Nach § 166 des deutschen Strafgesetzbuches macht sich strafbar, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Das Strafmaß ist Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
Was ist das Problem?
Menschen verdienen Schutz vor Beleidigung, nicht Doktrinen, Ideologien oder Religionen.
Der § 166 wird mit der Begründung verteidigt, religiöse Gefühle dürften nicht beleidigt werden. Dabei wird verkannt, dass der Paragraph nicht religiöse Gefühle schützen soll, sondern die öffentliche Ordnung.
Obwohl er seit Ende der 1960er Jahre "Gotteslästerung" nicht mehr unter Strafe stellt, wird er zumeist von Menschen bemüht, die ihre Religion unangemessen dargestellt sehen. Bezeichnenderweise erregen bildliche Darstellungen viel häufiger Anstoß als etwa verbale Attacken auf Bekenntnisinhalte.
Obwohl er gar nicht den Zweck hat, religiöse Gefühle zu schützen, lädt er dazu ein, die Staatsgewalt in Anspruch zu nehmen, um gegen als anstößig empfundene Darstellungen der eigenen Religion vorzugehen, das heißt als Zensurinstrument benutzt zu werden.
Dass die Strafbarkeit an die mögliche Störung des öffentlichen Friedens geknüpft ist, erhöht zwar die Anforderungen an die Strafbarkeit, hat aber zur Folge, dass der Paragraph am ehesten bei Religionen mit gewaltbereiter Anhängerschaft greift.
In Deutschland sind Verurteilungen wegen Beschimpfung der Religion seit einigen Jahrzehnten selten. Anderswo sieht dies jedoch anders aus.
In etlichen islamisch geprägten Ländern ist die "Beleidigung" des Islam oder des Propheten mit schweren Strafen bedroht. Diese Strafvorschriften sind ein Repressionsinstrument gegen religiöse und weltanschauliche Minderheiten.
Dass Deutschland am § 166 festhält, erschwert die Abschaffung dieser menschenrechtswidrigen Strafvorschriften.
In Ländern wie Norwegen und Irland wurde diese Problematik erkannt und die Strafbarkeit von Blasphemie abgeschafft. In vielen Ländern sind derartige Strafvorschriften generell unbekannt.
Die Konsequenz ist klar: Der § 166 kann seinen Zweck, den öffentlichen Frieden zu schützen, nicht erfüllen. Aus menschenrechtlicher Sicht ist er schädlich und muss daher ersatzlos abgeschafft werden.
Erstveröffentlichung auf der Webseite des IBKA.
17 Kommentare
Kommentare
A.S. am Permanenter Link
Jeder Gott - bzw. die Götter- ist nur ein Bluff, mit dem die Priester die Menschen an der Nase herum führen und sich selber wichtig machen. Egal welcher Gott, egal welche Religion.
War das jetzt strafbar nach §166 StGB?
Martin Mair am Permanenter Link
Der logische Widerspruch ist eher religiös zu formulieren: Der Staat maßt sich an in Gottes Angelegenheiten einzumischen. Was ja wirklich sehr kurios ist ...
Wer hat es schon gerne, wenn hinter dem eigenen Rücken fremde Leute über einen irgendwas behaupten und dann sich noch anmaßen, weil sie angeblich guten Draht zu einem hätten für sich selbst Privilegien einzufordern. ....
Da hätte ich schon ziemlich was dagegen!
M. S. am Permanenter Link
Nur, wenn sich aufgrund Ihrer Äußerung jemand veranlasst sieht, Krawall zu machen. Dann haben Sie eine Störung des öffentlichen Friedens verursacht. Der Krawallmacher natürlich nicht.
W.v.Sulecki am Permanenter Link
Nur wenn Sie dazu aufrufen die Religionsvertreter wegen Verbreitung von unbewiesenen Behauptungen hinsichtlich des Vorhandenseins *übernatürlicher Wesen* aus ihren Häusern zu holen, zu teeren und zu federn ....
Günter Rack am Permanenter Link
wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften ….…. die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Wenn dann die religiösen nur laut genug schreien, dann ist der öffentliche Friede gestört.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Deutschland hinkt, wie in vielen Fällen, wieder einmal weit hinterher, eine Industrienation
die noch immer mit ihrer Gesetzgebung im Mittelalter behaftet ist.
Edgar Schwer am Permanenter Link
Man kann doch nicht etwas beleidigen, was es nur in der Phantasie von Vereinsmitgliedern gibt. Wenn Menschen glauben, dass es einen Gott und andere Bezeichnungen dafür gibt, dann ist das ihre Angelegenheit.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Herr Schwer, genau so wie Sie schreiben ist es und wird es auch bleiben, wenn wir nicht bei den nächsten Wahlen die "C" Parteien endlich abwählen und Parteien wählen die sich für
die Zukunft nicht positiv, sondern verharren in Mittelalterlichen Strukturen und sollten deswegen langsam in dem Mülleimer der Geschichte landen.
Arno Gebauer am Permanenter Link
Moin,
wenn der "Gotteslästerungsparagraph" ersatzlos abgeschafft wird, sollte auch jede Vereidigung auf einen nicht existierenden Gott verboten werden.
Viele Grüße
Arno Gebauer
Roland Fakler am Permanenter Link
Da waren die Römer schon weiter, bei denen der Grundsatz galt: Deorum offensae diis curae" – Um Gotteslästerungen mögen sich die Götter selbst kümmern.
Werner Helbling am Permanenter Link
Wir Nichtreligiösen könnten uns auch laufend in unseren Gefühlen verletzt fühlen, wenn wir permanent mit religiösem Brimborium tag-täglich bombardiert werden.
Roland Weber am Permanenter Link
Diese Strafvorschrift beweist, dass Gewalt und Religion signifikant zusammengehören. Die Gewalt geht dabei eindeutig und entlarvend von den Anhängern der Religion aus.
Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Ein peinlicheres Armutszeugnis kann man somit Religionsanhängern kaum ausstellen. Dies gilt insbesondere für die Anhänger sogenannter "Friedensreligionen". Für Frieden sind und waren sie noch nie zu haben.
Was wäre übrigens das für ein Gott, der "sich beleidigen" ließe? Und was für ein Gott, der dazu menschlicher Hilfe bedürfte? So wird er mit dem angeblichen Beleidiger lediglich auf eine Stufe gestellt. Beleidigen kann man Menschen, aber weder Tiere, noch irgendwelche Götter, einen Gott, einen Allah, noch Geister. Wenn es höhere Mächte gäbe, wüssten die sich selbst zu schützen.
Allerdings erfüllt der Paragraph immerhin noch abschreckende bzw. verstörende Wirkung und wird deshalb gewiss nicht abgeschafft. Der Schutz entfaltet sich bereits im Vorfeld. Versuchen Sie einmal einen Fernsehbericht, einen Presseartikel, einen Leserbrief oder eine sonstige religionskritische Äußerung in allgemein öffentlichen Quellen und Medien zu finden. Die Frage nach der Wahrheit von Religion kommt schlichtweg schon gar nicht vor. Diese Wahrheit gilt als "gesetzt" und unbezweifelbar, an der auch über ein Drittel einer andersdenkenden Mehrheit nichts ändert. Selbstverständlich kann man auf eigene Kosten und Risiko noch kritische Gedanken veröffentlichen. Denken darf jeder was er will, seine Meinung an an sich "öffentlichen Stellen" (Fernsehen, Zeitungen, Zeitschrifen) äußern aber nur, wenn er im Kern dabei doch noch glaubenskonform bleibt.
Edgar Schwer am Permanenter Link
Versuchen Sie einmal im reaktionären Saarland einen religionskritischen Beitrag im SR oder im „Trierischen Volksfreund“ zu veröffentlichen, so eine „Sünde“ wird gar nicht zur Kenntnis genommen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Wenn ich Odin, Sol oder Tok lästere, kann das geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören?
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Bei Quetzalcoatl, Zazavavindrano, Yainato-Hnneno-Mikoi, Chinnintamma oder Zas-ster-ma-dmar-mo könnte dies schon der Fall sein, Hans...
Hans Trutnau am Permanenter Link
Aber in Toks Namen nicht mehr, wenn der § 166 abgeschafft ist...
Klaus Bernd am Permanenter Link
HA, das sind wenigstens Namen, die was hermachen. Dagegen klingt Gott ja recht armselig und nüchtern; nur im Südstaatenamerikanisch kann man da was draus machen: GOAOAOAOAOAOD, das kesselt.
PS: Nach "Speichern" in den Untergrund abgetaucht.