Freidenkerbund Österreich

freidenker 1 /2017 erschienen

Die aktuelle Ausgabe der österreichischen Zeitschrift für FreidenkerInnen, HumanistInnen und AtheistInnen "freidenker" ist erschienen. Neben viel Religions- und Kirchenkritik gibt es ein spannendes Interview mit Maryam Namazie.

Gleich auf der ersten Seite wird es interessant: Gerhard Engelmayer schreibt im Editorial, dass sich (auch) die österreichischen Freidenker inhaltlich verändern werden. "Wir werden sehr bald die entsprechenden Entscheidungen fällen müssen. Das bedeutet, dass wir das vorbereiten, was wir Marketingleute einen 'Relaunch' nennen, also einen Neustart mit geändertem Auftreten und Image, mit Zielen, angepasst an die bestehenden Verhältnisse." Vor diesem Satz resümiert der Autor und langjährige Vorsitzende der österreichischen Freidenker, dass es in all den Jahren des Bestehens des Freidenkerbundes nicht gelungen sei, in der Öffentlichkeit ein positives Bild der Freidenker zu schaffen.

Dabei seien die Freidenker "notwendiger denn je" schreibt Engelmayer; "…wir müssen für die Menschen von heute ein interessantes Angebot formulieren, glaubwürdig rüberkommen, wir müssen die Menschen da abholen, wo sie sind. Sie sind nicht im Kulturkampf des 19. Jahrhunderts."

Es ist zu hoffen, dass sich diese angekündigten Veränderungen auch auf das freidenker-Heft auswirken. Denn wieder ist die Hälfte der nur 32 Seiten umfassenden Zeitschrift allein der Kirchen- und Religionskritik gewidmet. So wichtig diese auch ist: Heutzutage gehört mehr dazu, um Menschen zu interessieren. Es müssen Angebote gemacht werden für ein selbstbestimmtes Leben fernab von religiösen Gruppierungen und Ritualen. Auch wenn Österreich in dieser Hinsicht der deutschen Lebenswirklichkeit noch um mindestens ein Jahrzehnt hinterherhinkt: Auch dortzulande sind möglicherweise andere Themen für die Mehrheit der Bevölkerung wichtig, als über den "Auferstehungsirrtum" (S. 6 - Roland Bilik) zu lesen; oder den Unsinn, dass irgend ein "Gott" den Urknall gemacht habe (S. 10 - Dr. Uwe Hillebrand) und welche Konsequenzen das haben könnte.

So gut geschrieben und informativ auch Hubertus Mynareck’s Artikel "Von Wojtyla bis Bergoglio" (S. 12) der Legendenbildung um diverse Päpste etwas entgegensetzt, so wenig nutzt das, um eine Gemeinschaft von Freidenkern zu bilden. Dabei ist selbstverständlich die Frage zu stellen, für wen die Zeitschrift gemacht wird: Allein für Mitglieder des Freidenkerbundes oder auch für Interessierte? Doch die Einen kennen all diese Debatten zur Genüge und Von-Außen-Kommende mag das eher abschrecken. Denn es weist nicht in die Zukunft, sondern arbeitet sich immer und immer wieder an Vergangenem ab.

Max Rosenbaum stellt die Frage, wie es Wissenschaftler mit ihrer Ausbildung und Tätigkeit vereinbaren können, trotzdem an Engel (und andere religiöse Dinge) glauben können, während Katharina Reschenhofer einen interessanten Text über den Gebrauch von religiösen Worten auch durch Nichtgläubige beisteuert.1 Zum 145. Geburtstag von Ludwig Feuerbach bewertet Jasmina Cavkunovic die kirchen- und religionskritischen Schriften des Philosophen.

Uneingeschränkt lesenswert ist das ab Seite 24 abgedruckte Interview mit Maryam Namazie (welches vermutlich die Übersetzung eines bei Charlie Hebdo erschienenen Artikels ist). In dem Interview wird die bekannteste Ex-Muslimin gefragt, ob die Gefahr bestehe, dass extreme Rechte unter dem Deckmantel der Laizität gegen Muslime hetzen. Sie bejaht die Frage und fährt fort: "…hier gilt es, die Rechtsextremen anzuprangern und nicht die Laizität! Es ist wichtig, Kritik am Islam oder Islamismus nicht mit Angriffen gegen die Muslime gleichzusetzen. Schließlich gibt es viel Muslime atheistischer, feministischer, säkularer und progressiver Ausrichtung, die in vorderster Front im Kampf gegen die Extremisten stehen und ihr Leben dabei aufs Spiel setzen. Es ist ebenso wichtig, die Muslime nicht über einen Kamm zu scheren, denn das hieße, Millionen Menschen den Islamisten zu überlassen…"

Die "Secularist of the Year"-Preisträgerin kritisiert die europäische Linke, die es sich zu einfach mache und aus falsch verstandener Solidarität "Frauen in gesellschaftlichen Minderheiten im Stich gelassen" und sie Angriffen von Rassisten und Fundamentalisten ausgeliefert habe: "…in Frankreich und in zahlreichen westlichen Ländern verteidigt das linke Lager den politischen Islam, indem behauptet wird, dass die Muslime Diskriminierungen zu erleiden hätten und dass man die 'kulturellen Ansprüche' zur Kenntnis nehmen sollte. Ich bin zutiefst links und für mich ist diese Haltung doppelter Verrat. Es ist ein Verrat an den Prinzipien der Linken und ein Verrat gegen alle, die unter der Herrschaft des Islamismus kämpfen, denn Islamismus ist keine revolutionäre Kraft, sondern eine reaktionäre…" Diesen Linken, die als Kulturrelativisten daherkommen, schreibt sie ins Stammbuch: "Diese sogenannten Linken denken am Ende, dass die 'Muslime' nicht wie sie selbst sind, dass Gleichheit und Laizität sie nicht beträfen. Sie sollen sich … verschleiern, keine Grundrechte genießen und der Scharia unterstellt werden. Welch ein Rassismus!"


  1. Hier verweise ich gern auf das Buch "Die Kirche im Kopf. Von 'Ach, Herrje!' bis 'Zum Teufel!'" von Carsten Frerk und Michael Schmidt-Salomon. ↩︎