Meinung

Weiterkämpfen, Bernie!

BERLIN. (hpd) Hillary Clinton mag nun gewonnen haben, doch Kontrahent Bernie Sanders kämpft weiter bis zum Schluss. Zahlreiche Medien werfen ihm Sturheit vor, die die Wahlkampfkampagne der Demokraten gefährden könnte. Stattdessen solle er sich nun bemühen, Clinton im Kampf gegen Trump den Rücken zu stärken. Doch Sanders trifft die genau richtige Entscheidung.

Aus taktischen Gründen Clinton zu unterstützen, um Trump zu verhindern, ist nachvollziehbar. Aber ist es die auf lange Sicht richtige Entscheidung? Gewiss lassen mich Trumps Reden erschaudern, doch Trump-Verschnitte gab es in der Vergangenheit häufiger. Sicherheitsberater konnten Nixons verrückten Plan verhindern, Vietnam mit Atombomben zu verwüsten und den Hasardeur Reagan haben wir auch überlebt. Ein politisch so unerfahrener Mensch wie Trump wäre viel zu sehr von seinen Beraterstab abhängig. Vielmehr stelle ich mir nun Fragen, ob Clinton so viel besser wäre.

Ein wichtiger Grund, der mich an Clinton erheblich zweifeln lässt, ist ihre fehlende Glaubwürdigkeit. Es fängt damit an, dass sie als Jugendliche den republikanischen Gegenkandidaten vom damaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson Barry Goldwater unterstützte – ein Befürworter der Rassentrennung. Währenddessen demonstrierte Sanders gegen die Rassentrennung und gegen den Vietnamkrieg. Vieles weist darauf hin, dass sie mehr als fragwürdige Kontakte zu Scientology unterhält und diese in ihren Anliegen unterstützt hat, Kritiker mundtot zu machen. Und was am schwersten wiegt, sind ihre Geldgeber für ihren Wahlkampf: Es handelt sich nämlich überwiegend um Banken, die Spekulationsgeschäften an der Wall Street nachgehen und für die Verschärfung der sozialen Lage weltweit verantwortlich sind. 

Ist Clinton in der Lage, die Probleme der Zeit zu erkennen und adäquate Lösungen dafür anzubieten? Nein. Ich will ihr nicht gleich unterstellen, dass sie daran nicht interessiert ist. Aber sie ist mit ihnen nie wirklich in Berührung gekommen. Ihr ganzes Leben lang wuchs sie in wohl behüteten Verhältnissen auf, sie musste sich kaum Sorgen um ihre Existenz machen und das politische Geschäft bestimmte ihren Alltag. Sie musste sich nicht mit Gelegenheitsjobs durchschlagen und hatte nie die Möglichkeit die prekäre Situation minderprivilegierter Menschen zu erleben, geschweige am eigenen Leib zu spüren. Sie schwamm nur allzu oft mit dem Strom, was ihr am Ende auch ein bequemes und erfolgreiches Leben einbrachte. Kurzum: Sie war und ist eine Vollblutpolitikerin.

Brauchen wir heutzutage eine/n Vollblutpolitiker/in? Nein, davon gibt es bereits zu viele. Schon viel zu lange konzentriert sich die amerikanische Politik auf wenige reiche Familien, die über gute Netzwerke und viel Geld verfügen und somit ihren Nachwuchs ebenfalls auf eine erfolgreiche Karriere in Politik und Wirtschaft bestens vorbereiten können. Sanders Kampagne hat eklatante Missstände in allen gesellschaftlichen Bereichen offen kritisiert und aus meiner Sicht die richtigen Antworten geliefert. Darüber hinaus war er der glaubwürdigere Kandidat: Er stand oft mit seiner Meinung alleine da, die er trotzdem weiter verteidigte. Er wuchs zwar nicht in ärmlichen Verhältnissen auf, doch sind ihm soziale und finanzielle Schwierigkeiten vertrauter als Clinton. Außerdem stieg er nicht von Anfang an in die große Politik ein, sondern fing klein an und leistete überzeugende Arbeit auf der kommunalen Ebene, ehe er Mitglied des Repräsentantenhauses und des Senates wurde. Seine Kampagne inspirierte viele junge Menschen dazu sich zu engagieren und gegen all jene Missstände etwas zu unternehmen, denen man zuvor ohnmächtig gegenüberstand.

Es ist ganz egal, ob Sanders letztendlich demokratischer Präsidentschaftskandidat werden sollte oder nicht. Sein Durchhaltewillen symbolisiert, dass der Kampf für eine gerechtere Gesellschaft über die Präsidentschaftswahlen hinaus gehen wird. Ich hoffe, dass dadurch die junge Generation in Amerika den Mut gewinnt, einen anderen Weg zu gehen als ihn sich Vertreterinnen und Vertreter der beiden großen Parteien vorstellen.