Interview mit Sandra Pacholke von der Partei der Humanisten

"Wenn Du keinem anderen schadest, dann sei, wie Du bist"

Bei der Landtagswahl NRW und der Bundestagswahl 2017 will die Partei der Humanisten (PdH) "antreten". Was sie dafür tun, was sie garantieren oder lassen werden, darüber spricht die stellvertretende Generalsekretärin und Vorstandsvorsitzende des Landesverbands Berlin, Sandra Pacholke, im Interview mit dem hpd.

Berlin, ein grauer, nasskalter Freitag im Februar. Es ist Nachmittag. Wir treffen uns an der U-Bahnstation Warschauer Strasse. Sandra Pacholke und vier weitere Mitglieder der PdH stehen auf dem Vorplatz, sozusagen "draußen vor der Tür". Aufgetauter Schnee hat auf dem Asphalt wie ein Zitat schwarze Pfützen hinterlassen, es nieselt und kein Mensch will in dieser unwirtlichen Situation stehen bleiben um sich über Politik informieren oder auch nur die Hand für eine Unterschrift aus der warmen Tasche ziehen. Fast alle wollen einfach nur weiter. So sieht es in diesem Moment aus. Doch die Veranstaltung war angemeldet und Chancen werden nicht vertan. Die Parteimitglieder kennen ihr Ziel genau und halten weiter Ausschau, um Kontakt mit den Passanten aufzunehmen. Kurzfristig steht in Nordrhein-Westfahlen am 14. Mai 2017 die Landtagswahl und am 24. September die Wahl des Bundestages an, dafür müssen Unterstützerunterschriften gesammelt werden.

Die Partei der Humanisten (PdH) hatte 2016 ihren dritten Bundesparteitag. Will die Partei ihr Ziel beibehalten, 2017 in den Kosmos des Politik-Establishments eintreten, so ist die erste Hürde ein Datum: Der 27. März 2017, 18 Uhr. Der Rechtsgrundlage entsprechend sind dem Landeswahlleiter NRW "bis zum 48. Tag vor dem Wahltermin" (das ist der 27.03.) von den Parteien WahlbewerberInnen als KandidatenInnen zu benennen und 1.000 Unterschriften von Wahlberechtigten vorzulegen. Das gleiche Prozedere gilt für die Bundestagswahl, hier müssen allerdings 2.000 Unterschriften in jedem Bundesland gesammelt werden. In den Wahl-Prognosen steht bisher kein Wort zur PdH, das ist auch nicht möglich, die Hürde zur Wahl-Zulassung ist zuvor zu nehmen.

"Wir sind die erste Partei der säkularen und evolutionären Humanisten. Unsere Politik stellt den Menschen über Dogmen und Ideologien und betont die individuelle Freiheit, eine soziale Gesellschaft und wissenschaftlichen Fortschritt" ist die konstante Prämisse und Einladung auf der Homepage.

Weiter dazu: "Wir wollen zur Bundestagswahl 2017 antreten ..., eine plurale Meinungsvielfalt bei der Wahl sicherstellen. Dafür brauchen wir eure Unterschrift." Ein Hinweis auf den Datenschutz ist enthalten.

Sechs Formulare stehen online auf der PdH-Homepage für Unterstützer bereit. Das erste für die Landtagswahl in NRW, weitere fünf für Wahlberechtigte aus den Bundesländern, in denen sich ein Landesverband der PdH gegründet hat, das sind Berlin, Hessen, NRW, Bayern und Baden-Württemberg. Die Gründung des Landesverbandes in Niedersachsen ist in der Vorbereitung.

Von der U- Bahn-Station Warschauer Strasse kommend, setzen wir uns in eines der nahegelegenen Kaffee-Häuser.

hpd: Macht Politik eigentlich Spaß, (Sandra Pacholke lacht) was hat Dich dazu geführt, aktiv in die Politik einzusteigen?

Sandra Pacholke: Ich war immer schon politisch, auf alle Fälle politisch interessiert.

Ich habe mich aber nie bei einer Partei zu Hause gefühlt. Ich habe mich immer schon für den Schutz der Umwelt interessiert, war Mitglied bei Greenpeace. Ich habe dann angefangen zu studieren, hätte Umweltschutz studieren können, bin dann aber umgeschwenkt auf Ingenieurwesen, genau genommen Ingenieurgeologie, da ich dort ein sehr breites Fächerspektrum belegen musste und danach Aussicht auf eine Tätigkeit auf Baustellen und frischer Luft hatte. Ja, dann kam ich auf meine erste Baustelle und dachte, jetzt, .... jetzt mache ich hier mal so richtig den Umweltschutz. Aber, die Leute achteten schon sehr darauf. Was soll ich also dort, fragte ich mich. Die machten schon so viel dafür, da brauche ich nichts mehr zu tun. Man achtete auf die Wölfe, da wurden schon Brücken speziell für die Wölfe gebaut, damit sie trotz Baustelle und Autobahn dort weiterleben konnten, dafür haben wir auch nur nachts gearbeitet.

Vieles was ich in meinem Alltag, auch auf der Baustelle erlebt habe, ist gut gemeint, aber entweder schlecht oder überzogen umgesetzt. Die Grünen sind in vielerlei Hinsicht ein gutes Beispiel dafür. Ich wollte pragmatische, undogmatische Politik machen. Bei Greenpeace bin ich dann auch ausgeschieden, weil es keine Lösungsansätze gab. Das war problematisch.

"Wir versuchen zusammen eine Lösung zu finden..."

Du bist Landesvorsitzende in Berlin, wie bringst Du Deine Gedanken den Menschen näher?

Ja, das ist die Frage. Bei meiner Arbeit z. B. sitzen Umweltschützer direkt mit am Tisch. Sie sind von Anfang an in das Projekt eingebunden, wir versuchen zusammen eine Lösung zu finden, dafür wird viel diskutiert.

Politisch versuche ich zu analysieren was funktioniert, was gut ist und versuche ins Gespräch zu kommen, um zu erfahren, was den Menschen wichtig ist. Dann gilt es eine gute Lösung zu finden, die möglichst viele Interessen berücksichtigt, alle allerdings im Detail , das wird nicht gehen. Dabei versuche ich eine Vorteil-Nachteil Matrix aufzustellen. Der Vorgang ist relativ schwierig zu beschreiben.

Gehen wir einen Schritt zurück: Warum gibt es eine neue Partei und wie seid ihr aufgestellt?

In Berlin haben wir über 20 Mitglieder. Wir kommen aus sehr unterschiedlichen, akademischen und nicht akademischen, Bereichen und sind auch in den Altersklassen breit gemischt. Das ist gut. Von sehr unterschiedlichen Leuten können auch sehr unterschiedliche Ansichten kommen.

Was füllt den Namen Partei der Humanisten, was zeichnet die Partei aus, wie ist sie zu beschreiben? Wen wollt ihr ansprechen, wen gewinnen, wer wird sie wählen?

Wir sind Individuen, d. h. andere Menschen sind erst einmal so zu akzeptieren, wie sie sind. Anders ist es bei den Grünen. Beispielsweise heißt es: Du sollst kein Fleisch essen. Im Gegensatz dazu haben wir in der PdH eine hohe Individualität, das bringt uns zusammen. Wichtig ist natürlich, dann auch anderen Menschen und der Umwelt wenig zu schaden, das ist dann die schwierige Abwägungsfrage.

Ist das eine Prämisse, für die die Partei der Humanisten steht?

Ja.

Gibt es weitere Prämissen?

(Überlegt) Das Wohlergehen und die Freiheit des Menschen steht an erster Stelle. Wir wollen keine Politik nur für bestimmte Gruppen machen, sondern für alle Menschen.

Zurück zum Umweltschutz. Auf eine Einladung bekam ich einmal die Antwort: Nein, ich kann Sie in Berlin nicht besuchen, dann müsste ich fliegen oder mit der Bahn fahren., das schadet der Umwelt, ich bleibe zu Hause.

(Wieder lacht Sandra Pacholke) Ja. Das ist eine Entscheidung, die muss man abwägen. Ich persönlich fliege nicht, ich habe auch kein Auto. Wenn ich unterwegs sein muss oder etwas sehen möchte, reise ich per Bahn. Einfach zu sagen, ich reise grundsätzlich nicht. Nein, das funktioniert so nicht. Eine Reise ist eine Entscheidung, die abzuwägen ist. Es gab ja einmal auch Kritik an Teilnehmern eines Klimaschutzgipfels, weil diese per Flugzeug anreisten. Doch da stellt sich für mich die Frage, ob dieses Zugeständnis nicht notwendig ist, um das größere Wohl zu erreichen. Wir sind ja auch soziale Wesen und der persönliche Kontakt ist wichtig. Ich kann mich nicht nur über digitale Medien kommunizieren.

Du legst die Frage jeweils auf eine Waagschale und die heißt: Ich denke darüber nach?

Der Weg, eine Entscheidung zu finden, ist bei mir inzwischen wie ein automatischer Vorgang im Hinterkopf angelegt. Es ist ein Hinterfragungs-Mechanismus, der sich entwickelt hat und ist weder schwierig noch anstrengend. Schade ich keinem anderen, dann mache ich es. Bei einer Reise z. B., sage ich nicht von vornherein nein. Es kann auch eine Entscheidung werden, nicht zu reisen, weil zu viel Ressourcen verbraucht werden.

Deine Beispiele sind eindrucksvoll, von einem Regierungsprogramm aber weit entfernt.

Natürlich, ja.

Was kommt zu den geschilderten Gedanken? Steht das Parteiprogramm und was ist davon zu berichten?

Das ist noch recht schwierig. Wir sind alle berufstätig und haben damit auch anderes zu tun. Und vom Regieren können, sind wir ja auch noch ziemlich weit entfernt. Wir haben natürlich schon eine Menge Punkte mit unserem Grundsatzprogramm abgedeckt. Als roter Faden zieht sich hindurch, so wenig wie möglich zu verbieten, sondern positive Anreize setzen und die Menschen befähigen selber zu denken.

Ich würde also nicht sagen, fahrt nicht so viel mit dem Auto, verreist nicht mehr oder fahrt mit der Postkutsche, sonst verbraucht ihr zu viel CO2. Programm ist: Überlegt euch, ob ihr das machen wollt, ob es sinnvoll und nötig ist, z. B. um bei einer Reise zu bleiben. Verboten ist das nicht.

"Verantwortung zu übernehmen heißt auch, die Ressourcen genau zu erfassen und möglichst effektiv einzusetzen."

Es gibt z. B. die Bewegung des Effektiven Altruismus. Dieser sagt beispielsweise, es ist ok viel Geld zu verdienen, wobei man hier noch wirklich hinschauen muss, ob das nicht teilweise auf dem Rücken von anderen Leuten verdient wird und damit neues Leid erzeugt wird. Das Geld sollte dann dafür eingesetzt werden, die Welt zu verbessern und Menschen, die Leid erfahren haben zu helfen. Dabei wird analysiert, wie man mit seinem Einsatz das maximal mögliche Erreichen kann. Es gibt das Beispiel, ob man in Schulbücher oder in Entwurmung von Kindern investieren sollte. Die Antwort ist ganz klar: in die Entwurmung. Denn Würmer töten enorm viele Kinder im schulfähigen Alter, können also niemals eine Schule besuchen. Es hört sich vielleicht herzlos an, Verantwortung zu übernehmen heißt auch, die Ressourcen genau zu erfassen und möglichst effektiv einzusetzen. Vergessen darf man sich selbst und die Freude am eigenen Leben natürlich auch nicht. Wenn ich da jetzt mein letztes Hemd hergebe, kann es sein, dass ich mein eigenes Leben vernachlässige.

Die Verantwortung für das eigene Handeln liegt in der eigenen Hand?

Ja, das könnte als Unterschied zu anderen Parteien genannt werden. Andere Parteien haben andere Voraussetzungen. Zum Beispiel die Grünen, sie möchten die Umwelt, die "Schöpfung", wie die einen oder anderen sagen, in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten. Doch die Erde und die Umwelt verändert sich ja ständig bzw. wir lernen ja immer mehr dazu. Einen Wunsch nach einer sogenannten Rückkehr zu einem früheren Zustand funktioniert nicht. Bedingungen auf der Erde, die es ermöglichen, dass hier Menschen leben, sollten wir bewahren. Dazu gehört natürlich auch der Umweltschutz, ich möchte ja nicht in einer Betonwüste leben und andere empfindungsfähige Lebewesen, mein Leben möchte ich ja nicht auf das Leid anderer aufbauen. Das ist ein dringendes Anliegen. Ich mag natürlich das Leben und möchte es so vielen Menschen wie möglich ermöglichen. Das kann manchmal im Widerspruch zu dem stehen, was das beste für diesen Planeten wäre. Das sind unsere Probleme. Um diese beiden Ziele in Einklang zu bringen, muss man alles ganz genau betrachten.

Wie bringt ihr eure Gedanken den Bürgern näher? Gibt es Analysen, Fakten und Zahlen, oder Bücher?

Menschen, die in die gleiche Richtung denken, gibt es viele, Veranstaltungen, ja auch, wenn ich da z. B. an den March of Science denke, der sich gerade etabliert. Wir versuchen auf so vielen wie nur möglich präsent zu sein und mit so vielen Menschen wie möglich in Kontakt zu kommen. Analysen gibt es ebenfalls zu jeglichem Thema haufenweise. Da wir ein wissenschaftliches Verständnis der Welt vertreten und versuchen Probleme ebenso wissenschaftlich zu lösen, setzen wir stark auf die Veröffentlichungen von Experten in den jeweiligen Fachgebieten. Aus diesen wissenschaftlichen Analysen geht dann die Datenlage zu Problematiken hervor. Wir möchten Probleme auf die effektivste Art lösen. Doch wenn es das Individuum betrifft, also eine Handlungsweise wichtiger für den Einzelnen als für die Gesellschaft ist, dann sollte das mit größtmöglicher Eigenverantwortung und Entscheidungsmöglichkeiten geregelt werden.

Das ist ein nachvollziehbarer Punkt zum Thema Eigenverantwortung. Quintessenz ist handele verantwortlich im Leben. Das dürfte ein Dorn im Auge elitär geleiteter Organisationen sein

Ja.

Gilt Eigenverantwortung in allen Bereichen?

In allen, die nur den Einzelnen betreffen. Wenn es sich um gesamtgesellschaftliche Probleme handelt, dann muss die Gesellschaft darüber einen Diskurs führen, wie dieses Problem zu lösen ist.

Gilt es für Berufe und Unternehmen, dann dürften wohl einige Bereichen sozusagen leerlaufen.

Es geht nicht darum, allen komplett freie Hand zu lassen in dem was sie machen, denn daraus kann auch schwerer Schaden für die Gesellschaft entstehen. Es geht um verantwortungsvolles Handeln. Es muss auch Richtlinien für gemeinschaftliche Unternehmungen geben. Jemand der in der Verantwortung eines hohen Amtes - sei es in der Politik oder in der Wirtschaft - steht, muss sich auch an gewisse Spielregeln halten. Das meinte ich mit "gesamtgesellschaftlichen Problemen". Sofern deine Handlungen nur dich selbst betreffen, solltest du frei in deiner Entscheidung sein. Je mehr deine Entscheidungen aber das Leben und Wohlergehen anderer Menschen beeinflussen, um so mehr muss man auch darauf schauen, dass man gute und positive Ergebnisse für alle Menschen erzielt.