Kommentar

"Ich finde dich scheiße, aber deine Story ist geil!"

Amed Sherwan hat dem Islam abgeschworen. Seitdem interessieren sich auch viele Fremdenfeinde für seine Geschichte. In einem Kommentar erklärt er, was er davon hält.

Vor einem Jahr habe ich eine selbsternannte Islamkritikerin kennengelernt. Ich fand sie erst mal interessant mit ihren deutlichen Worten gegen den Islam. Nach kurzer Zeit stand aber für mich klar, dass sie sich nicht für meine Meinungen interessierte, sondern einfach meine Story nützlich fand. Und das sagte sie mir dann sogar direkt ins Gesicht.

Seither ist mir sowas oft passiert. Und auf Facebook wird es besonders deutlich. Mich freunden Leute an, weil ich mich vom Islam distanziere. Meine Geschichte liefert ihnen den Beweis dafür, wie scheiße der Islam ist. So weit, so gut, das sehe ich ja auch so. Aber wenn ich dann erkläre, dass ich deswegen noch lange nicht alle Muslime hasse oder als gefährlich einstufe, finden sie mich scheiße.

Als ich in einem Post die europäische Flüchtlingspolitik kritisiert habe, ist dieser netterweise auf der atheistischen Facebookseite "Die Atheisten" geteilt worden. Seither hagelt es die krassesten Aussagen von Leuten, die Flüchtende nicht als Menschen, sondern als "Dreckspack" sehen. Ich habe mich nicht nur vom Islam abgekehrt, weil ich nicht an Allah glaube, ich distanziere mich auch vom Sexismus und der Abwertung von Ungläubigen in der traditionellen muslimischen Kultur. Und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wird nicht besser, weil es Muslime trifft.

Ich bin selber in der muslimischen Kultur aufgewachsen, meine Eltern, Geschwister und besten Freunde sind Muslime. Ich finde ihren Glauben absurd und viele ihrer Wertvorstellungen furchtbar, aber deswegen hasse ich sie noch lange nicht. Und natürlich sollen sie nicht verrecken oder kein Anrecht auf faire Asylverfahren haben. Wie krank wäre das denn und mit welchem Recht könnte ich die Menschenverachtung der Islamisten kritisieren, wenn ich genau solche Verachtung anderen Gruppen gegenüber hätte?

Mir geht es um Aufklärung, nicht um Ausgrenzung! Früher musste ich mich deswegen vorwiegend mit Islamisten streiten. Jetzt sind die Rassisten, mit denen ich mich streite in der Überzahl. Sie interessieren sich nicht für Fakten, sondern suchen nur geile Storys, die ihr Weltbild bestätigen. Darin ähneln sie den Islamisten.

Viele Muslime, die ich kenne, sind in Strukturen aufgewachsen, wo sie keinen Zugang zu freien Informationen hatten. Sie hatten keine Vergleichsmöglichkeit und wussten es nicht besser. Viele von ihnen öffnen sich hier langsam und hinterfragen die Wertvorstellungen, mit denen sie aufgewachsen sind. Die meisten Islamhasser, die ich hier kennenlerne, haben aber Zugang zu Informationen und sollten es besser wissen. Deswegen frustrieren sie mich fast noch mehr. 

Es nervt mich eigentlich, dass ich meinen Fokus nicht auf Islamkritik setzen kann. Und irgendwie nervt es mich auch, dass sie mir jeden Tag zeigen, dass der Islam nicht das Grundproblem ist, sondern nur eine von vielen menschenfeindlichen Bewegungen in der Welt.