STEISSLINGEN. (hpd) Denkverbote lockern, Gläubige zum Nachdenken über ihren Glauben anregen? Wer das will, setzt sich rasch dem Verdacht der Blasphemie aus. Die Frage, ob nicht das der eigenen Glaubensrichtung ins Konzept passende Gottesbild die eigentliche Blasphemie, das fundamentale Sakrileg darstellt, soll sich unter diesen Umständen erst gar nicht stellen. Den Gottesfrieden stört in dieser Sicht nur derjenige, der zum Denken anregt, nicht der fraglos Gläubige.
Sind aber die beklagten Tabubrüche schlichtweg verfolgenswerte Kulte des Bösen? Oder weisen Tabubrüche einen aufklärerischen Impetus auf, der obsolete Zeremonien sowie die oft menschenverachtenden Tendenzen einer Konfession zu Recht anprangert?
Blasphemie bezeichnet speziell das Verhöhnen von Glaubensinhalten und äußeren Formen der Religionsausübung. Personen oder Gruppen, die andere dieser Lästerung bezichtigen, verabsolutieren freilich ihr eigenes System. Sie leugnen, dass dieses nur eines von vielen möglichen ist. Für diese Sichtweise, die ein massives Gewaltpotenzial in sich tragen kann, bestehen allenfalls subjektive Kriterien: Wer den Vorwurf der Blasphemie erhebt, unterliegt häufig dem Einfluss von Verzerrungen in Verständnis und Gefühl.
Der einschlägige Paragraph unseres Strafgesetzbuches soll die Gläubigen vor Beschimpfungen und damit den öffentlichen Frieden schützen. Tatsächlich dient er überwiegend kirchlichen Interessen und schützt bestimmte Empfindlichkeiten.
Blasphemie gilt weithin als Instrument konservativ bis fundamentalistisch geprägter Gruppen, um emanzipatorische Forderungen zu stigmatisieren. Die tatsächlich existierenden religiösen Gefühle von Teilen der Bevölkerung werden benutzt, um Debatten von ihrem sachlichen Kern abzulenken. Dabei ist Meinungsfreiheit auch in Glaubensfragen gerade in Deutschland möglich und nutzbar. Das ist relativ selten auf der Erde.
Verschiedene neuzeitliche Staaten haben den Straftatbestand der Blasphemie gar nicht gekannt. Oder sie haben ihn mittlerweile aufgegeben. So die Niederlande im Jahr 2013. In der Bundesrepublik ist die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen noch immer strafbar, sofern sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden durch Hass und Hetze zu stören. Der Straftatbestand wird als überholt betrachtet. Deutschland, die verspätete Nation?
Heribert Prantl: "Man muss die Aufklärung verteidigen gegen eine Religionsauslegung, welche die Ausübung von Grundrechten für Blasphemie hält. Gewiss Kritik an der Religion und Spott gegen die Religion können religiöse Gefühle verletzen. Aber die bloße Verletzung von Gefühlen ist nicht strafbar… Es ist Kennzeichen des modernen aufgeklärten Staates, dass er dem Drang von Religionen und Heilslehren entgegentritt, den öffentlichen Raum nach ihren Glaubensüberzeugungen zu gestalten und ihre Grundsätze über die Grundrechte zu stellen."
Nebenbei: Ein Allmächtiger, der von seinen Geschöpfen gelästert werden kann, ist ein schwacher Gott. Benötigen Götter ihre unbefleckte Ehre, sollen sie sich selbst um sie kümmern.
Wer ist denn nun blasphemisch, wer lästert Gott in Wort und Tat? Wer Gott als Haßprediger verkündigen lässt? Oder wer auf solche biblischen Tatsachen verweist? Und wer kann den öffentlichen Frieden stören? Wer Gott als einen hochgerüsteten Hetzer predigt, wie das die Bibel auf weite Strecken hin tut? Oder wer ein solches Gottesbild unerträglich findet und sich verpflichtet fühlt, das auch offen zu sagen?
Blasphemie ist wahrscheinlich am häufigsten unter den Verfechtern des orthodoxen Dogmas anzutreffen. Das Gottesbild dieser Kleingruppe lästert Gott. Umso nachdrücklicher wird dieser Frevel als verbindliche Vorlage für den Glauben aller ausgegeben.
Da die Kirche zumindest als Arbeitgeberin nach wie vor über Einfluss verfügt, wundert es nicht, dass sie nach Abhilfe ruft, wenn sie sich betroffen wähnt. Jeder auch nur vermeintliche Angriff soll geahndet werden. Und geht es gegen die Kritiker einer Konfession, reichen sich Staat und Kirche in Deutschland, und fast nur in diesem vorgeblich christlichen Land, beflissen die Hand.
Doch die großen Deutschen Lessing, Kant, Nietzsche benutzten keine Staatsanwälte, um ihr Denken zu sichern. Von daher gesehen, beweisen bestimmte Gläubige Schwäche. Wer nach der Polizei ruft, um seinen Gott zu schützen, zeigt sein Gesicht. Müssen Strafen Mitbürger treffen, die jenen lästern, den niemand kennt? Soll unsere Justiz verfolgen, wer die Schuldigen entlarvt?
15 Kommentare
Kommentare
Karol Dittel am Permanenter Link
Ich fand das schon früher sehr schräg.
Jemand hat aufgrund einer nicht beweisbaren Entität irgendwelche "Gefühle" und ein Außenstehender muss das auch ernst nehmen. Mehr noch... aufgrund einer nicht beweisbaren Entität ist ein ganzes Glaubenskomplex entstanden den man als ein Außenstehender ernst nehmen muss. Und zwar kritiklos, wenn der Blasphemie-Paragraph bestand haben sollte.
Auf der selben Grundlage könnte sich doch jetzt ein Insasse einer Nervenanstalt, der sich für Napoléon hält, vor Kritik währen. Könnte... er hat aber keine Lobby wie die Gläubigen einer Weltreligion. Aber für mich ist das das gleiche...
Rainer Buchheim am Permanenter Link
"Ein Allmächtiger, der von seinen Geschöpfen gelästert werden kann, ist ein schwacher Gott. Benötigen Götter ihre unbefleckte Ehre, sollen sie sich selbst um sie kümmern."
Das steht sogar so in ihrer Bibel:
"Rächet euch selber nicht, meine Liebsten, sondern gebet Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr. " (Röm 12;19)
Karol Dittel am Permanenter Link
Ist das nicht egal was da, in dem besagten Büchlein, steht ? Die Bibel hat ja auch kein Gott geschrieben sondern irgendwelche alten Männer...
Es ist aber schwierig sich in die Rollen und Gemütszustände der Menschen der damaligen Epoche hinein zu versetzen. Würde mir heute jemand etwas erzählen, dass ihm irgend ein Gott etwas zugeflüstert hat würde ich ihm klar einen "Vogel zeigen", mich danach umdrehen und ihn sich selbst überlassen und versuchen ihn künftig zu meiden.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Richtig, Rainer! Auf den (durchaus geschätzten) Heribert Prantl: "[...] Kritik an der Religion und Spott gegen die Religion können religiöse Gefühle verletzen [...]" kann ich nur antworten: Na UND?
Oskar Degen am Permanenter Link
ibs. die maßlose Überhöhung von uralten Texten als "Heilige Schriften" oder von toten und auch lebenden Personen als "Heilige" verletzt meine Gefühle (z.B. für Wahrhaftigkeit) aufs Gröbste.
Hier noch ein Zitat das die Problematik der Blasphemieparagraphen n.m.M. bestens beschreibt:
"Gotteslästerung; denn niemand kann beweisen, daß der Gelästerte, der Beleidigte existiert, noch kann man beweisen, daß, wenn er existiert, er jemandem das Mandat gegeben, für ihn einzutreten; noch beweisen, daß er, selbst wenn beleidigt [»beschimpft«], nicht verzeiht. Und wenn man die Sache so auffaßt, daß allgemeine Gefühle beleidigt werden, so kann man auch sagen, daß bereits sehr viele in ihrem Wahrheitsgefühl verletzt sind, wenn man das Dasein Gottes annimmt und noch mehr, wenn man diese Meinung aufdrängen, sogar deren Gegenteil strafen will.
Josef Popper-Lynkeus (1838 - 1921 in Wien), österreichischer Sozialphilosoph und Schriftsteller
Quelle: »Philosophie des Strafrechts«
J.A.Schmidt am Permanenter Link
Kritik an der römischen Kirche ist nicht Kritik an Gott oder Jesus Christus; die Kirche ist nicht der Leib Christi, wie Papst Franziskus sagt.
Allein schon den Vater-Gott als ewig verdammenden Gott darzustellen, ist ein Verstoß gegen das zweite Gebot, also wirkliche Blasphemie.
Werner Rupp am Permanenter Link
Ich bin ein überzeugter Christ, aber was habe ich mit einem Atheisten zu tun, der meine "Denkverbote" lockern will (die es bei mir gar nicht gibt) und mich zum Nachdenken über meinen Glauben anregen will (wa
Nichts!! Ein Atheist hat mir nichts zu sagen und nichts zu bieten.
Horst Herrmann am Permanenter Link
Herr Rupp, meinten Sie mit dem "Atheisten" etwa mich? Können Sie für diese Annahme einen Beleg erbringen?
Werner Rupp am Permanenter Link
Herr Herrmann, wer Mitglied im IBKA ist, ist doch ein Atheist, oder etwa nicht?
Horst Herrmann am Permanenter Link
Herr Rupp, informiert sein ist immer besser: Zum einen ist der IBKA nicht nur eine Organisation für Atheisten, sondern auch, wie schon der Name sagt, auch für Konfessionsfreie.
Werner Rupp am Permanenter Link
Schade, Herr Herrmann. In Who is Who werden Sie als IBKA-Beirat bezeichnet. Im IBKA selbst wurden Sie zum 65. Geburtstag geehrt und als Beirat bezeichnet.
Aber wie dem auch sei und wie ich schon sagte: Ich weise alles zurück, was von Atheisten kommt, alle "klugen" Vernunftschlüsse und Belehrungen, einfach alles. Das ist meine Art, mit Blasphemie umzugehen, denn auch ich brauche keine Staatsanwälte, um mein Denken zu sichern.
Manfred Mühlbacher am Permanenter Link
"Ich weise alles zurück, was von Atheisten kommt, alle "klugen" Vernunftschlüsse und Belehrungen, einfach alles. Das ist meine Art, mit Blasphemie umzugehen"
@Herr Rupp,
Sie scheinen es noch immer nicht kapiert zu haben: Niemand gibt Ihnen einen Rat oder kluge Belehrungen! Ich schalte einfach den "Filter" ein oder erlaube mir einen "Blinden Fleck". Also wie schon gesagt ... keine Belehrung!
ps:Zum Thema 'Blinder Fleck'
http://www.diewahrheit.at/blog/wie-dumm-darfs-sein
Karol Dittel am Permanenter Link
@Werner Rupp
Herr Rupp... Niemand spricht Sie direkt an. Und niemand will Ihnen direkt etwas sagen. Menschen sprechen dennoch was sie denken. Es ist ihre Aufgabe sich einen Filter zuzulegen nachdem sie die Dinge filtern können welche Sie hören möchten und welche nicht. Das ist nicht z.B. mein Job auch nicht der anderen Atheisten. Und Ihnen etwas anbieten will erst recht keiner. Atheismus ist keine Handelstransaktion. Wir verkaufen nichts an der Tür.
Viellicht lehne ich mich gerade zu weit aus dem Fenster wenn ich gerade auch für andere Atheisten gesprochen. Aber vielleicht auch nicht. Wie dem auch sei... Sie haben anscheinend aber uns etwas zu sagen, sonnst hätten Sie nicht die Kommentarfunktion dieses Blogs bemüht. Und jemand antwortet Ihnen sogar, weil sein Filter gerade so ziemlich kaputt ist ;)
Manfred Mühlbacher am Permanenter Link
'Ein Atheist hat mir nichts zu sagen ... und was habe ich mit einem Atheisten zu tun'.
Klingt ziemlich überheblich! Und Schade auch ... denn ohne Austausch von Ideen und Gedanken wären wir höchstwahrscheinlich immer noch in der Steinzeit und glaubten an Wald- und Berggeister aller Art. Den Schritt vom Animismus, über Polytheismus zum Monotheismus hat die Menschheit größtenteils schon getan ... 15-30% der Weltbevölkerung hat selbst die letzte große Fiktion auch schon hinter sich gelassen. Große Einsichten brauchen Zeit, viele Köpfe und Kooperation und nicht Isolation!
horst herrmann am Permanenter Link
Mein Schlusswort: Obwohl ich selbst an einen Gott glaube, der nichts mit der Kirche zu tun hat (mein nächstes Buch handelt davon), sind meine liebsten Freunde Atheisten.