Religion und Tod

Wer nicht glaubt, hat mehr vom Leben

Wer hat am meisten Angst vorm Tod? Die Atheisten natürlich! Diese beliebte, doch nie recht überprüfte Denkfigur ist jetzt durch eine Metastudie der Universität Oxford ins Wackeln gekommen.

Ihre Ergebnisse deuten, wenn auch nur zart, in eine ganz andere Richtung - und endlich in eine, die auch dem gesunden Menschenverstand nachvollziehbar erscheint. Wenn der Sensenmann anklopft, so die Ergebnisse, bleiben zwei Gruppen am entspanntesten: die Tiefreligiösen einerseits. Andererseits die Atheisten. Eine mögliche Erklärung liegt auf der Hand: Den Mitgliedern beider Gruppen kann der Tod nichts anhaben. Freuen die einen sich darauf, von nun an die Gesänge der himmlischen Heerscharen bis in alle Ewigkeit bereichern zu können (ganz egal wie gut sie bei Stimme sind und wie furchterregend langweilig das eigentlich sein muss), so finden die anderen sich in ihr unvermeidliches Ende, von dem sie immer wussten, das es auf sie zukommt. Und das ihnen geholfen hat, die Zeit vor diesem Ende, das Leben also, nach ihren Vorstellungen zu gestalten (wobei interessanterweise eher selten permanenter Lobgesang herauskommt).

Ein ernsthaftes Problem mit dem eigenen Tod, so legt die Studie nahe, hat hingegen die Gruppe, die im Glaubenskontinuum zwischen den beiden Extremen liegt – jene Menschen, denen die Unbedingtheit des Glaubens abgeht und die den lieben Gott angenommen haben, weil die Nachbarn auch alle an ihn zu glauben vorgeben, oder weil sie als kleines Kind die Geschichten von ihm gehört haben und auf den Trost, den er spendet, dann doch lieber nicht freiwillig verzichten wollen. Und dann gibt es vielleicht noch diejenigen, die nach dem nur scheinbar intelligenten Prinzip der pascalschen Wette beschlossen haben, doch lieber zu glauben – weil sich damit nur gewinnen lasse, während man als Nichtgläubiger im Zweifelsfall eben im ewigen Höllenfeuer landen könnte. Das Problem unterm Strich: Ist der Glaube derart lose fundiert, so reicht er vielleicht doch nicht ganz hin, um die Angst vor dem Tod zu überwinden.

Den Religionen sei also gesagt: Da geht noch was! Ihren Anhängern gegenüber sind sie in der Pflicht, neue Reize zu präsentieren, ihre modrigen Vorstellungen vom ewigen Leben endlich mal upzudaten: Auf Wolken herumsitzen? Singen, tagaus, tagein? Puh. Alles, was man aus dem Jenseits so hört, klingt nach grauenhaftester, geisttötender Ödnis - wie soll man je sicher sein, dass man nicht vielleicht doch in der Hölle gelandet ist? Auf der Erde hingegen, da gab es doch Palaver und Tanz, Fußball und frisches Bier, da gab es Gemüseernte, Küsse und Bienen, die durch die Zweige summten...

Mit Christoph Schlingensief gesprochen: So schön wie hier kann’s im Himmel gar nicht sein. Das Hier aber niemand mehr genießen als jemand, der um das Ende weiß.