Gott zeigt sich auf dem politischen Parkett weiter umtriebig, zur Zeit in Hessen. Seine Lobbyisten im Parlament versuchen dort, ihn in die Landesverfassung hineinzuschreiben. Erst im vergangenen Jahr wäre ein solches Vorhaben in Schleswig-Holstein beinahe geglückt.
Mit aller Kreativität und Kompromisskraft, zu der die Politiker im Flachland zwischen den Meeren fähig waren, ermendelten sie damals die verblüffende Formulierung, die Verfassung schöpfe "aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas und aus den Werten, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen Quellen ergeben". Mit einer Stimme Mehrheit wurde das abgelehnt. Doch noch heute grübelt man, was das eigentlich heißen soll, "oder aus anderen Werten", und wieso Gott dann aus der großen Vielfalt an möglichen Wertequellen hervorgehoben sei. Warum kein Bezug zu Kant, Willy Brandt oder dem Schleswig-Holstein-Lied? Oder Jesus?
Von dem gibt es in der Überlieferung immerhin ein paar Ansagen, die sich mit den Begriffen "Toleranz", "Gleichheit" und "Menschenrechte" in Übereinstimmung bringen lassen. Gott hingegen? Also, erstens: Welcher von den 55.302 bislang bekannten Göttern (Zahlenrecherche per himmlischer Eingebung) soll denn damit überhaupt gemeint sein? Ist es Loki, der Listenreiche, oder Pan, der Geile? Ist es dieser knuffige dicke Elefantentyp aus Indien, Manitu aus "Winnetou" - oder möglich es ist, dass gemeint ist die "Macht"? Ist es der nur intuitiv, niemals aber rational zugängliche Gott "Wirtschaftswachstum", dessen Huldigung mittlerweile alle Bereiche unseres Lebens durchdringt?
Nun, man will sich ja auch nicht dümmer stellen als der liebe Gott einen geschaffen hat. Die Lobbyisten in den Landtagen meinen natürlich ihren Christentums-Jahwe - laut schriftlicher Überlieferung ja ein wirklich übler Knochen, ein launischer, herrischer, jederzeit gewaltbereiter Mafiosotyp, der Leute erschafft, nur um ihnen schlechtes Gewissen zu machen, ihre Städte zu verbrennen, Heuschrecken in ihre Felder zu schicken, sie sich gegenseitig vergewaltigen und ermorden zu lassen und was dergleichen mehr seinem erfindungsreichen Hirn entsprungen sein mag, das Bibelbuch ist ja voll von dem krassen Zeug. Und sage bitte niemand: Er habe sich ja gewandelt! Sein Sohn, der er irgendwie auch selber sei, habe einen Deal mit den Menschen gemacht und sei dann in den Himmel geflogen. Seitdem sei alles knorke mit Gott. Fakt ist ja: Wer die ganzen Geschichten abkauft, weiß auch, was der Herr noch vorhat mit unserer Erde. In einem finalen Großinferno mit vielköpfigen Monstern, blutigen Meeren und jeder Menge weiterer Special Effects plant er, mit Stockhausen gesprochen (über Bin Ladens 9/11), sein ultimatives Kunstwerk, und sogar die Toten sollen dann auferstehen, um dem Maestro Beifall zu spenden.
Ist das nun also jemand, den man in einer demokratischen, freiheitlichen Landesverfassung des 21. Jahrhunderts drin haben will, es sei denn als Drohpotential ("Wenn wir uns nicht anständig benehmen in Hessen, kommt Gott und bewirft uns mit Feuer")? Seine Lobbyisten reden sich da immer gern raus: Ja, diese Bibel sei schon das offizielle Buch zum Film, aber: Man dürfe sie halt nicht wörtlich nehmen. Vor allem die ganzen grausamen, machtgeilen, frauenfeindlichen, sadistischen Passagen nicht. Das sei eben Gottes Wort, man dürfe da nicht alles auf die Goldwaage legen, seine Wege seien unerforschlich, das müsse jeder für sich ausdeuten irgendwie... Und das ist der Punkt. Ist man gewillt, an einen Gott zu glauben, bleibt eigentlich nur der Weg ins Ungefähre. Oder man pickt sich aus der Bibel diejenigen Stellen raus, die einem in den Kram passen. Aber: Hat man damit nicht eigentlich sich selber zu Gott gemacht, eine innere Moralempfindung, die mit der Menschlichkeit in der Bibel leben mag, mit der ausufernden Barbarei aber nicht?
Wozu brauchte man dann noch einen Gott in der hessischen Verfassung? Genau so ließe sich doch statt "Gott" irgend eine andere, ebenso inhaltsleere Buchstabenkombination verwenden: Das Land Hessen habe sich seine Verfassung gegeben im "Bewusstsein seiner Verantwortung vor §$%r52Q". Das wäre ebenso beliebig auslegbar, je nach Leser - für Gutes und Gutgemeintes, aber bei Bedarf auch für Gewaltbereitschaft, Hass und Intoleranz. Wobei noch niemals irgendwer mit dem Ausruf "§$%r52Q!!!" auf den Lippen in Hochhäuser gekracht ist, Andersgläubige auf Kreuzzügen niedergemetzelt oder Abtreibungsärzte erschossen hat.
Gott also irgendwo reinschreiben, in etwas, das eine Grundlage für ein friedliches, gedeihliches Zusammenleben sein soll? "Gott" ist eine Nullaussage, ein Kippschalter mit unbekanntem Effekt, eine Bedrohung jeder Berechenbarkeit. Daher unser Vorschlag zur Güte: Da man offensichtlich eine fiktionale Figur als Leitbild für die Hessen benötigt, warum nimmt man nicht eine, die ganz unstrittig für Güte, Toleranz und Lebensfreude steht? Wenn irgend jemand in einer Landesverfassung stehen sollte, dann Snoopy, der freundliche "Peanuts"-Hund, der niemandem etwas zuleide tut, der den Herrgott mit all seiner patriarchalen Anmaßung einen guten Mann sein lässt, artenübergreifende Freundschaften pflegt, und der Tänze aufführt, wenn der Frühling kommt.
11 Kommentare
Kommentare
Harald Freunbichler am Permanenter Link
Danke für den hohen Unterhaltungswert!
Noncredist am Permanenter Link
Die Götteranbeter wollen UNBEDINGT ihr Hobby in die Verfassung packen. Koste es was es wolle.
>> (...) Gott oder aus anderen Quellen (...) <<
Was als Inspiration für ein Handeln galt, ist JEDEM MENSCHEN EINZELN ein hohes Gut. Der eine tat es, um seiner Gottheit die "Eier zu kraulen", der andere, weil er seinen beiden gerade geborenen Kindern ein sicheres und stabiles Zuhause für die Zukunft mit aufbauen möchte. Beide Menschen handeln aus einem Antrieb heraus, der der Person wichtig ist. Ja, ich verstehe es. Aber eine Verfassung ist keine Zusammenfassung etwaiger Hobby-Aktivitäten! Wenn Schleswig-Holstein nachweislich nur(!) mit der Hilfe des Glaubens an einer christlichen Göttervorstellung entstanden, aufgebaut und erhalten wurde, dann wäre man ja schon einen Schritt weiter. Aber der Götterglaube war nur ein winziger Bruchteil einer Motivationskette zur Stärkung des Landes. Adolf Hitler und seine Autobahnen, die französische Revolution, der Rundfunk und das Farbfernsehen, das Telefongerät, die Erfindung des Einwegglases und regenfeste Arbeitsschuhe haben ebenfalls ihren Anteil an der Stärkung des Landes gehabt. Alle diese "Kleinigkeiten" sollen jedoch trotz ihrer praktischen Erfahrung WESENTLICH minderwertiger sein, als die spirituelle Motivation zu einer Handlung, dessen Ursprung und Verständnis einzigst aus einer Wüste weit weg von Schleswig-Holstein hat, und deshalb NICHT in der Verfassung erwähnt werden?
So etwas gehört in die Privat-Schublade jedes einzelnen Bürgers, aber nicht in der gemeinsamen Landesverfassung. Die Betonung einer spiritistischen Einbildung eines Bürgers ist nicht notwendig. Wenn keine eindeutig gemeinsame spiritistische Vorstellung für die Einbürgerung einer Person in Schleswig-Holstein notwendig ist, wenn die Religionsfreiheit auch in Schleswig-Holstein gelten soll, dann ist die Betonung auf Menschen, welche "zu Gunsten der abrahamitisch-christlichen Gottheit ODER ANDERER MÖGLICHEN MOTIVATIONSQUELLEN" handeln, vollkommen überflüssig.
Übersetzt: "Wir sind ein tolles Land mit tollen Bürger welche Handeln, weil sie eine Motivation besitzen"
Ob es ein Handeln aus Stolz auf das Land ist, oder die Befürchtung, das ewige Leben nur unter gewissen moralischen Entscheidungen zu bekommen, spielt letztlich keine Rolle und ist - mathematisch gesprochen - aus der Gleichung rauszukürzen.
Natürlich kämpfen insbesondere professionelle Berufschristen dafür, solche Passagen fest in die Verfassung einzugießen. Je präsenter IHRE Vorstellung ist - im Gegensatz zu den "anderen Quellen", desto einfacher lassen sich finanzielle Zuschüsse absichern. Wer will schon der Verfassungsgottheit die paar Tausender verwehren, die sie zur Reparatur des Kirchturmes haben möchte? ;)
Hans Trutnau am Permanenter Link
Sehr erfrischend formuliert; Snoopy.
derKritiker am Permanenter Link
Schöner Text ... danke dafür.
Werner Koch am Permanenter Link
Säkularität in die Verfassung wäre eine gute Idee: Säkularität in die Verfassung
http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/5080651/Saekularitaet-in-die-Verfassung?from=suche.intern.portal
Oder zusätzlich Allah in die Verfassung: Muslime haben starke Argumente gegen den Gottesbezug in der Verfassung: Sie lehnen diese Verfassung ab, weil sie sich nicht dem christlichen Gott unterwerfen können. Siehe: https://www.facebook.com/groups/333306193706723/permalink/341618929542116/ (9:34)
Roland Fakler am Permanenter Link
Glänzend geschrieben! Danke! Ja, ich wäre auch dafür, dass man sich eher auf Snoopy als auf Gott in der Verfassung beziehen sollte. Im Gegensatz zu diesem ist Snoopy wirklich ein sympathischer Kerl.
Volker Dets am Permanenter Link
Mit das geilste was ich in letzter Zeit zum Thema gelesen habe ;-))
Werde meiner NOZ diesen Beitrag mal als Alternative zum ewig gleichen "Wort zum Sonntag" empfehlen.
Kay Krause am Permanenter Link
Hat gut getan, Ihre Glosse zu lesen, Herr Ungerer. Vielen Dank!
Ja, so ist das halt mit "unseren" mafiös geprägten Kirchen, die überall ihre gierigen langen Finger im politischen Geschäft haben.
Mir wär's im Prinzip wurscht, ich brauche den einen Gott ebensowenig wir irgendeinen anderen, mir werden lediglich zwecks Verbreitung dieser Märchenfiguren Steuergelder aus der Tasche gezogen. Aber Frage: was hat das alles in der Landesverfassung eines sekularen Staates zu suchen? Herr, gib ihnen Erkenntnis!
Paul am Permanenter Link
So funktioniert halt Demokratie, da dürfen auch Glaubende ihre Meinung äußern, auch wenn sie von nix eine Ahnung haben.
Rudolf Ladwig am Permanenter Link
"Mit einer Stimme Mehrheit wurde das abgelehnt."
Wolfgang am Permanenter Link
Wenn ein Land einen Gott in seiner Verfassung hineinschreiben möchte, ist dieses Land in keiner guten Verfassung. "So wahr mir Gott helfe" spiegelt nur das Unvermögen seiner Politiker wieder.