Hat die Wissenschaft ein Wunder bewiesen?

Heiliger Brotsack!

"Sack des heiligen Franziskus wahrscheinlich echt", titelt katholisch.de und meint damit einen Stoffrest aus dem Mittelalter. Puh! Weit daneben, wieder einmal: Die Forschungsergebnisse geben diese Aussage überhaupt nicht her.

Seit Jahrhunderten schaut die katholische Kirche den Wissenschaften fasziniert beim rationalen Denken zu. Und versucht herauszubekommen, was zum Teufel das sein mag. Dass es ihre eigenen Ansprüche auf Welterklärung in Frage stellt, war dabei von Anfang an klar. Daher warf man Wissenschaftler gerne in Kerker oder verbrannte sie. Das ist derzeit nicht in Mode. Und bei der Kirche ist, ähnlich wie bei Kleinkindern, die impulsive Ablehnung des Unbekannten in eine interessierte Faszination übergegangen. Irgend etwas muss doch dran sein an diesem logischen Denken, und an Neugier und Wissensdrang - wenn immer mehr Menschen sich seit dem Mittelalter davon überzeugen lassen. Es ist daher gute Sitte geworden, die Forschung in Kirchenkreisen nicht rundheraus abzulehnen. Dann und wann kann man sie sich ja nutzbar machen. Und um das zu tun, muss man sie nicht einmal wirklich verstanden haben.

"Sack des heiligen Franziskus wahrscheinlich echt", so titelt kürzlich katholisch.de und liefert damit nicht nur ein Stück medialer Selbstparodie. Das Portal zeigt so auch, auf welche fast schon rührende Weise der uralte Männer-Vorbeterklub dann doch gern mitmischen würde bei dem neuen hippen Ding, der Wissenschaft. Ist ja doch immer mal ganz interessant, was da herauskommt!

In diesem Fall geht es um eine Legende, die im Jahr 1224 spielt: Das Franziskanerkloster von Folloni sei durch schreckliche Schneefälle von der Außenwelt abgeschlossen gewesen, und drinnen habe - bei Mönchen ja eher selten - der Hungertod gedroht. Eines Tages hätten die dann vor dem Tor ihres Klosters einen Sack voll Brot gefunden, auf dem die Lilie des französischen Königshauses prangte. Für die gläubige Nachwelt gab es da nur eine Erklärung: Franz von Assisi, damals angeblich in Frankreich weilend, habe einen Engel des Herrn als Flugkurier beauftragt, Amazondrohnen gab es ja noch nicht, und der Engel habe dann also das rettende Brot vorm Kloster anonym abgeworfen, wohl aus Bescheidenheit.

Als Beweis haben sie seit vielen hundert Jahren ein paar Stofffetzen im Kloster eingelagert, das sollen die Überreste des Brotsacks sein. Ob Gott auch anderen Menschen in der wettergepeinigten Region mit Proviant ausgeholfen hat, ist dabei nie diskutiert worden.

Auch andere naheliegende Fragen haben unter den Gläubigen nie eine Rolle gespielt: Woher wusste Assisi in Frankreich von der Notlage? Das Internet war ja noch gar nicht so gut ausgebaut. Also muss wohl Gott seinen Heiligen in Kenntnis gesetzt haben, vielleicht über den Umweg eines Informationsengels. Allerdings: Wofür war dann Franz überhaupt notwendig? Die Info kam von Gott, der Engel kam auch von Gott. Hat der Heilige zunächst das Brot einsammeln müssen? Konnte der Schöpfer des Universums nicht einfach welches herbeizaubern, vielleicht auch noch ein bisschen Käse und Schinken dazu? Warum ist der Engel nicht wenigstens mit Donnerschall und vor Zeugen in den Klosterhof geflattert, so dass der Absender der Hilfslieferung klar geworden wäre?

Aber das ist zu weit gedacht, da nähert der Gläubige sich viel zu schnell der Grundsatzfrage: Wieso hat Gott seine frommen Follower überhaupt erst durch brutalstmöglichen Schneefall (Süditalien, bitte schön!) in diese missliche Lage gebracht?

"Sack des heiligen Franziskus wahrscheinlich echt." Sagt katholisch.de. Was meinen die damit? Folgendes ist passiert: Ein Forscherteam unter der Leitung des Dänen Kaare Lund Rasmussen hat mit der Radiokarbonmethode das Alter des Stofffetzens von Folloni bestimmt. Siehe da, er stammt höchstwahrscheinlich aus den Jahren 1220-1295. Damit nicht genug: Chemische Analysen legen nahe, dass der Stoff seit dem 13. Jahrhundert irgendwann in Kontakt mit Brot gekommen ist! Alles andere wäre auch das größere Wunder, wie der Blog "Rosa Rubicondior" nahelegt - schließlich wurde der Stoff dreihundert Jahre lang als Altartuch benutzt, und in dieser Zeit wird möglicherweise das eine oder andere Erntedankfest auf ihm zelebriert worden sein...

Mehr ist da nicht. Man weiß nicht, ob der Stofffetzen wirklich mal ein Sack war. Man weiß nicht, ob und wer ihn wann mit was drin von wo nach wo transportiert hat. Das Einzige, was sich nach der Untersuchung sicher sagen lässt, ist: Im 13. Jahrhundert hatten sie Stoff, der sacktauglich war. Dieser hier ist wohl einmal mit Brot in Kontakt gekommen. Beide Fakten überraschen jetzt nicht wirklich. Ob sie als Wunderbeweis taugen? Gott hätte mal lieber ein fancy Plastiktüte nehmen sollen, vielleicht mit Jesusaufdruck, oder, noch besser, einen uns noch unbekannten Werkstoff aus der Zukunft. Da wären dann auch Geister, die sich besser damit auskennen, wirklich mal ins Nachdenken gekommen.