Großbritannien

Religiöse Schulen im Aufwind

Die neue britische Premierministerin Theresa May plant eine Schulreform, die es unter anderem Schulen in religiöser Trägerschaft ermöglichen soll, 100% ihrer Schüler nach dem Glauben auszuwählen. Bislang lag dieser Anteil bei maximal 50%.

Theresa May beginnt ihre Amtszeit mit einem konservativen Paukenschlag. Die von ihrer Regierung angestrebte Schulreform, die am vergangenen Freitag vorgestellt wurde, sieht beispielsweise die Eröffnung neuer Grammar Schools vor – weiterführende Schulen, die in etwa mit deutschen Gymnasien vergleichbar sind. Das Grammar School-System wird stark kritisiert, da es zu einer schulischen Selektion bereits im Alter von 11 Jahren führt und diese Selektion Schüler aus ärmeren Haushalten benachteiligt. Das Bestehen der Aufnahmetests der Grammar Schools hängt nämlich nicht nur von der Intelligenz eines Schülers ab, sondern signifikant auch davon, wie viel Geld die Eltern in den Vorbereitungsunterricht für einen solchen Aufnahmetest investieren konnten. Grammar Schools waren über Jahrzehnte ein Politikum in Großbritannien. 1998 wurde unter der Labour-Regierung die Neu-Gründung von Grammar Schools untersagt, um den Ausbau eines Gesamtschul-Systems voranzubringen, der bereits Mitte der 1960er Jahre eingeleitet worden war.

Kritiker werfen der Regierung May vor, dass sie Großbritannien mit dieser Schulreform weit in die Vergangenheit des britischen Bildungssystems zurückkatapultieren würde und dass Bildung durch die Reform wieder stärker vom gesellschaftlichen Hintergrund abhängig würde. Aber May geht über das Vorhaben, neue Grammar Schools zuzulassen, noch hinaus. Besondere Empörung hat May mit der Ankündigung ausgelöst, Schulen in religiöser Trägerschaft in Zukunft zu erlauben, 100% ihrer Schüler nach dem Glauben auszuwählen.

"Bisher gab es eine 50% Deckelung für religiös selektive Aufnahmen an allen neuen 'Glaubens'-Schulen – etwas, das wir unter der Labour Regierung erkämpft und unter Michael Gove (dem letzten britischen Justizminister – DW) verlängert haben", schreibt die British Humanist Association, bei der man über das Vorhaben der Regierung May entsetzt ist und die Pläne auf religiöse Lobbyarbeit der katholischen Kirche sowie des Büros des Obersten Rabbis zurückführt.

"Es gibt klare Beweise, dass 'Glaubens'-Schulen die soziale Trennung in ihrer jeweiligen Region verschlimmern. (…) In einigen Teilen des Landes machen sie es nicht-religiösen Eltern fast unmöglich, ihre Kinder in eine Schule in der näheren Umgebung zu schicken."

Die Abschottung der Kinder auf einer religiösen Schule von Kindern mit anderem oder keinem Glauben ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Nicht nur, weil diese Form der Beschulung garantiert nicht zu einem gesteigerten gesellschaftlichen Miteinander führt und Integration fast unmöglich macht. Auch der auf diese Weise – gewissermaßen durch die Hintertür – wachsende Einfluss religiöser Gruppierungen ist nicht zu vernachlässigen. Schon heute gibt es Gegenden in Großbritannien, wie beispielsweise Liverpool, in denen Eltern ihre Kinder hauptsächlich deshalb katholisch taufen lassen, weil sie dadurch die Chancen für ihren Nachwuchs erhöhen wollen, von katholischen Schulen aufgenommen zu werden – die im Vergleich mit den staatlichen Schulen oft als qualitativ hochwertiger gelten.

Premierministerin May, Tochter eines anglikanischen Pfarrers und regelmäßige Kirchgängerin, die in einem Interview verlauten ließ, ihr Glaube bestimme, wie sie Dinge angehe, stieß mit dem religiösen Teil ihrer Schulreform auch innerhalb der eigenen Partei auf Kritik. Applaus erhielt sie hingegen von Seiten der katholischen Kirche sowie vom Büro des Obersten Rabbis. Laut BBC teilte eine nicht weiter bezeichnete Sprecherin des Katholischen Schul-Dienstes mit, dass sie den Vorschlag der Regierung begrüße. "Das wird es der katholischen Kirche ermöglichen, dem gegenwärtigen elterlichen Bedürfnis nach tausenden neuen katholischen Schulen im Land nachzukommen", sagte sie.

Sheila Gewolb, Vize-Präsidentin des Rats britischer Juden zeigte sich ebenfalls erfreut: "Wir haben schon längere Zeit dafür plädiert. Die Deckelung hat das Entstehen neuer jüdischer Schulen verhindert und den Zusammenhalt innerhalb der (jüdischen - DW) Community nicht nachweislich verbessert. Wir freuen uns darauf, mit der Regierung zusammen daran zu arbeiten, dass mehr freie jüdische Schulen entstehen, und effektivere Methoden für ihren Beitrag zum Zusammenhalt der Community zu entwickeln."

Allerdings gibt es unter weniger konservativen Religiösen auch kritische Stimmen. Wie die von Danny Rich, Chef-Rabbi der liberalen britischen Juden. Er ist überzeugt, dass die geplante Maßnahme ein Schritt in die Vergangenheit ist: "Während offene religiöse Schulen möglicherweise dabei helfen, Schüler darauf vorzubereiten, ihren Platz in der modernen Welt zu finden, glauben wir weder, dass die Schaffung von exklusiven jüdischen, muslimischen oder christlichen Schulen den sozialen Zusammenhalt fördern wird, noch dass sie auf lange Sicht das jüdische Leben im Vereinigten Königreich stärkt."