Boah! Echt too much, was die Leute für einen Blödsinn in seinem Namen machen

Gott zieht die Urlaubskarte

Leute hängen sich auf wegen ihm. Leute speicheln seinen heiligen Leib ein. Leute essen ... ach, lassen wir das. Gott hat heute wieder einen seiner echt müden Tage.

Gott schwächelt im Moment ein bisschen, er kommt mit den Klimaumschwung nicht so gut klar und ist ansonsten zu sehr mit der WM beschäftigt. Vielleicht ist es, nach all den Jahrtausenden des Sichkümmerns, einfach auch mal eine natürliche Erschlaffung, die sich da bemerkbar macht. Nach dem Weltschaffen musste Gott sich ja auch eine Pause gönnen, schon nach sechs schlappen Tagen, und was ist das Erschaffen einer Welt gegen die ständige Kontrolle und Wartung derselben? Da rutscht dem Allmächtigen vielleicht ab und an etwas durch. Das ist doch nur menschlich, beziehungsweise, eben göttlich. Gott kann sich bei aller Liebe nicht um alles kümmern, und der ganze Witz an der Weltschöpfung war doch wohl eher die Vorstellung, zurückgelehnt ein bisschen zuzuschauen was abgeht, so wie bei der Modelleisenbahn im Keller, so wie bei den "Sims" im Computer. Wieso sollte man eine Welt schaffen, die nicht von selber läuft und man sich um alles ständig kümmern muss?

Neulich etwa haben sich in Indien elf Menschen, eine ganz Familie, erhängt. Sie waren sehr religiös, und sie hatten ihre Selbsterhängung nicht etwa als Gruppensuizid vorgesehen, sondern eher als einen Gottesbeweis: Die Ermittlungen deuten darauf hin, dass das Ritual mit der Errettung sämtlicher Selbsterhänger durch den lieben Gott enden sollte. Und mal ehrlich, ist das nicht Erpressung? Wenn Gott irgendwie nur noch die Funktion eines Reset-Knopfs zukommt, wenn man ihn, durch okkultes Gesummsel richtig zu betätigen weiß? Als numinoses Wesen, das schon Leute soweit in den Wahnsinn getrieben hat, dass sie bereit waren, den eigenen Sohn zu schlachten, würde man doch ein wenig mehr Respekt erwarten, und Gott also hat sich aus seinem Wolkensessel nicht erhoben, als die Religiösen sich die Schlingen um die Hälse legten.

Wird er vielleicht allmählich depressiv? Neidet er seinen Fans die Möglichkeit, sich am Ende des Lebens in eine andere Welt katapultieren zu können? Er selber ist ja immer nur im Einsatz, nichts zu essen, nichts zu trinken, seit der Zeiten Anbeginn. Das alles nervt ihn doch oft, vor allem, dass er gegen die von ihm selbst zu verantwortende Dummheit unter den Menschen nichts tun kann, wenn sie etwa darauf aus "religiösen" Gründen darauf verzichten, sich medizinische Hilfe zu holen, wenn ihr Baby in Lebensgefahr schwebt.

Oder wenn sie, wie kolportiert wird, Erbrochenes essen, weil sich darin die Überreste einer geweihten Hostie befinden, mithin also das leibliche Fleisch des Erlösers, also seines, des Gottes, das er angeblich gern milliardenfach anlutschen und einspeicheln lassen mag, wenn Gottesdienste anstehen rundum auf der Welt, nun ja, uns allen wird ja mal langweilig zumute.

Gott, ganz ehrlich, hat gerade so ein bisschen die Urlaubskarte gezogen. Er lässt sich sogar vom Präsidenten der Philippinen öffentlich beleidigen, ohne nun Blitze und Pest vom Himmel regnen zu lassen. Schmähungen aller Art ist er in den langen Jahrtausenden seit seiner eigenen Erfindung gewohnt und hat sich mit der Zeit ein dickes Fell zugelegt. Zu mosern haben die Leute ja immer: Krieg, bla, bla, Hungersnot, bla, bla, Kindersterblichkeit, gähn, Folter und Krankheit und Tod, bla, blu, blapp. Den Leuten fehlt einfach mal ein kleiner Perpsektivwechsel, denkt Gott oft, entspannt euch mal.

Das ständige Verehrtwerden ist ihm zusehends lästig geworden, viel spannender erscheinen ihm doch Menschen, die den Zusammenhang der Dinge erforschen, statt sich ständig als unterwürfige Bittsteller an ihn zu wenden. Immer auf die Knie, immer auf den Teppich, Händchen hübsch im Schoß, habt ihr denn keine Selbstachtung, Leute? Aber deren Erkenntnisinteresse an Gottes liebevoll hingebastelter Welt wird doch meist vom Wohlfühlinteresse getoppt, von der Seligkeit, die in den kindertauglichen Märchengeschichten wohnt. Mittlerweile braucht man noch nicht mal Götter, um sich selbst die Welt zu vernebeln. Energien tun es auch. Was tust du, wenn ein Berglöwe in dein Haus spaziert und sich erst mal hinterm Sofa ablegt? Machst du dich schlau über Berglöwenbedürfnisse, um den Gast wieder hinauszukomplimentieren, rufst du professionelle Hilfe, Leute vielleicht, die sich mit Berglöwen auskennen?

Nein, du erst mal gehst du ganz tief in dich (während der Berglöwe pooft). Dann erkundest du "Energien" (während der Berglöwe pooft). Dann nimmst du "telepathisch" eine "Verbindung" auf mit dem (poofenden) Berglöwen. Erklärst ihm, wie er nach dem Ausgepoofthaben wieder nach Hause kommt, zurück in den Wald, den er ohne deine Hilfe ja sicher niemals wiederfinden würde. Und dann (während der Berglöwe noch pooft) setzt du dich in halbwegs sicherem Abstand auf deine Treppe hoch oben und fängst an, ziemleich nervig auf einer Art Trommel herumzuklopfen. So stellst du sicher, dass die "Energien" ihn jetzt irgendwie bald hinaus und zurück dorthin geleiten werden, wo er hingehört und die Tiere des Waldes es nicht wagen, ihn mit Perkussionsinstrumenten zu behelligen. Und siehe da, es funktioniert! Der Berglöwe kommt hinterm Sofa hervor, es ist wie ein Wunder! Und trollt sich aus dem Haus. 

Gott hat dem Treiben mit mäßigem letztem Interesse zugesehen. Soll er hier eingreifen und dem Berglöwen mal ein bisschen Respekt verschaffen? Ach was, tausend Mal hat er erlebt, tausend Mal gesehen, dass Leute sich jubelnd in Bärengehege begeben und was es dergleichen mehr an tödlicher Tierverkennung geben mag. Und was wäre gewonnen, wenn der Berglöwe sich auf die Hausbesitzerin stürzt? Dann wäre zwar das Getrommel endlich vorbei. Dafür käme irgendwann Tatütata, und auf die Katze würde sicher auch irgendwann geschossen.

Gott, das ist ein Job, um den einen keiner beneidet. Ihn anbeten, wenns gerade in den Kram passt, sich als sein Stellvertreter ausgeben, wenn man sich gerne wichtig tut, Mützchen und brodierte Kutten trägt, das ja. Da machen viele gerne mit. Aber selber in der höchsten Verantwortung stehen? Noch mal in Indien, hat Gott jetzt gesehen, tun Schauspieler seinen Job. Da hat die Polizei einen Schauspieler als den Gott des Todes ausstaffiert, und der steht dann also in voller Kostümierung am Straßenrand und droht den Motorradfahrern, die ohne Helm unterwegs sind. Da macht Religion doch mal unmittelbar Sinn! Sie dient nicht zur Ausgrenzung von Minderheiten und Andersgläubigen, dient nicht der Unterdrückung von Frauen, dient nicht zur Unterjochung und Ausbeutung von wem auch immer. Religion hilft hier bei der Sicherheit im Straßenverkehr. Endlich mal eine Aufgabe, die der Vernunft unter den Menschen ein bisschen auf die Sprünge hilft – und Spaß macht! Schauspieler, denkt Gott, vielleicht solle ich auch mal wieder auf die Erde kommen, in Gestalt eines Schauspielers. Ich trüge ein Jesuskostüm, ich tauchte auf bei der nächsten Pressekonferenz vom Seehoferhorst, und gerade wenn er wieder etwas besonders Widerwärtiges zu sagen anhebt, tippe ich ihm, freundlich lächelnd, auf die Schulter. Mal sehen, wie der Seehoferhorst sich dann erschrickt! Oder ob er mich direkt in Gewahrsam nehmen lässt.