Aktuell sitzen 26 Bischöfe und Erzbischöfe der Church of England im Oberhaus des britischen Parlaments und bestimmen so das politische Geschick des Landes mit. Laut einer aktuellen Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov sprechen sich jedoch knapp zwei Drittel der Briten gegen einen religiösen Einfluss auf die Politik sowie Parlamentssitze für Bischöfe aus.
Für Demokratieverwöhnte ist das britische Parlamentssystem ein wenig gewöhnungsbedürftig. Neben dem Unterhaus ("House of Commons"), in dem gewählte Volksvertreter politische Entscheidungen treffen, besteht das Parlament auch aus dem Oberhaus ("House of Lords"), dessen rund 800 Mitglieder nicht dem Willen des Volkes unterworfen sind, sondern ihren Sitz aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung innehaben. Das Oberhaus kennt sogenannte weltliche Lords ("Lords Temporal") und geistliche Lords ("Lords Spiritual"). Die weltlichen Lords werden als Adelige auf Lebenszeit entweder vom regierenden Monarchen ernannt oder haben ihren Sitz aufgrund eines erblichen Adelstitels inne. Die geistlichen Lords sind hochrangige Vertreter, also Erzbischöfe oder Bischöfe, der Church of England, die ihren Sitz solange innehaben, wie sie ihr Kirchenamt ausüben.
Dass es sich bei diesem System um eine nicht akzeptable Bevorzugung religiöser Amtsinhaber handelt, finden laut einer jüngst veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der britischen Times 62% der befragten Briten. Ihrer Meinung nach soll überhaupt keinem religiösen Führer oder Vertreter einer Religion ein automatisches Recht auf einen Parlamentssitz zustehen. Nur 8% der Befragten befürworteten dagegen die gegenwärtige Praxis. 65% der insgesamt knapp 1.700 Befragten waren darüber hinaus der Meinung, die persönliche religiöse Überzeugung eines Politikers dürfe keinen Einfluss auf seine politischen Entscheidungen haben. Nur 14% der Befragten vertraten die gegenteilige Meinung.
Das Ergebnis der YouGov-Umfrage ist wenig überraschend, nachdem bereits eine im September 2017 veröffentlichte Umfrage des National Centre for Social Research darauf schließen ließ, dass 53% der Briten keinerlei religiöse Bindung mehr haben – bei den unter 18- bis 24-Jährigen sind es sogar 71%.
4 Kommentare
Kommentare
Wolfgang am Permanenter Link
Sie vergessen: in keinem einzigen PALAVERMENT wütet der "Heilige Geist". Den lässt man nirgends rein. Aus verständlichen Gründen....
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Ein Lichtblick: uns Säkularen und Humanist*innen sollte es umsomehr am Herzen liegen, dass es in Europa für alle Kirchenflüchtlinge einen Werte-/Ethikunterricht gibt. Das vermitteln die normalen Fächer zu wenig.
gegeben - wir brauchen eine (zusätzliche) Werteerziehung, die fällt nocht vom Himmel und gehört heute umso dringlicher an die Schulen, je mehr die Konfessionsfreienzahlen steigen. Humanist. Gruß Karin Resnikschek, Tübingen
Null-Werteerziehung ist keine Alternative.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
"65% der insgesamt knapp 1.700 Befragten waren darüber hinaus der Meinung, die persönliche religiöse Überzeugung eines Politikers dürfe keinen Einfluss auf seine politischen Entscheidungen haben."
Wie soll das gehen? Die meisten Religionen beinhalten ein ethische Lehre. Soll ein religiöser Politiker jetzt zwei Ethiken haben - eine religiöse für das Privatleben und eine areligiöse für das Parmalent?
Erwartet irgendjemand ernsthaft, dass z.B. ein Anhänger des Jainismus im Parlament für ein liberales Tierschlachtungsgesetz stimmt, während er privat Veganer ist? Oder dass ein Katholik im Parlament Abtreibungskliniken fördert, während er privat dagegen demonstriert? Oder dass ein Muslim im Parlament die Alkohollobby unterstützt, während er privat Wein für Teufelswerk hält?
Kein normaler Mensch kann so handeln.
In der Praxis wird ein religiöser Parlamentarier gemäß seiner Religion handeln und so lange säkulare Gründe dafür suchen, bis er welche gefunden hat.
Am einfachsten ist es doch, wenn jeder Kandidat seine Meinung inklusive Religion offen kundtut, dann weiß jeder Wähler, woran er ist.
Bei unserem Parteiensystem mit etwas unübersichtlichen Listen ist das zwar nicht ganz so einfach. Aber es ist immer noch besser, als von Menschen zu verlangen, zwei ethische Systeme mit sich herumzutragen.
Dieter Bauer am Permanenter Link
Erhebt sich die Frage, was "Himmlische Gewalt" auf einem irdischen Parlamentssitz zu suchen hat.