Missbrauch in der katholischen Kirche

Generalstaatsanwaltschaft Koblenz lehnt Ermittlungen nach kirchlicher Missbrauchsstudie ab

Weder die im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie zum Missbrauch in der katholischen Kirche noch Anzeigen von Strafrechtsprofessoren können die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz zur Aufnahme von Ermittlungen bewegen. Die in der Studie genannten Hinweise auf mögliche Tatzeiten, Tatorte, beteiligte Personen und Tathandlungen seien zu unkonkret, um Ermittlungen aufnehmen zu können. 

Im September 2018 wurde die Studie "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" (MHG-Studie) veröffentlicht. Die untersuchten Akten aus den Jahren 1946 bis 2014 offenbarten laut der an der Studie beteiligten Wissenschaftler ein erschütterndes Ausmaß des Missbrauchs in der katholischen Kirche und der Vertuschung dieses Missbrauchs durch katholische Geistliche.

Die Veröffentlichung der Studie sorgte in den Medien für einen Aufschrei des Entsetzens. Die Staatsanwaltschaften hingegen schienen aus der Studie keine Konsequenzen für eine mögliche Strafverfolgung zu ziehen. Aufgrund der weitgehenden Untätigkeit der Justiz entschlossen sich Ende Oktober 2018 sechs renommierte Juraprofessoren in Verbindung mit dem Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) Strafanzeigen gegen Unbekannt wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern bei jenen Staatsanwaltschaften einzureichen, die für die 27 Diözesen in Deutschland zuständig sind. Ziel der Anzeigen der Strafrechtsprofessoren Dieter Rössner, Rolf Dietrich Herzberg, Eric Hilgendorf, Reinhard Merkel, Ulfrid Neumann und Holm Putzke war es, die jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften zur Aufnahme von Ermittlungen gegen die katholische Kirche der jeweiligen Diözese zu bewegen. Die Aufnahme von Ermittlungen betrachteten die Strafrechtsprofessoren nach der Veröffentlichung der Ergebnisse der Missbrauchsstudie als zwingend notwendig.

Am vergangenen Donnerstag reagierte nun die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz auf die bei den Staatsanwaltschaften Mainz und Trier eingegangenen Strafanzeigen. Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz erklärte, dass sie die Verfahren an sich gezogen habe, da im Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz Pfarreien der Bistümer Köln, Limburg, Mainz und Trier lägen. Ferner erklärte sie, dass sie "nach Prüfung des Vortrags in der Strafanzeige und Auswertung der MHG-Studie" die Aufnahme von Ermittlungen ablehne, da "sich weder aus der Strafanzeige der sechs Strafrechtsprofessoren noch aus der öffentlich gemachten Studie zureichende tatsächliche Hinweise auf eine nach Tatzeit, Tatort, betroffener und handelnder Person sowie Tathandlung eingrenzbare verfolgbare Straftat ergeben" hätten.  

Dennoch, so Generalstaatsanwalt Brauer, habe die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz "aus Anlass der Veröffentlichung der MHG-Studie die bischöflichen Ordinariate in Köln, Limburg, Mainz und Trier aufgefordert, Unterlagen zu sämtlichen den Geschäftsbereich der Generalstaatsanwaltschaft betreffende Verdachtsfälle vorzulegen". Die bischöflichen Ordinariate seien der Aufforderung nachgekommen und die Unterlagen würden nun von den örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften ausgewertet. Da eine erste Durchsicht gezeigt habe, dass "zahlreiche Fälle bereits in der Vergangenheit angezeigt und strafrechtlich verfolgt worden" seien, sei "davon auszugehen, dass lediglich in Einzelfällen Anlass bestehen wird, neue Ermittlungsverfahren einzuleiten".

Die Strafrechtsprofessoren, die im Oktober die Strafanzeigen gegen Unbekannt wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern bei den Staatsanwaltschaften eingereicht hatten, zeigten sich über die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz verwundert. Professor Holm Putzke teilte der Deutschen Presse-Agentur mit: "Die Begründung der Generalstaatsanwaltschaft ist in mehrfacher Hinsicht grob fehlerhaft. Entweder es gibt einen Verdacht, dann ist die an die Bistümer gerichtete Bitte um Vorlage sämtlicher den Geschäftsbereich betreffenden Verdachtsfälle rechtens, oder es gibt keinen, dann hat die Staatsanwaltschaft die Bistümer in Ruhe zu lassen. Beides geht nicht."