Jacques Tilly ist Deutschlands bekanntester Karnevalswagenbauer und weltweit berühmt für seine bissige Satire. Einer seiner politischen Motivwagen tourt seit Monaten durch Polen und unterstützt dort die größte Oppositionsbewegung bei ihrem Einsatz für Demokratie. 

Normalerweise werden die aus Maschendraht und Pappmaché gefertigten Motivwagen von Jacques Tilly wenige Tage nach dem Rosenmontagsumzug wieder zerstört. Der Wagen "Raupen fressen Demokratie" von 2017 blieb jedoch verschont und rollt derzeit – nach einem Zwischenstopp in Tschechien – durch die Straßen von Polen. Dargestellt werden Kaczynski, Putin, Babis, Orban, Ziobro und auch Erdogan, wie sie als gefräßige Raupen an der Demokratie nagen.

Die Organisatoren der überparteilichen Bürgerinitiative Komitee Obrovny Demokracji (KOD), die sich für die Verteidigung der Demokratie in Polen einsetzt, waren so begeistert von dem Motiv, dass sie sich mit Jacques Tilly in Kontakt setzten. Sie fragten ihn, ob er ihnen den Wagen zur Verfügung stellt. Tilly sagte zu, und so tourt der Raupenwagen nun zum Ärger der rechtspopulistischen Regierung durch ganz Polen. 

15.000 Kilometer – 300 Städte – 60.000 Flugblätter

Inzwischen hat der Wagen auf einer Strecke von 15.000 Kilometern 300 Städte erreicht, in denen 60.000 Flugblätter unter reger Anteilnahme der polnischen Presse verteilt wurden. Jacques Tilly ist sehr erfreut über diesen unerwarteten Erfolg und erklärt gegenüber dem hpd: "Mir ist es wichtig, dass dieser Wagen ausgerechnet in Polen Wirkung zeigt, denn in keinem anderen Land der EU, abgesehen von Ungarn, ist das Konzept der offenen, liberalen und pluralistischen Gesellschaft so gefährdet wie in Polen. Zum Glück gibt eine Widerstandsbewegung gegen die autokratisch agierende PiS-Partei, und diesen Widerstand will ich auch weiterhin nach Kräften unterstützen." 

Auch vor Ort zeigte Tilly seine Unterstützung. Die Demokratieaktivisten der KOD hatten ihn und seine Frau Ricarda Hinz nach Krakau eingeladen. Dort sprach er bei einer Abschlusskundgebung, an der auch der von Jaroslaw Kaczynski entlassene oberste Verfassungsrichter Andrzej Rzeplinski teilnahm. In seiner Rede warnte Tilly vor dem Erstarken demokratiefeindlicher Kräfte: "Noch ist Polen keine Diktatur wie die Lukaschenkos in Weißrussland, aber Polen ist auf dem Weg dahin. Es entwickelt sich in Richtung einer Theokratie, in der die wichtigsten politischen Entscheider unter dem Einfluss radikaler katholischer Fundamentalisten stehen."

Eine zweite Tour ist geplant 

Die nächste Rundreise mit dem Raupenwagen soll schon demnächst beginnen. Denn viele Aktivisten hatten gebeten, die Tour auch durch ihre kleineren Städte und Dörfer fahren zu lassen, weil sie gerade hier besonders viel Aufsehen erregt. Damit der Motivwagen die weiten Strecken auch unter widrigen Wetterverhältnissen unbeschadet zurücklegen kann, wurde er zwischenzeitlich mit einem Glasfaser-Überzug konserviert.