Initiative "Pro Neutralitätsgesetz" übergab 1.500 Unterschriften

Berlins Schulsenatorin: "Ich sehe keinen Änderungsbedarf"

Am heutigen Montag konnte die Berliner Initiative "Pro Neutralitätsgesetz" der Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres 1.500 Unterschriften übergeben. In einer Pressekonferenz bedankte sich die Senatorin für die Unterstützung ihrer Position durch die Initiative.

In einer vorab veröffentlichten Presseerklärung der Initiative heißt es: "Wo immer auch der Staat Menschen gegenübersteht – wie vor Gericht, bei der Polizei, im Justizvollzug oder in den öffentlichen Schulen – haben religiös oder weltanschaulich geprägte Symbole keinen Platz. Es kann nicht in das Belieben einzelner Beschäftigter gestellt werden, durch das Tragen solcher Symbole die Neutralität des Staates der persönlichen Überzeugung unterzuordnen und diese anderen demonstrativ aufzudrängen." Da es in der Berliner Politik vereinzelt Bestrebungen gibt, diese staatliche Neutralität aufzuweichen, gründete sich die Initiative "Pro Neutralitätsgesetz", die sich für die Beibehaltung des status quo einsetzt.

In seiner einleitenden Rede verwies Mitinitiator Walter Otte darauf, dass Berlin eine Stadt sei, in der Menschen aus über 190 Nationen und vielen Religionen sowie über sechzig Prozent Konfessionsfreie zusammenleben. Für den gesellschaftlichen Frieden sei deshalb der Verzicht von Religionen und Weltanschauungen, staatlichen Kernbereichen ihren Stempel aufzudrücken, unabdingbar. "Das Berliner Neutralitätsgesetz verdient Unterstützung, weil es alle Religionen und Weltanschauungen gleich behandelt und niemanden diskriminiert." Das Gesetz verlange deshalb "lediglich von allen Beschäftigten des Landes eine zeitlich und räumlich befristete Zurückhaltung beim Tragen religiöser Symbole im Dienst". Otte gab bekannt, dass die bekannte Journalistin und Autorin Lea Rosh sich am Wochenende der Initiative angeschlossen hat.

Weiter sagte er: "Wir wollen die Diskussion in die Koalitionsparteien bringen. Bei den Grünen zeigt sich, dass die Lage doch sehr viel differenzierter ist als es sich noch vor einiger Zeit dargestellt hat. Es mehren sich die Stimmen, die am Neutralitätsgesetz in der aktuellen Ausführung festhalten wollen." An die Senatorin gewandt sagte Otte: "Wir wissen nicht, wie das Arbeitsgericht entscheiden wird. Aber sie haben mit der Berufung von Seyran Ateş zur Prozessbevollmächtigten (des Senates) ein deutliches Zeichen gesetzt."

"In einer demokratischen Gemeinschaft sollen alle Kinder lernen, dass alle Lebensweisen gleichen Respekt verdienen und dass es Werte gibt, die für alle gelten." Das sei jedoch, so die Schulleiterin der Peter-Petersen-Grundschule Berlin-Neukölln, Hildegard Greif-Groß, leider nicht der Fall. "Deshalb dürfen religiöse Symbole – ob Kreuz oder Kopftuch – nur im Zusammenhang mit dem Religionsunterricht zu sehen sein." Lehrerinnen könnten Neutralität nicht vorleben, "wenn sie schon durch ihr äußeres Erscheinungsbild die Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen Gruppe zeigen." Sie warnte vor einer "Entmischung" der Schulen: "Es wird dann in Neukölln, Wedding, Kreuzberg türkische, arabische und europäische Grundschulen geben. Schon jetzt stimmen die Eltern mit den Füßen ab."

"Die elfjährigen Mädchen suchen sich das Kopftuch nicht selber aus." (Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres)

Wilfried Seiring war bis 1998 Leiter des Berliner Landesschulamtes a.D. und danach Direktor des Ausbildungsinstituts beim Humanistischen Verband Deutschlands (HVD). Bei der Pressekonferenz bedankte er sich bei der Bildungssenatorin dafür, dass ihre Behörde im Sinne der Initiative in die Schulen hineinwirke. "Meine Erfahrungen als Lehrer, Schulleiter und später in der Behörde zeigen, dass das Problem nicht kleiner geworden ist." Trotz pädagogischer und politischer Bemühungen haben sich die Probleme in den Schulen verstärkt. Er machte noch einmal deutlich, dass die Initiative keiner Frau verbieten möchte, ein Kopftuch zu tragen. "Wir sind selbstverständlich für die Religionsfreiheit." Doch haben religiöse Symbole in einer Schule nichts zu suchen. Er wies darauf hin, dass die Emanzipationsbemühungen von manchen Familien aus dem muslimischen Kulturkreis nicht gestärkt würden, "würde man das Neutralitätsgesetz ändern." "Diese Emanzipationsbemühungen müssen wir fördern und unterstützen, weil sie für die Integration der Gesellschaft von Bedeutung sind." "Wenn wir totalitäre Bestrebungen … einschränken wollen, dann muss der Staat Flagge zeigen."

Bildungssenatorin Sandra Scheeres bedankte sich für die Unterschriften. Sie wies darauf hin, dass ihre Position völlig klar sei, was die Beibehaltung des Neutralitätsgesetzes betrifft. Wenn der Berliner Integrationsbeauftragte der Meinung sei, dass man das Gesetz ändern müsse, dann könne er das gern sein. Das habe jedoch keine politische Relevanz. Nach einer ersten Durchsicht der Unterschriftslisten sei ihr bereits aufgefallen, wie vielfältig die Unterzeichner sind. "Das zeigt, dass wir eine breite Unterstützung in der Gesellschaft für unser Anliegen haben." Es gehe eben nicht um ein Kopftuchverbot, sondern um die Erhaltung des neutralen Raumes in der Schule. "Mir ist es als Bildungssenatorin sehr wichtig, dass Kinder in einem neutralen Raum aufwachsen und lernen können." Weiter sagte sie: "Wenn ich eine Lehrkraft mit einem Kopftuch vor mir habe, ist das nicht neutral."

"Ich sehe keinen Änderungsbedarf des Neutralitätsgesetzes." Sie verwies darauf, dass es bereits viele Debatten über den Schulfrieden gab. "Ein Mädchen stellt sich in der Schule schon die Frage: Bin ich eine gute Muslimin, bin ich eine schlechte Muslimin?" Sie denke dabei eben nicht über Mathematik oder Englisch nach. Diese Ablenkung vom Lernen durch religiöse Beeinflussung müsse verhindert werden. Auch eine Auseinandersetzung mit den Eltern sei hier notwendig, betonte die Senatorin. "Die elfjährigen Mädchen suchen sich das Kopftuch nicht selber aus. Sondern sie tun das, weil ihre Familie darauf hinwirkt." Und hier müssen die Lehrkräfte die Kinder unterstützen – und nicht die Eltern.