stiedl für Aufsehen: Er will den 15. August, Mariä Himmelfahrt, in ganz Bayern zum Feiertag machen. Doch anstatt alte religiöse Strukturen auszuweiten, wäre es Zeit für eine moderne Lösung: Feiertage, die gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln und zentrale Werte wie Demokratie und Meinungsfreiheit stärken.

Aus Sicht der Gewerkschaften ist Stiedls Wunsch nachvollziehbar: Für Beschäftigte ist ein zusätzlicher Feiertag fast so schön wie eine Lohnerhöhung. Doch warum setzt sich ein Gewerkschaftsfunktionär für einen kirchlichen Feiertag ein – in Zeiten, in denen mehr Menschen denn je konfessionsfrei sind?

Feiertagsregelung in Bayern: Ein Anachronismus in einer säkularen Gesellschaft

Die gesetzliche Regelung in Bayern sieht derzeit vor, dass Mariä Himmelfahrt nur in Gemeinden ein Feiertag ist, in denen mehr Katholiken als Protestanten leben. Momentan betrifft das 1.708 von 2.048 bayerischen Kommunen. Alle zehn Jahre wird diese Liste anhand des Zensus neu berechnet – was vor allem in Franken immer wieder zu kuriosen Verschiebungen führt. Baiersdorf und Weisendorf dürfen seit diesem Jahr laut bayerischem Innenministerium das "Hochfest Mariä Himmelfahrt" begehen, während in Seßlach und Marktschorgast nun am 15. August gearbeitet werden muss.

Diese Regelung ist ein absurder Anachronismus. So übertrifft im mittelfränkischen Baiersdorf die Zahl der Menschen mit "sonstiger" Religionszugehörigkeit die Zahl der Katholiken deutlich. Warum darf eine Minderheit, die 2022 (Zahlen der Stadt Baiersdorf) nur 30 Prozent der Bevölkerung ausmachte, den Ausschlag geben, ob der 15. August ein Feiertag ist? In nur wenigen Jahren wird der Katholiken- wie auch der Protestantenanteil in Baiersdorf vermutlich unter 25 Prozent liegen.

Stiedl argumentiert: "Wer in Bayern arbeitet, muss auch bayernweit die gleichen Rechte haben – unabhängig vom Wohnort oder der Religionszugehörigkeit." Diese Aussage des DGB-Chefs kann man nur unterstützen. Doch warum nicht gleich konsequent denken? Warum nicht einen Feiertag einführen, der für alle Menschen Bedeutung hat, etwa den Tag der Menschenrechte?

In Zeiten schwindender religiöser Bindung wissen immer weniger Menschen, was an Mariä Himmelfahrt überhaupt gefeiert wird. Für die meisten ist es ein willkommener Anlass zum Shoppen – zur Freude der Einzelhändler in Nürnberg und Erlangen, die an diesem Tag einen regelrechten Besucheransturm erleben. Wer dagegen unbedingt an einer Prozession samt Segnungen von Kräuterbuschen teilnehmen möchte, um die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel zu begehen, kann dafür gerne einen Tag Urlaub nehmen.

Feiertage für Demokratie und Meinungsfreiheit

In Deutschland gibt es neun bundesweit einheitliche Feiertage – und nur drei davon haben keinen christlichen Ursprung: der Tag der Arbeit, der Tag der deutschen Einheit und das Neujahrsfest. Hinzu kommen weitere Feiertage, über die die Länder frei entscheiden dürfen, und so feiert Thüringen beispielsweise am 20. September den Weltkindertag und Berlin und Mecklenburg-Vorpommern den Internationalen Frauentag. Sieben Bundesländer haben nur elf Feiertage.

Angesichts der Tatsache, dass weniger als die Hälfte der Bevölkerung einer der großen Kirchen angehört, drängt sich eine Reform auf: Warum nicht neue, zeitgemäße Feiertage schaffen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ins Zentrum stellen? Ein Tag der Demokratie (15. September) wäre ein starkes Symbol dafür, wie sehr wir auf offene, pluralistische Gesellschaften angewiesen sind – gerade in einer Zeit, in der Populismus und autoritäre Tendenzen weltweit zunehmen. Ebenso sinnvoll: ein Feiertag für die Meinungsfreiheit, um daran zu erinnern, dass freie Rede und ein unabhängiger Diskurs keine Selbstverständlichkeit sind, sondern hart erkämpfte Rechte, die täglich neu verteidigt werden müssen.

Zusätzlich könnte man einen "flexiblen Feiertag" einführen, den jeder selbst wählen kann – sei es für religiöse Feste, sei es Fronleichnam, das Zuckerfest oder Chanukka sowie für weltanschauliche Gedenktage wie den Evolutionstag oder einfach für einen persönlichen Ruhetag, um auf dem Sofa über den Sinn des Lebens nachzudenken. Deutschland würde auf diese Weise der gesellschaftlichen Vielfalt gerecht werden und zeigen, dass Feiertage mehr sind als eine subtile Dominanz christlicher Macht. Statt alte Strukturen zu zementieren, ist jetzt der Moment für eine moderne und zukunftsgerechte Regelung.

Wenn der DGB also für mehr Freizeit kämpfen will, sollten Herr Stiedl und seine Kollegen nicht an sinnentleerten religiösen Relikten wie Mariä Himmelfahrt und Allerheiligen festhalten, sondern für Feiertage eintreten, die den Werten einer modernen, weltoffenen Demokratie entsprechen.„"

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