MOOSSEEDORF/CH. (hpd) Franziskus sagt, dass er einen Rücktritt nach dem Vorbild seines Vorgängers nicht ausschließe. Mit solchen Gedankenspielereien erwärmt der Argentinier die Debatte, die seit der Demission von Papst Benedikt XVI. sporadisch aufflammt: Ist das Pontifikat auf Lebenszeit noch zeitgemäß?
"Ich glaube, Benedikt hat mit viel Mut eine Tür für emeritierte Päpste geöffnet", erklärt Papst Franziskus in einem Interview mit dem mexikanischen Fernsehsender "Televisa". Weiter glaubt der Argentinier, dass sein Herr ihn lediglich für ein Pontifikat berufen habe, das höchstens vier oder fünf Jahre andauern werde. Bereits im August des letzten Jahres äußerte der 78-Jährige erste Gedanken über seinen Tod und blies dabei temporal in ein ähnliches Horn: "Sollten meine gesundheitlichen Beschwerden überhandnehmen, werde ich vermutlich schon in zwei bis drei Jahren zum Herren zurückkehren."
Mit seinen Ausführungen lässt der Jesuiten-Papst mutmaßen, dass er seinen Abschied zumindest in den Grundzügen unlängst geplant hat und die Amtsniederlegung auf der Basis seines Vorgängers als salonfähig etablieren möchte.
Rücktritte nicht als Ausnahme sehen
Weiter wünschte sich Franziskus, dass Rücktritte künftig nicht mehr als Ausnahme gesehen werden. Die Formulierung zum Pontifikats-Rücktritt im Codex des Kanonischen Rechtes lässt die Amtsablegung ebenso unbehelligt erscheinen. Keine Etikette, kein Ritus und kein Usus, lediglich ein eindeutiger Entscheid ist notwendig, der nicht einmal von irgendjemandem bestätigt werden muss: "Falls der Papst auf sein Amt verzichten sollte, ist zur Gültigkeit verlangt, dass der Verzicht frei geschieht und hinreichend kundgemacht, nicht jedoch, dass er von irgendwem angenommen wird." (Can. 332, §2). Dass der Rücktritt aus freien Schritten erfolgen und öffentlich verkündet werden muss, wurde erst 1983 bei der Neufassung des Kirchenrechts unter Papst Johannes Paul II. in den Kanon aufgenommen.
Dessen ungeachtet muss bedacht werden, dass die Wahl eines Papstes ad vitam laut kirchlichem Recht als heiliges Gesetz gilt. In der Praxis wird gelebt, dass lediglich gravierende Gründe wie Verfolgung oder Exil für einen Rücktritt geltend sind. Die Formulierung im Codex Iuris Canonici kann demnach auch nur als Hintertür betrachtet werden.
Einschneidende Änderung der Wahrnehmung
Durch die historische Konkretion des Papsttums als sozial und politisch existentes Modell der Dauerhaftigkeit hat der Stuhl Petri wie kaum ein zweites Amt auf dieser Welt Legitimation. Ein Perspektivenwechsel hinsichtlich der Amtszeit hätte weitreichende Folgen für die zeitgeschichtliche Betrachtung der Stabilität der Institution.
Trotz einer historisch-kritischen Aufbereitung des Pontifikats bleibt die jahrtausendalte Bewährung eine historisch rein menschliche Leistung. Das Papsttum baut auf einem Bekenntnis auf. Es ist ein Menschenwerk, nicht die Verwirklichung eines göttlichen Auftrags oder gar Gottes wirkender Wille.
Der Papst ist kein Fels
Der Auftrag, der Jesus Christus dem Apostel Petrus erteilt hat, bildet das einzige zentrale Zeugnis, das das Pontifikat als göttlichen Auftrag ausweisen soll. Dabei gibt die Überlieferung der Verse einige Probleme auf, wird von Kirchenhistorikern wie beispielsweise dem protestantischen Theologen Adolf von Harnack als späterer Einschub gehalten. Dafür spricht, dass das Wort Christi außerhalb von Matthäus in den Parallelevangelien des Johannes, Lukas und Markus keine entsprechende Erwähnung findet.
Außerhalb der Bibel findet dieser Auftrag in den ersten zwei Jahrhunderten ebenfalls keine Erwähnung. So wie die Irrtumslosigkeit des Papstes erst im Ersten Vatikanischen Konzil von 1870 verkündet wurde, ist auch das Pontifikat auf Lebenszeit nicht in einen Felsen gemeißelt.
1 Kommentar
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Das Fundament des gesamten Christentums steht äußerst wackelig da, wenn man diversen Theologen (u.a. Herrmann Detering) folgen mag.
Das ist ja auch logisch und gleichzeitig genial. Wenn man sich das Testament des Erbonkels Jupp rückwirkend nach dessen Tode selbst schreiben kann, hat dies entscheidende Vorteile. Da es keinerlei außerbiblisch Zeugnisse gibt, waren Phantasie und Notwendigkeiten der ersten Kirchenfürsten Tür und Tor geöffnet.
Daher muss natürlich davon ausgegangen werden, dass es keinerlei "höhere" Legitimation für das Amt des Papstes oder der zahlreichen Gegenpäpste gibt. Es ist ein stinknormales Diktatorenamt, das in einer Hierarchie über einen längeren Zeitraum erkämpft wurde (durch Leistung, Intrige oder offene Gewalt). Dies galt nach dem Sieg natürlich auf Lebenszeit ("Der Papst ist tot, es lebe der Papst!").
Daran, dass heutige Medizin auch 80- oder 90-jährige Greise auf dem Stuhl Petris Platz nehmen lässt, ist die säkularisierte Wissenschaft mit ihrem bösen Fortschritt schuld. Früher holte Gott seine Stellvertreter zeitiger heim ins Reich.
Auch ist die Frage, ob die Kurie einen Greis nicht leichter fernsteuern kann, als einen Berufspapst, der mit 40 oder 50 Jahren sein Amt antritt und mit 65 in Rente geht. Will der Vatikan als Gottesstaatskonglomerat überhaupt vitale Päpste - am Ende noch demokratisch gewählt - an seiner Spitze sehen? Was, wenn einer das Kondomverbot aufheben will...? Oder gar Schwule akzeptiert...? Ohgottogott!!!
Und dann die wichtigste Frage: Was interessiert uns, welcher Opa in einem Lummerlandstaat weihevoll zum Fenster rausguckt und nette Sprüche absondert, deren praktischer Nutzen gegen Null tendiert? Ob davon ein Sack Reis mehr in China umfällt?