BERLIN. (hpd) Der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ernannte am 6. Mai den slowakischen Politiker und ehemaligen EU-Kommissar Jan Figel zum "EU-Sonderbotschafter für Religionsfreiheit". Ob auch der Schutz von Konfessionsfreien zu den Aufgaben des Politikers gehört, ist eher unklar.
"Die Verfolgung von religiösen und ethnischen Minderheiten mache es wichtiger denn je, diese Freiheit innerhalb und außerhalb der Europäischen Union zu fördern", so Jean-Claude Juncker. Das Thema habe besondere Bedeutung beim Dialog mit Drittstaaten über zum Beispiel Entwicklungsprogramme.
So begrüßenswert die Initiative der EU-Kommission auch ist, es bleiben einige Fragen offen: Gehört für die EU zur Religionsfreiheit auch die Freiheit, nicht religiös zu sein? Wird sich der Sonderbotschafter auch für die Rechte von Konfessionsfreien einsetzen und deren Diskriminierung anprangern?
Wenn man sich anschaut, wer über die Berufung berichtet, muß man leider davon ausgehen, dass das nicht gemeint ist. Denn es sind allein christliche Portale, die darüber berichten: idea.de, jesus.de, pro-medienmagazin, domradio.de, kathpress.at und kath.net haben Artikel darüber veröffentlicht. Sowie die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, die die Ernennung von Jan Figel begrüßt.
"Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion treten wir seit Jahren für den weltweiten Schutz der Religionsfreiheit ein. Das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit ist ein elementares Menschenrecht – allerdings auch das seit Jahren weltweit mit am stärksten bedrohte." Leider ist bekannt, dass die CDU/CSU unter Religionsfreiheit einzig die Verfolgung von Christen in sog. "islamischen Ländern" subsumieren.
In der Pressemitteilung, die Volker Kauder verfasst hat, heißt es weiter: "Ohne Religionsfreiheit gibt es auf der Welt keine Freiheit und auch keinen Frieden. Zahlreiche internationale Konflikte sind in ihrem Kern religiöse Konflikte." Das ist halbwegs richtig. Allerdings bezieht er das einzig auf Konflikte, in denen – wie in Syrien, Nigeria und Pakistan – Islamisten die Bevölkerung terrorisieren. Dass die Opfer zum Großteil der gleichen Religion angehören wie die Täter, hält er nicht des Erwähnens wert.
Auch in den Meldungen der bereits genannten christlichen Portale ist nur die Rede von "unterdrückten Religionsgemeinschaften" – Konfessionsfreie kommen darin nicht vor.
Für die eher einseitige Aufgabenverteilung des "EU-Sonderbotschafters für Religionsfreiheit" spricht auch, dass die Ernennung am Freitag anlässlich der Karlspreisverleihung an Papst Franziskus in Rom bekanntgegeben wurde. Brüssel war dafür wohl nicht angemessen genug.
8 Kommentare
Kommentare
wbretier am Permanenter Link
Unfassbar diese Ernennung. Sucht man im Internet nach dem Namen Jan Figel, dann erfährt man als erstes, dass er Vorsitzender einer katholisch-konservativen Partei ist.
Solch ein Amt sollte eigentlich nur von einem Menschen geführt werden, der keiner Religionsgemeinschaft angehört. Die Wahrscheinlichkeit, dass Rechte für Religionsangehörige damit eher gewahrt werden als umgekehrt (Wahrung der Rechte Religionsfreier bei einem katholisch-konservativen Amtsinhaber) wäre höher.
Helene am Permanenter Link
"Solch ein Amt sollte eigentlich nur von einem Menschen geführt werden, der keiner Religionsgemeinschaft angehört." - Genau, und in den Vatikan sollte man nur nicht katholische Botschafter entsenden - genau,
Klaus Bernd am Permanenter Link
Die Bekanntgabe von Jan Figel zum "EU-Sonderbotschafter für Religionsfreiheit" anlässlich der Verleihung des Karlspreises ist gewiss kein Zufall sondern ein alarmierendes Zeichen, wenn man sich vor Augen fü
Was für eine infame Unterstellung, und geradezu eine Beleidigung von Religionslosen. Das eigentlich relativ harmlose Kratzen an teilweise auch illegalen Privilegien und an feudalen Machtansprüchen der Großkirchen wird umgedeutet in einen Angriff auf die Religionsfreiheit !
Zum einen ist es ja ein Nichtangriffspakt der beiden Kirchen – sie erklären, sich gegenseitig keine Gläubigen abzuwerben -, zum anderen aber auch ein Strategiepapier des christlichen Hegemonismus ibs. in Europa. Und darin heißt es
z.B. in
„9. ... Mitgefühl für die Leiden zum Ausdruck bringen, die die Angehörigen anderer religiöser Traditionen erfahren,…“
z.B. in
„15. … (s.o.) Quelle zur Beunruhigung ist für uns die gegenwärtige Beschränkung der Rechte der Christen, wenn nicht gar ihre Diskriminierung, wenn gewisse politische Kräfte, die durch die Ideologie eines oft sehr aggressiven Säkularismus geleitet werden, sie an den Rand des öffentlichen Lebens zu drängen versuchen.“
Oder in
„13. … haben die Leiter der Religionsgemeinschaften die besondere Verantwortung, ihre Gläubigen in einem respektvollen Geist gegenüber den Überzeugungen derer, die anderen religiösen Traditionen angehören, zu erziehen. …“
Man erkennt, dass in diesen Texten Religionslose oder gar Atheisten ausdrücklich nicht erwähnt werden oder als zu bekämpfender gemeinsamer Feind ausgemacht werden. Und welchen Anspruch die beiden gegenüber dem Islam und anderen nichtchristlichen Religionen in Europa erheben, lässt sich aus
„16. Der Prozess der Integration Europas, der nach Jahrhunderten blutiger Konflikte begonnen wurde, ... Auch wenn wir für den Beitrag anderer Religionen zu unserer Kultur offen sind, sind wir davon überzeugt, dass Europa seinen christlichen Wurzeln treu bleiben muss. Wir bitten die Christen Ost- und Westeuropas sich im gemeinsamen Zeugnis für Christus und das Evangelium zu vereinen, so dass Europa seine Seele bewahrt, die sich in zweitausend Jahren christlicher Tradition gebildet hat..“
ersehen. „>anderer< Religionen zu >unserer< Kultur“. Ist das die Art, in der man sich um Europa verdient macht ?
Ist das die Basis für einen fairen partnerschaftlichen Dialog mit nichtchristlichen Religionen wie z.B. dem Judentum oder dem Islam ?
Von Religionslosen und Atheisten brauchen wir wirklich gar nicht erst reden.
Meine „Kultur“ wird jedenfalls maßgeblich mitbeeinflußt von den kritischen, z.T. atheistischen Aufklärerern, von den „heidnischen“ Griechen und Römern und von muslimischen Wissenschaftlern. Und die christliche Kultur der Hexenverbrennung, der Ketzerverfolgung und der Glaubenskriege möchte ich überwunden wissen und nicht in das heutige Europa übernehmen – wie kann man eigentlich die gerade erwähnten >Jahrhunderte blutiger Konflikte< im nächsten Satz schon aus den >christlichen Wurzeln< komplett ausblenden ?
So besteht für mich kein Zweifel, dass die Bekanntgabe der Ernennung in Rom ein eindeutiger programmatischer Hinweis war: Religionslose verdienen keinen Schutz, sie sind im Gegenteil eine Gefahr für die Religionsfreiheit.
Thomas am Permanenter Link
"Gehört für die EU zur Religionsfreiheit auch die Freiheit, nicht religiös zu sein?"
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Hans Trutnau am Permanenter Link
Jan Weber fiel nicht auf die vermeintlich frohe Botschaft herein; gut gemacht!
Marek Nowakowski am Permanenter Link
"So begrüßenswert die Initiative der EU-Kommission auch ist, es bleiben einige Fragen offen: Gehört für die EU zur Religionsfreiheit auch die Freiheit, nicht religiös zu sein?
Es sind gute Fragen und als solche sollen sie an den neuen "EU-Sonderbotschafter für Religionsfreiheit" gestellt werden. Wenn der Sonderbotschafter seine Aufgabe ernst nimmt, wird er sicher sich Mühe geben, die von Jan Weber gestellten Fragen zu beantworten.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Dass die negative Religionsfreiheit ein Grundrecht ist, haben sowohl das Bundesverfassungsgericht (schon 1960) als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (2010) klar entschieden.
Dass in Brüssel solche intellektuellen Gedankengänge nicht üblich sind, ist mir schon klar. Ich werde mal meinen EU-Abgeordneten bitten, sich dazu um Klärung und ggf. Richtigstellung zu bemühen...
Wolfgang Wachter am Permanenter Link
Im hiesigen Sprachgebrauch wird "negative Religionsfreiheit" immer im Zusammenhang mit Menschen verwendet, die keiner Religion bzw. Konfession angehören.