Missbrauchsskandal – Ermittlungsgruppe "EG 320-Reißwolf" nimmt Arbeit auf

Bundesweite Razzien: Akten aus allen Bistümern beschlagnahmt

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Das Bonner Münster, die katholische Hauptkirche der Stadt, in der die Deutsche Bischofskonferenz ihren Sitz hat.
Das Bonner Münster

In einer gemeinsamen Aktion aller für die Bistümer zuständigen Staatsanwaltschaften wurden am Montagmorgen Akten in sämtlichen Diözesen Deutschlands sichergestellt. Eine eigens eingerichtete Ermittlungsgruppe soll nun Hinweise auf bisher unbekannte Täter und die Verantwortlichen für die Vertuschungen zutage fördern.

Am Montag wurden in allen 27 deutschen Diözesen Razzien durchgeführt. Dabei wurden mehrere Regalkilometer an Akten beschlagnahmt, die Aufschluss über das tatsächliche Ausmaß des Missbrauchsskandals geben sollen. "Nachdem aufgrund der freiwilligen Herausgabe von Akten durch die Bistümer keine einzige Anklage erhoben werden konnte, müssen wir leider davon ausgehen, dass die Bistumsverantwortlichen den Ermittlungsbehörden bewusst nur jenes Material zur Verfügung gestellt haben, das nicht genügend Hinweise für ein Strafverfahren liefert oder bei denen die Taten verjährt beziehungsweise die mutmaßlichen Täter bereits verstorben sind. Daher mussten wir nun selbst aktiv werden, bevor auch die bisher nicht bekannten Fälle verjähren", sagte ein Sprecher des Generalbundesanwalts auf einer Pressekonferenz gestern Nachmittag, die per Livestream übertragen wurde.

Normalerweise ist der Generalbundesanwalt für die Verfolgung von Staatsschutzdelikten wie Terrorismus oder Spionage zuständig. In diesem Fall hatte er im Auftrag des Bundesjustizministeriums die Koordination einer gemeinsamen Aktion aller für die deutschen Bistümer zuständigen Staatsanwaltschaften übernommen. Das Vorgehen sei über Monate geplant worden. Früh am Montagmorgen seien Polizeibeamte dann zeitgleich mit Durchsuchungsbeschlüssen in die Verwaltungsgebäude aller deutschen Bistümer eingedrungen und hätten sämtliche Personalakten sowie weitere infrage kommende Aufzeichnungen sichergestellt. Dabei habe man vereinzelt auch Plastiksäcke mit geschredderten Papieren entdeckt, die sich nun ebenfalls in der Obhut der Behörden befänden.

"Es wird eine gigantische Arbeit sein, diese Masse an Material zu sichten. Dafür haben wir eine bundesweite Ermittlungsgruppe mit dem Namen 'EG 320-Reißwolf' eingerichtet. Es wird viele Monate dauern, bis wir zu ersten Ergebnissen kommen werden, vor allem das Zusammensetzen der vernichteten Dokumente wird ein langwieriges Puzzlespiel. Aber wir wollen das so schnell wie möglich bearbeiten, denn es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, gegen die Verjährungsfristen", so der Sprecher weiter. Man erhoffe sich nicht nur Hinweise auf bisher nicht bekannte und möglicherweise noch im Amt befindliche Täter, sondern auch auf die internen Strukturen und die Verantwortlichen, die die jahrzehntelange Vertuschung erst ermöglicht hatten.

Ende Januar hatte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht das geplante Vorgehen bereits im ZDF angedeutet: "In diesem Land bestimmt die Kirche nicht, zu welchen Archiven Staatsanwaltschaften Zugang haben. (…) Staatsanwaltschaften können selbstverständlich auch in kirchlichen Einrichtungen durchsuchen und auch beschlagnahmen. Wir kennen keine Geheimarchive und das werden wir auch genauso durchsetzen." Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, wollte sich bisher nicht zu den Durchsuchungen äußern.

Unsere aufmerksamen Leser haben es bemerkt: Die Meldung, dass es Razzien in allen Bistümern gab und Akten beschlagnahmt wurden, war - natürlich - ein Aprilscherz.

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