Wie Homöopathie in Millionen Haushalte gespült wird

In der Werbepostsendung "Einkauf aktuell", die die Briefkästen deutscher Haushalte verstopft und zu großen Teilen gleich im Altpapier entsorgt wird, fand sich jüngst ein Beispiel, wie Homöopathie als Medizin angepriesen wird und unter die Leute gebracht werden soll.

In den "chemiefreien Arzneitropfen" stecke "die Kraft aus fünf ausgewählten Arzneipflanzen". Aufgeführt sind: Spigelia anthelmia (Indianisches Wurmkraut), Iris versicolor (Schwertlilien), Gelsemium sempervirens (Carolina-Jasmin), Cimicifuga racemosa (Trauben-Silberkerze) und Cyclamen purpurascens (Europäisches Alpenveilchen)" deren Heilwirkung insbesondere auf einschlägigen Schwurbelseiten behauptet wird.

Scan der Titelseite von "Einkauf aktuell"
Scan der Titelseite von "Einkauf aktuell" (2019)

Das Besondere an den "chemiefreien Arzneitropfen": "Die Wirkstoffe wurden gemäß dem Ähnlichkeitsprinzip auf die zu behandelnden Nervenschmerzen abgestimmt: In unverdünnter Form können sie die typischen Krankheitssymptome auslösen. In spezieller Dosierung, wie in Restaxil, bewirken sie allerdings genau das Gegenteil – sie bekämpfen die Beschwerden!"

Na da wundert sich der Fachmann und der Laie greift zum Homöopathie-Lehrbuch. Nur in einer sehr verschwurbelten Welt können nicht vorhandene Wirkstoffe physiologisch die Gesundheit eines Menschen beeinflussen. Doch immerhin, das beworbene Restaxil "ist ein zugelassenes homöopathisches Arzneimittel bei Nervenschmerzen (Neuralgien)." Üblicherweise nimmt man bei solchen Schmerzen eher Antikonvulsiva oder Opiate; aber Anhänger der Homöopathie scheinen ein wenig masochistisch angehaucht zu sein. Nennen sie doch die Steigerung des Schmerzes "Erstverschlimmerung".

Auf der Werbewebseite für die "chemiefreien Arzneitropfen" finden sich zwei Sätze, die jedem Skeptiker aufzeigen, dass es sich keineswegs um ein Medikament handeln kann. Heißt es doch: "Bei Restaxil sind keine Nebenwirkungen bekannt", und "Es sind keine Arzneimittel bekannt, die Restaxil beeinflussen oder durch Restaxil beeinflusst werden." Das wundert nicht, kann doch Unwirksames keine Nebenwirkungen haben.

Scan der Titelseite von "Einkauf aktuell" (2017)
Scan der Titelseite von "Einkauf aktuell" (2017)

Wenn sich unbelehrbare Homöopathie-Gläubige damit selbst quälen: Nun gut, das kann jeder selbstverantwortlich tun. Aber es ist schon mehr als fragwürdig, dass eine deutschlandweit kostenlos verteilte Werbepostsendung das wirkungslose Wässerchen anpreist mit dem Satz "chemiefreien Arzneitropfen überzeugen unsere Experten". Damit könnten laut der Deutschen Post, die das Werbeblatt verteilt, immerhin über 15,6 Mio. Leser verunsichert werden. Darunter werden mit Sicherheit auch einige Menschen sein, die unter chronischen Schmerzen leiden. Auch und gerade denen wird Hokuspokus angepriesen, der zwar das Leiden nicht mindert, aber zumindest das Portemonnaie um rund 18,00 Euro erleichtert.

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass "Einkauf aktuell" für Restaxil wirbt. Bereits im Dezember 2017 gab es eine solche Aktion (siehe Foto rechts).

PS: Ja, es steht groß "Anzeige" über der Werbung für Restaxil – doch welcher Leser vermutet eine komplette Titelseite ohne redaktionellen Inhalt?