Thomas Müntzer und der IS

Der Berliner Theologe Jörg Machel setzte jüngst den "Islamischen Staat" (IS) mit den aufständischen Bauern unter Thomas Müntzer gleich. Das ist nicht nur historisch falsch.

Das Einzige, was Thomas Müntzers Bauernarmee, die in der Schlacht bei Frankenhausen vernichtend geschlagen wurde, mit den Terroristen des IS verbindet, ist, dass sie sich auf ihren jeweiligen Gott beriefen bzw. berufen. Das verschweigt der Kreuzberger Gemeinde-Pfarrer, Jörg Machel, in der Kirchensendung "Morgenandacht" im Deutschlandfunk auch nicht. Die aufständischen "Bauern hätten geplündert, gebrandschatzt und vergewaltigt." Die Bauern seien Thomas Müntzer in der Überzeugung gefolgt, am Ende mit Gottes Hilfe auf dem Schlachtfeld zu siegen.

Hier treffen sie sich tatsächlich mit den "IS-Kämpern". Allerdings – und das scheint Pfarrer Machen nicht zu verstehen – sind die Ziele der beiden grundlegend verschieden.

Älteste, allerdings nachträgliche und nicht verbürgte Darstellung Thomas Müntzers aus dem Jahr 1608; Kupferstich von Christoph van Sichem (gemeinfrei)
Älteste, allerdings nachträgliche und nicht verbürgte Darstellung Thomas Müntzers aus dem Jahr 1608; Kupferstich von Christoph van Sichem (gemeinfrei)

Thomas Müntzer gilt als Gegenspieler des hierzulande zu Unrecht gefeierten Martin Luther. Einst Anhänger des Reformators gingen ihm dessen Reformen nicht weit genug. Während Luther die Ungerechtigkeit der Gesellschaft nur mit anderer Begründung zementieren wollte, versuchte Müntzer, Adel und Klerus zu entmachten.

Müntzer wollte im thüringischen Mühlhausen seine Vorstellungen von einer gerechten Gesellschaftsordnung umsetzen: Privilegien des Adels wurden aufgehoben, Klöster aufgelöst sowie Räume für Obdachlose geschaffen und eine Armenspeisung eingerichtet. All das darf mit Fug und Recht für revolutionär gelten. Dass er damit die Feindschaft Luthers auf sich zog, verwundert wenig. Luthers’ widerwärtige Sprüche über die Müntzer folgenden, aufständigen Bauern sind allbekannt.

Der IS hingegen hat nur ein Ziel: Die Wiederherstellung eines Gesellschaftssystems, wie es vor rund 1.300 Jahren bestand. Der "Islamische Staat" wird von den Vereinten Nationen als Terrororganisation angesehen. Er wird des Völkermords, der Zerstörung von kulturellem Erbe der Menschheit wie auch anderer Kriegsverbrechen beschuldigt. Die Ideologie des IS ist nicht auf die Zukunft, sondern auf eine (so niemals gegebene) Vergangenheit gerichtet.

Pfarrer Machel erkennt, dass unter den kämpfenden Bauern auch "verblendete, verführte Desperados, Hoffnungsberaubte" waren. Doch dann zeigt er, weshalb man einen Theologen nicht über Politik oder Geschichte reden lassen sollte. Denn für ihn folgten die Bauern und folgen die IS-Terroristen "einem falschen Welt- und Gottesbild". Dass es für diesen Haß und diese Gewalt ohne Religion erst gar keine Grundlage gäbe, das verschweigt Machel nicht wissentlich; das kommt ihm nicht einmal in den Sinn.