Ein wichtiges Thema wird verschenkt:

Die Kritik des Islam und die Ignoranz der Linken

Der Journalist Samuel Schirmbeck fordert in seinen beiden Büchern "Der islamische Kreuzzug und der ratlose Westen" und "Gefährliche Toleranz" zu mehr Kritik am Islam auf, wobei insbesondere Ignoranz der Linken und ihre falsche Toleranz beklagt werden. Der Autor verschenkt indessen ein wichtiges Thema, hat doch Islamkritik nicht notwendigerweise etwas mit Muslimenfeindlichkeit zu tun, gleichwohl bedarf es hier doch einer differenzierteren und sachkundigeren Erörterung von komplexen gesellschaftlichen Phänomenen.

Eine Kritik an dem Islam und den Muslimen wird gelegentlich unterlassen, um damit nicht Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu befördern. Gleichzeitig führt die damit einhergehende Ignoranz aber zu einem bedenklichen Menschenrechtsrelativismus, der mit dem Anspruch der Aufklärung nur schwerlich in Einklang zu bringen ist. Dieses Dilemma bedarf der differenzierten Reflexion. Denn Islamkritik hat nicht notwendigerweise etwas mit Muslimenfeindlichkeit zu tun. An differenzierten Beiträgen dazu mangelt es indessen. Diese Einschätzung kann auch nach der Lektüre zweier Bücher aufrechterhalten werden, welche in Ankündigung und Titelwahl so etwas versprechen. Gemeint sind damit "Der islamische Kreuzzug und der ratlose Westen. Warum wir eine selbstbewusste Islamkritik brauchen" und "Gefährliche Toleranz. Der fatale Umgang der Linken mit dem Islam". Der Autor von beiden ist der Journalist Samuel Schirmbeck, der für die ARD zehn Jahre lang über den algerischen Bürgerkrieg und die Entwicklungen in Marokko und Tunesien berichtete.

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Im erstgenannten Buch kritisiert er den häufig auszumachenden Reflex, wobei nach Anschlägen in Europa oder Repressionspolitik in der Region mit: "Das hat nichts mit dem Islam zu tun" reagiert wird. Denn: "Überall auf der Welt, wo der Islam Macht bekommt, werden Frauenrechte und Gedankenfreiheit eingeschränkt, Minderheiten verfolgt. Darauf hinzuweisen, auf diesen gefährlichen Kern des Islam und nicht irgendeines 'Islamismus' … wird von der Linken als 'islamophob' gegeißelt" (S. 50 f.). Man solle einräumen, "dass Islam und Islamismus sich nicht voneinander trennen lassen!" (S. 53). Diese Grundauffassung zieht sich dann durch den ganzen Text. Der Autor berichtet von Grausamkeiten in der islamisch geprägten Welt, wobei er immer wieder konkrete Beispiele aus seiner journalistischen Recherchearbeit heranzieht. Er spricht auch die in Europa aktiven Islam-Verbände an, welche eine rückwärts gewandte Position vertreten würden. Immer wieder kritisiert der Autor darüber hinaus die Ignoranz der Linken gegenüber diesem Problem.

Darauf konzentriert sich dann auch das zweite Buch, das ein "Appell an die Linke" sein will: "Sie sollte aufhören, via Islam-Toleranz Deutschland zur Relais-Station für den weltweiten islamischen Obskurantismus zu machen" (S. 8). Die damit gemeinten SPD, Grüne und Linke würden so den Fundamentalismus fördern und sich damit auch gegen reformwillige Muslime stellen. Die Auffassung des Autors gipfelt in dem Satz: "Die Linke islamisiert Deutschland mehr als der Islam" (S. 47). Als Beleg dafür erwähnt er die Debatte um das "Kopftuch", wobei Linke dies um der Religionsfreiheit willen verteidigen würden. Es gebe eine falsche Toleranz mit fatalen Wirkungen. Dazu heißt es: "Dieser Machtergreifung des muslimischen Mannes über den weiblichen Körper gehört die Gunst fast der gesamten deutschen Nachachtundsechziger-Linken" (S. 94). Und im Fazit wird formuliert: "Die Linke sollte ihr Schuldgefühl gegenüber der deutschen Hölle und der Islam sein Schuldgefühl gegenüber dem Himmel in verantwortliche rational-humane Politik verwandeln" (S. 166).

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Wie die Inhaltsangabe und die Zitate schon verdeutlichen: Der Autor schreibt nicht sonderlich differenziert, aber wortgewaltig. Es ist auch auffällig, dass er seine Angaben in Fußnoten nicht belegt. Denn es darf bezweifelt werden, ob die angesprochenen Politiker das auch so gemeint haben, wie es Schirmbeck darstellt. Es geht auch mehr um eine Art Bekenntnisschrift, weniger um ein Sachbuch. Denn der Islamismus hat durchaus etwas mit dem Islam zu tun, womit der Autor richtig liegt. Gleichwohl kann beides nicht gleichgesetzt werden. Es gibt eine bestimmte Kompatibilität, was aber nur die differenzierte Wahrnehmung erkennt. Dass die Linke häufig genug einen Menschenrechtsrelativismus mitträgt, ist eine angemessene Kritik, die sich gleichwohl nicht auf alle Linken übertragen lässt. Der Autor ignoriert die dort doch vorhandenen kritischen Stimmen. Durch Pauschalisierung und Poltrigkeit wird so ein wichtiges Thema verschenkt. Islamkritik im aufklärerischen Sinne ist nötig, aber nicht in dieser Form und auf diesem Niveau.

Samuel Schirmbeck, Der islamische Kreuzzug und der ratlose Westen. Warum wir eine selbstbewusste Islamkritik brauchen, Zürich 2017 (Orell Füssli-Verlag), 285 S.

Samuel Schirmbeck, Gefährliche Toleranz. Der fatale Umgang der Linken mit dem Islam, Zürich 2018 (Orell Füssli-Verlag), 166 S.