Die Auswirkungen des türkischen Putschversuches in Deutschland

Mit Gottes Hilfe gegen die Putschisten

BERLIN. (hpd) Betül Ulusoy ist eine junge Juristin, die sich im vergangenen Jahr das Recht erstritt, ein Rechts-Referendariat im Berlin-Neuköllner Rathaus mit Kopftuch anzutreten. Der Fall ging durch die Medien. Nun machte Ulusoy mit einem Facebook-Kommentar wieder auf sich aufmerksam: Sie begrüßte die "Säuberungen", die Erdogan nach dem gescheiterten Putsch in Armee und Justiz durchführen läßt.

"Der 'Putsch' geht zu Ende, noch bevor er begonnen hat. Alles hat doch sein Gutes: zumindest kann jetzt die Säuberung vom Schmutz erfolgen. Und jeder bekommt das, was er verdient. Wir geben es nicht mehr so schnell her, mit Gottes Hilfe." Das ist die Übersetzung eines Posting, dass Betül Ulusoy am 16. Juli 2016 bei Facebook veröffentlichte. Nur kurz darauf wurde die deutsche Übersetzung veröffentlicht und ein Shitstorm setzte ein.

Laut BILD wäre sie mißverstanden worden. Gegenüber der Boulevardzeitung sagte Ulusoy, dass sie ausschließlich das Militär gemeint habe "und sage, dass dort die 'Spreu vom Weizen getrennt' werden müsse, 'also diejenigen, die eine Militärdiktatur unterstützen und diejenigen, die das Militär im demokratischen Kontext verstehen: Dem Verteidigungsministerium untergeordnet, wie das in einer Demokratie sein muss.'" Das jedoch wird ihr von ihren Kritikern nicht abgenommen; zeigte sie sich doch häufig als glühende Anhängerin Erdogans und seiner AKP.

Übersetzung
Übersetzung

Für einige Berliner Politiker zeige diese Äußerung, dass sie für den öffentlichen Dienst nicht geeignet sei: Ali Yildiz ist Mitglied des Landesnetzwerkes Integration der CDU Berlin. Nach seiner Auffassung sollte sie als Rechtsreferendarin "wissen, dass die Suspendierung von 3000 Richtern, ohne Anhörungsrecht, ohne Verfahren, ohne Schuldspruch, nicht unserem demokratischen Verständnis von Rechtsstaatlichkeit entspricht." Der Berliner SPD-Abgeordnete Erol Özkaraca betonte: "Die Aussage, dass Menschen wie Dreck wegzumachen seien, entbehrt jeder humanistischen Grundlage und steht nicht mit den Prinzipien unserer Verfassung im Einklang. Und sie hat auch nichts mit meinem Verständnis von Religion oder Islam zu tun."

Ulusoy versuchte im Nachgang, ihr erstes Posting zu relativieren: Nach ihren Worten sei das erste Statement auf Türkisch verfasst und Übersetzungen mit Worten wie "Schmutz" und "reinigen" würden in dieser Sprache nicht das bedeuten, was sie im Deutschen meinen.

Der Fall zeigt deutlich, das sich auch durch die Community der Deutsch-Türken hierzulande ein tiefer Riss zieht. Erdogan-Anhänger und -Gegner prallen auch in Deutschland – nicht immer ohne Gewalt – aufeinander. "Tausende Anhänger Erdogans haben am Wochenende in deutschen Städten demonstriert, schwenkten türkische Flaggen, zeigten Erdogan-Bilder" schreibt der SPIEGEL. In mehreren Städten gab es Angriffe auf Gebäude, in denen die Gülen-Bewegung Zentren hat.

Die Juristin Seyran Ates warnte am Sonntag in der ARD-Talkshow "Anne Will" vor der tiefen Spaltung: "Die Atmosphäre hier sei 'noch gefährlicher' als in der Türkei. Persönliche Erfahrungen mit Diskriminierung machten gerade Anhänger der AKP noch empfänglicher für Stimmungsmache aus der Heimat. 'Die verfehlte Integrationspolitik der vergangenen Jahrzehnte schlägt jetzt zurück, jeder steht auf einer Seite, es gibt keine Grautöne mehr.'"