Die Mehrheit der Polen ist noch immer der katholischen Kirche zugehörig. Und das trotz Missbrauchsskandalen, Bücherverbrennungen und Exorzisten, die ihre Befreiungsmessen und Exorzismen offen anbieten.
Nachdem Pfarrer, die Exorzismen durchführen wollten, bisher nur wenig Schulung und eine schriftliche Ernennung eines Bischofs benötigten, soll sich das nun ändern. Die katholische Kirche plant ein Ausbildungszentrum für Exorzisten in Kattowitz, in welchem Pfarrer umfassender lernen, aber auch erfahren sollen, welche Handlungen sie unterlassen sollen.
Exorzismen scheinen eine Normalität in Polen geworden zu sein. Sie umfassen Befreiungsmessen, bei denen zum Beispiel um Unterstützung beim Kampf gegen Alkoholismus gebeten wird, bis hin zur Austreibung vermeintlich böser Besetzung oder Besessenheit und vermeintliche Wunderheilungen von Krebs. Während es nach Informationen des SWR in den 1990er Jahren nur vier Exorzisten in Polen gab, sind es heute bereits 120. Damit folgt Polen Italien, das als einziges Land noch mehr speziell für den Exorzismus ausgebildete Pfarrer aufweist. Um diese besser ausbilden zu können, plant die katholische Kirche in Polen ein Ausbildungszentrum in Kattowitz.
Beim großen Exorzismus, bei dem böse Mächte aus Orten, Gegenständen oder Menschen vertrieben werden sollen, kommt es zum besprenkeln mit Weihwasser, Gebeten und schließlich Handauflegen durch den Priester. Kritisiert werden nicht nur die kirchlich genehmigten Exorzismen, die seit 1983 eine Erlaubnis des zuständigen Bischofs benötigen und sich an eine vatikanische Richtlinie von 1999 halten sollen, weil sie falsche Heilsversprechen für leidende Menschen im Gepäck haben, sondern auch, weil sie zur Nachahmung verleiten.
Bei diesen Nachahmungen kommt es immer wieder zu Gewaltexzessen.
Verwunderlich ist, dass Menschen mit physischen und psychischen Belastungen noch immer Hilfe bei der Kirche suchen. Obwohl die Zahl der Gläubigen in Polen stetig sinkt, gehören noch über 30 Millionen Polen der katholischen Kirche an. In den letzten Jahren hat sie sich mit der Verbrennung von Harry-Potter-Büchern und hunderten Missbrauchsfällen doch wenig Vertrauen verdient.
1 Kommentar
Kommentare
Thomas Göring am Permanenter Link
Das Bücherverbrennen ist eine alte kirchliche Tradition, von der schon ab dem 4. Jh. im niedergehenden & zwangskatholisierten Römischen Reich ausgiebig Gebrauch gemacht wurde.
Und z.B. noch im vorrevolutionären Frankreich des 18. Jh. wurden viele kirchen- bzw. religionskritische Bücher öffentlich verbrannt.
In Deutschland wird dieses historische Faktum kaum bis überhaupt nicht thematisiert, sondern schlicht ignoriert. (Verhaltensregel: Über sowas spricht man nicht.)
Hierzulande fällt den Meisten bei "Bücherverbrennung" allein das Naziregime ein. Aber nicht einmal das Verbrennen feindlicher Literatur haben die Hitlerfaschisten erfunden. Sie konnten auf alte klerikale Methoden der Agitation & Propaganda zurückgreifen (so wie bekanntlich ja auch auf Martin Luthers Judenhass).