Normalerweise hoffen Angeklagte auf einen Freispruch – nicht so die Ärztin Kristina Hänel. Um den umstrittenen § 219a StGB juristisch zu kippen, durfte sie in der heutigen Gerichtsverhandlung am Landgericht Gießen nicht freigesprochen werden. Nach der "erfolgreichen Niederlage" in Gießen kann Kristina Hänel nun Revision einlegen und ist damit einen Schritt weiter auf dem Weg zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Gerichtsverhandlungen wie diese dürfte es selten geben. Denn alle Beteiligten, Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Richter, waren sich in den allermeisten Punkten einig: Niemand bestritt, dass Kristina Hänel gegen § 219a StGB verstoßen hat, als sie auf ihrer Homepage darauf hinwies, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Konsens bestand auch darin, dass dieser Paragraph in seiner jetzigen Form kaum zu halten sei. Richter Nink machte dies nicht zuletzt in der mündlichen Begründung des Urteils deutlich. Er zeigte offen seine Sympathien für die Ziele Hänels und sprach von einem "fürchterlichen Kompromiss" und "unausgegorenen Strafrechts-Paragraphen", der seiner persönlichen Meinung nach revidiert oder abgeschafft werden müsste. Hierfür seien jedoch die Bundespolitiker bzw. die Richter des Bundesverfassungsgerichts verantwortlich, nicht das Landgericht Gießen, das sich an die bestehenden Gesetze zu halten habe.
In einem entscheidenden Punkt wollte Richter Nink der Argumentation von Karlheinz Merkel, dem Verteidiger von Kristina Hänel, nicht folgen. Merkel hatte vor Gericht in brillanter Weise vorgetragen, dass § 219a mit einer unzulässigen Einschränkung der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) einhergeht und daher verfassungswidrig sei. Prinzipiell hätte das Gericht daher die Möglichkeit gehabt, das Verfahren gemäß Art. 100 GG auszusetzen und das Bundesverfassungsgericht einzuschalten. Richter Nink merkte dazu an, dass er zwar Zweifel an der Verfassungskonformität von § 219a habe, dass diese Zweifel aber nicht so erheblich seien, dass er auf ihrer Basis ein Normkontrollverfahren einleiten könne. Kristina Hänel wird also auf dem Weg nach Karlsruhe durch weitere Instanzen gehen müssen. Das mag dauern, aber dass § 219a StGB irgendwann fallen wird – davon sind Kristina Hänel und ihre vielen Unterstützerinnen und Unterstützer felsenfest überzeugt.
8 Kommentare
Kommentare
Andreas Leber am Permanenter Link
Na - dann gratulieren wir mal zur Niederlage!
Weiter so.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Viel (gibt es eine Steigerung von 'viel'?) Erfolg weiterhin!
Andrea Pirstinger am Permanenter Link
Auch ich gratuliere Kristina Hänel- vorausdenkend zu einem "Sieg" in dieser Sache/Angelegenheit für diese Frau/Ärztin - und damit für viele.
Es braucht viel Geduld, Durchhaltevermögen.
Christian Nentwig am Permanenter Link
Guten Tag, Frau Hänel, wenn das so ist, dann Glückwunsch zu dem der Sache dienlichen Gerichtsurteil. Beeindruckt hat mich auch die klare Stellungnahme des Richters Rink.
Christian Nentwig
Eva Vogt am Permanenter Link
Gratulation..auch für Ihren Mut und dafür, dass sie nicht aufgibt; denn mit der Abschaffung, des § 219a, das hilft uns allen. Eva Vogt
CnndrBrbr am Permanenter Link
Dieser Paragraf ist eine Schande für unser Land.
Helene am Permanenter Link
Der Gesetzgeber hat hier wohl Probleme, das Internet zu verstehen - wenn ich auf meiner Homepage meine Dienstleistungen anbringe, ist das genausowenig "Werbung", wie ein Namensschild an der Haustür (oder die
Günther Grau am Permanenter Link
Frau Kristina Hänel ist alleingelassen worden von den Politikern und der Gesellschaft. Frau Angela Merkel, ich sage ausdrücklich nicht "Bundeskanzlerin", ist eine Frau.
Wir ziehen keine Gelbwesten an, egal was kommt! Wir sind die geduldigen Lämmer und schweigen!
Seit gestern ziehe ich, wenn ich ausser Haus gehe, die GELBWESTE an! Ich bin schon darauf angesprochen worden. Ich sage dann, dass nichts mehr in diesem Lande stimmt.
Wir ändern nichts mit den Politikern, die uns heute regieren. Diese Politiker sind vom Intelekt her nicht das, was sie sein sollten. Sie verdienen nur das 2 1/2 fache des Durchschnittsverdiensten. Jemand, der darüber verdient, geht nicht in die Politik. Er müsste sich ja mit Leuten wie AKK, Olaf Scholz, Andrea Nahles und uns HeiGo Maas auseinandersetzen!