Der Bundesfinanzhof hat in zwei Beschlüssen entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass das besondere Kirchgeld bei glaubensverschiedener Ehe dann den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht, wenn der kirchenangehörige Ehegatte ansonsten "kirchensteuerfrei" ist. Dies ist aber nicht der Fall, wenn Kircheneinkommensteuer auf dessen eigenes Einkommen anfällt. Damit widersprechen die kirchlichen Bestimmungen zum besonderen Kirchgeld und deren staatliche Genehmigung nun auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.
Der Blick in den Steuerbescheid offenbart bei glaubensverschiedener Ehe – nur ein Ehepartner gehört einer Kirche an – immer wieder Erstaunliches: Wenn der kirchenfremde Ehepartner deutlich mehr verdient als der kirchenangehörige, so steigt die Kirchensteuer. Grund ist das besondere Kirchgeld, das nach der sogenannten Vergleichsberechnung dann erhoben wird, wenn es höher ist als die Kircheneinkommensteuer (KiESt) auf das eigene Einkommen des Kirchenmitglieds. Betroffen sind schätzungsweise eine halbe Million Ehepaare in Deutschland.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte diese Besteuerungsoption aber nur für den Fall "mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei" erlaubt. Daran halten sich Kirchen, Ministerien und Behörden aber nicht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bisher diese unseres Erachtens verfassungswidrige Praxis gestützt, indem er seine Rechtsprechung von der des BVerfG abgekoppelt hat und das besondere Kirchgeld bei Doppelverdienerehe allein mit seinem Urteil I R 76/04 zur Alleinverdienerehe begründet hat (Urteile I R 44/05 ff). Darauf stützt sich praktisch die gesamte einschlägige Rechtsprechung der Finanz- und Verwaltungsgerichte, die das besondere Kirchgeld bei Doppelverdienerehe mit durchweg fadenscheinigen Urteilen generell erlaubt hat.
Unter dem Druck von massiven Nichtzulassungsbeschwerden und Befangenheitsanträgen gegen seinen Vorsitzenden (Kirchengemeinderat), unterstützt unter anderem vom Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) und der Redaktion des Informationsportals Kirchgeld-Klage.info, hat der I. Senat des BFH nun in zwei Beschlüssen vom 13.02.2019 – I B 27/18 und I B 28/18 seine Rechtsauffassung korrigiert und sich weitestgehend der grundlegenden Rechtsprechung des BVerfG zum besonderen Kirchgeld angenähert. Aufgrund von Anhörungsrügen sind diese Beschlüsse vom Februar erst seit August abgesichert.
Das BVerfG habe es damals in seinem Urteil 1 BvR 606/60 als unbillig angesehen, wenn ein Kirchenmitglied mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei bliebe, obwohl es dank eines hohen Einkommens seines Ehepartners eine höhere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erlangt habe. Denn es trage (so der BFH) ja nichts zur Finanzierung der kirchlichen Aufgaben bei. Daher dürfe sein Lebensführungsaufwand besteuert werden, sprich, das besondere Kirchgeld festgesetzt werden.
Der BFH sagt weiter: Es liegt auf der Hand und bedarf eigentlich keiner weiteren Begründung, dass diese Billigkeitsüberlegung des BVerfG auch für den Fall eines geringen Einkommens gelten muss, wenn darauf keine Einkommensteuer und somit keine Kircheneinkommensteuer entfällt. Denn dann trage dieser Kirchenangehörige genauso wenig zur Finanzierung der kirchlichen Aufgaben bei wie der ohne jedes Einkommen (BFH, I B 28/18, Ziff. II 2 c) cc).
Laut BFH ist danach das entscheidende verfassungsrechtliche Kriterium für die Besteuerung seines Lebensführungsaufwandes, ob das Kirchenmitglied kirchensteuerfrei ist oder nicht. Kurz: Besonderes Kirchgeld nur, wenn ansonsten kirchensteuerfrei.
Nach dieser neuen Rechtsprechung des BFH darf das besondere Kirchgeld dann nicht erhoben werden, wenn auf das Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten Einkommensteuer und damit KiESt entsteht. Denn dann trägt er ja zur Finanzierung der kirchlichen Aufgaben bei, die obigen Billigkeitserwägungen des BVerfG greifen nicht, so dass das besondere Kirchgeld als Besteuerung des Lebensführungsaufwandes nicht der Verfassung gemäß ist.
Damit besteht nur noch eine geringe Diskrepanz zur erwähnten Rechtsprechung des BVerfG und zu der BVerwG, das die Kirchgeldtabelle ja nur für das einkommenslose Kirchenmitglied zugelassen hatte.
Jedenfalls können viele Kirchenangehörige in glaubensverschiedener Ehe nun aufatmen, weil sehr gute Chancen bestehen, dass sie nicht mehr das überhöhte besondere Kirchgeld, sondern nur noch die niedrigere KiESt zahlen müssen. Dies entscheidet sich im Weiteren an der Berechnung der KiESt und damit an der Höhe ihres eigenen Einkommens. Grob gesagt wird dazu die gemeinsame Einkommensteuer beider Ehegatten anteilig dem Kirchenmitglied nach seinem Einkommen zugerechnet, wenn man dieses nach dem Grundtarif der Einkommensteuer besteuert. Dabei wird dann der Grundfreibetrag wirksam, so dass bei Einkommen unterhalb von ca. 9.500 Euro (je nach Steuerjahr) keine Einkommensteuer und damit keine Kircheneinkommensteuer anfällt. Wichtig ist aber auch, dass bei Kapitalerträgen, die mit der Abgeltungssteuer von 25 Prozent besteuert werden, dieser Grundfreibetrag der Einkommensteuer im Allgemeinen nicht greift. Einzelheiten regeln die Kirchensteuergesetze der Länder.
Übergeordnet bedeutet diese neue Rechtsprechung des BFH, dass sich die drei Bundesgerichte BVerfG, BFH und BVerwG nun zumindest für den Fall einig sind, dass bei Vorliegen von KiESt auf das eigene Einkommen des Kirchenmitglieds das besondere Kirchgeld verfassungsrechtlich nicht zulässig ist. Damit ist die gesamte bisherige Rechtsprechung der Finanz- und Verwaltungsgerichte hinfällig, soweit sie für diese Fälle das besondere Kirchgeld gebilligt hatte.
Hinfällig ist auch die sogenannte Vergleichsberechnung, die bisher die maßgebliche Eingriffsnorm für die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld ist. Denn nach dieser neuen Rechtsprechung des BFH kommt es für Festsetzung des besonderen Kirchgeldes allein darauf an, ob KiESt vorliegt oder nicht, und nicht auf ihre Höhe. Und die Höhe des besonderen Kirchgeldes ist sowieso völlig gleichgültig.
Wenn die Kirchen ihre diesbezüglichen Bestimmungen nicht ändern und wenn die Behörden sie trotzdem genehmigen, und die Finanz- und Verwaltungsgerichte dies auch noch billigen, stellen sich Fragen nach deren Rechts- und Verfassungstreue. Denn alle drei Bundesgerichte sagen nun für den Fall "nicht kirchensteuerfrei" das Gleiche: Kein besonderes Kirchgeld.
Nähere Informationen auf https://kirchgeld-klage.info/
25 Kommentare
Kommentare
Holger Buntrock am Permanenter Link
Vollkommener Irrsinn. Was für ein Popanz. Wie viele hochdotierte Staatsbedienstete
Ein Verein hat sich gefälligst selbst um seine Mitgliedsbeiträge zu kümmern. Basta!!
Armes Deutschland - verwaltet sich der Verwaltung willens und für wichtigere gesellschaftliche Aufgaben bleibt kein Geld und Personal mehr.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Das Ding hätte sich m.E. tatsächlich erledigt, wenn die staatliche Kirchenmitgliedsbeitrags-Eintreibung endlich aufgehoben würde.
V. Korndörfer am Permanenter Link
Ich wäre mir da nicht so sicher. Ich glaube nicht, dass man das Thema vom Verwaltungsakt her aufziehen kann. Die Kaskade ist: Art. 140 GG => Art. 137 WRV => KiStG. In den KiStG der Länder stehen wegen Art.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ja, und jetzt - alles so lassen? Nee, nich?
V. Korndörfer am Permanenter Link
Nun ja, wünschen kann man sich das ja. Der jetzige Art. 140 GG verweist deshalb auf Art. 137 etc.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Also doch nicht alles so lassen, sondern ändern - schön.
Dass das ein dickes Brett ist (= lange dauert), ist schon klar; es ist aber auch ein Ziel.
Heide am Permanenter Link
Die Kirchensteuer ist ein Ärgernis – keine Frage. Aber unter den hiesigen Begebenheiten hat sie einen klaren Vorteil:
Zum Vergleich: In Frankreich werden 300.000 Taufen/Jahr durchgeführt, aber nur ca. 1000 erklären pro Jahr ihren Austritt. Da finde ich unser System deutlich besser – wer mit dem Glauben nichts am Hut hat, der wird zum Sparen der Kirchensteuer zum Gang zum Amtsgericht und zum aktiven Austritt „genötigt“ und quittiert damit vor allem sichtbar seine unfreiwillige Mitgliedschaft.
Ich befürchte, dass beim Wegfall der Steuer die Kirchen alles und jeden, auch ausgetretene, wieder zu Mitgliedern deklarieren würden. In der evangelischen Kirche laufen schon dahingehend Überlegungen, ob man jüngeren die Kirchensteuer nicht erlässt, womit diese zwar nicht zahlend, aber dennoch als Mitglied geführt werden können. Weitergedacht: Und Schwupps, können auch alle Ex-Mitglieder in der Statistik wieder als Mitglied geführt werden. Getauft sind sie ja und die Taufe kann - höchstrichterlich bestätigt - ja nicht rückgängig gemacht werden. Sie zahlen lediglich nur keine Steuern.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Die Kirchensteuer ... hat ... einen klaren Vorteil" - wie bitte? Und deshalb alles beim stautus quo belassen? Nie und nimmer mit mir.
Heide am Permanenter Link
Die Kirchensteuer ist ein vergleichbar kleines Übel.
Gerade die statistisch eindeutig erfassbaren Verhältnisse in DE stärken doch den säkularen und laizistischen Kräften in den Parteien den Rücken, die diese Verhältnisse abschaffen wollen.
Was wäre denn ohne Kirchensteuer? Wir sollten mal realistisch sein: Der Masse ist es schlicht egal, ob Kirchenlobbyismus ihnen ins Leben pfuscht. Bei den meisten würde es – siehe Frankreich - doch sonst nur „warum Kirchenaustritt? Die Mitgliedschaft kostet doch nichts.“ heißen. Ich glaube nicht, dass das für eine weitere Säkularisierung dienlich wäre.
Und wenn keiner austritt werden die Kirchenlobbyisten vor der Politik immer eine Bevölkerungsmehrheit für sich reklamieren können, weil wir dann immer noch ein Volk von > 90% „Christen“ wären. Und nicht nur Politiker der C-Parteien vergessen manchmal, dass sie gewählte Volks- und nicht Kirchenvertreter sind.
Solange bei der Politik so gehandelt und gedacht wird, halte ich die Kirchensteuer für sinnvoll, weil man nur so die rote Karte zeigen kann. Die Diskussion über einige Paragraphen und kirchliche Privilegien würden sonst im Keim erstickt werden bzw erst gar nicht aufkommen.
Um Bretter zu bohren benötigt man erst einmal einen Bohrer.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Der Bohrer ist m.E. der Kirchenaustritt.
Schön, wenn der statistisch erfasst wird; aber dazu braucht es keine staatlich eingetriebene KSt zu geben.
In dieser Reihenfolge etwa.
Heide am Permanenter Link
Die Kirchensteuer gibt es nun mal. Warum, dass hat Herr Korndörfer schon erklärt. Und warum sie uns noch eine Weile erhalten bleiben wird, auch. Damit müssen wir leben.
Ich habe kein Problem mit der Kirchensteuer. Es wird, mit Ausnahme der Angestellten in kirchlichen Betrieben, schließlich niemand gezwungen, in diesen Vereinen zu verbleiben und weiter zu zahlen.
Aus den von mir dargelegten Gründen halte ich sie sogar für wichtig; im Laufe der Zeit trug und trägt sie durch die durch sie „provozierten“ Austritte zu einer weiteren Säkularisierung der Gesellschaft und dem Bedeutungsverlust der Kirchen bei. Wahrscheinlich sogar effektiver als alle Humanisten-, Freidenker- und sonstige Konfessionsfreienverbände zusammen.
Warum wohl, glauben Sie, wird in der evangelischen Kirche über eine Mitgliedschaft light oder Kirchensteuererlass bzw -erleichterung für jüngere nachgedacht?
Aktuell: www.sonntagsblatt.de/artikel/meinung-kommentar/kirchensteuernachlass-fuer-juengere
„Was hindert uns daran, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, Kirchensteuern zu reduzieren, anstatt sie ganz als Mitglieder zu verlieren?“
Woran wollen Sie die Kirchenmitgliedschaft denn sonst festmachen?
Die katholische Kirche kennt keinen Kirchenaustritt; da heißt es einmal katholisch, immer katholisch. Sollen die die Mitgliederzahlen liefern? www.weltanschauungsrecht.de/Kirchenmitgliedschaft
Viel Spaß im Kirchenstaat 2.0.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich hatte meine Reihenfolge schon angegeben.
So viel dazu.
V. Korndörfer am Permanenter Link
Auch Spanien ist interessant. Da weigert sich die Kirche seit Jahrzehnten Gerichtsurteile anzuerkennen, nach denen die Leute das Recht haben aus der Kirche auszutreten. Das schmort derzeit beim Verfassungsgericht.
Hypatia am Permanenter Link
Gilt das auch rückwirkend? Bin stark betroffen, da mein konfessionsfreier Mann aufgrund von Krankheit Firmenanteile verkaufte, und ich blöderweise noch nicht ausgetreten war.
Unechter Pole am Permanenter Link
Bin zwar weder Steuerberater noch Jurist, meines Wissens aber gilt Rechtsprechung nicht als „neue Tatsachen“ im Sinne des § 173 AO, d.h.
V. Korndörfer am Permanenter Link
Wenn Ihre Steuerbescheide rechtskräftig ist, ist da nach meinem Verständnis nichts mehr zu machen.
Unechter Pole am Permanenter Link
Lieber Herr Korndörfer,
ich befürchte, dass Sie leider in den Urteil Einiges reininterpretieren, was dort nicht so steht. Zwar liest sich die Urteilsbegründung sensationell, aber es wird daraus letztendlich eine komplett falsche Schlussfolgerung gezogen.
Aus der Darlegung des Tatbestandes ergibt sich, dass die Klägerin über ein eigenes NICHT UNERHEBLICHES Einkommen verfügte, was letztendlich bedeuten muss, dass bei ihr die KiESt an sich angefallen wäre. Die Begründung geht überhaupt nicht auf die Verfassungsmäßigkeit des besonderen Kirchgeldes in der konkreten Situation der Klägerin und der Klägers ein, sondern zieht zur Begründung den Urteil des BVerfG zum FEHLENDEN Einkommen bzw. dichtet ("Es liegt auf der Hand...") ebenfalls das GERINGE Einkommen (eines abstrakten _Ehegatten_, NICHT der Klägerin) dazu. Mit der halbwegs richtigen, aber schlichtweg unpassenden Begründung wird hier absurderweise der Fall des NICHT UNERHEBLICHEN Einkommens entschieden.
V. Korndörfer am Permanenter Link
Es geht hier nicht um ein Verfahren in der konkreten Streitsache mit dem Ziel einer Rückzahlung von Geld, sondern um die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der Vorinstanz mit dem Zielder Aufnahme eine
Nichtzulassungsbeschwerden (NZB) unterliegen besonders harten Begründungsregeln. Es geht hier NICHT um die Sachentscheidung des Vorverfahrens im konkreten Einzelfall, sondern nur darum, ob Gründe für eine Revision vorliegen (§§ 115/116 FGO). An diesem Unterschied scheitern viele NZBs, ich meine mehr als ein Drittel. Daher spielt der konkrete Sachverhalt hier keine Rolle, sondern nur die im Hinblick auf eine Revision vorgebrachten Beschwerdegründe. Diese stehen in § 115 Abs. 2 FGO: grundsätzliche Bedeutung, Einheit der Rechtsprechung, Verfahrensfehler.
Der BFH hat hier die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verneint, weil die Kläger ihre Beschwerde mit "Kirchgeld bei geringem Einkommen" begründet hätten, und weil diese Rechtsfrage verfassungsrechtlich geklärt sei.
Diese Klärung führt der BFH an, in dem er das Obiter dictum des BVerfG ausweitet. Ob er das so darf, ist eine andere Frage, zunächst einmal hat er so begründet. In früheren Verfahren (Revision und NZB) hatte der BFH anders entschieden, nämlich allein in Fortschreibung seines Urteils I R 76/04, das aber nur zur Alleinverdienerehe erging, und das besondere Kirchgeld auch bei hohen Einkommen gebilligt. Das wurde schon mehrfach ausgeführt. Damit hat der BFH hier im Maßstabsteil dieses Nichtannahmebeschlüsses die allgemeinen Rechtssätze formuliert, die ihn dazu bewogen haben, diese NZB zurückzuweisen. Wie gesagt: Die Aussage des BFH ist: Es ist verfassungsrechtlich geklärt, dass das besondere Kirchgeld bei keinem wie bei geringem Einkommen zulässig, sofern keine KiESt anfällt, weil das Kirchenmitglied dann gleichermaßen nichts zur Finanzierung der kirchlichen Aufgaben beiträgt.
Ich bin bei Ihnen, dass der Beschluss in sich gewisse Widersprüche aufweist. Aber der BFH hat hier seine frühere Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld nach Entscheidungsgrundlage und Ergebnis weitestgehend geändert, weil er massiv unter Druck gekommen ist. Und als Bundesgericht tut man sich halt schwer zuzugeben, dass man sich mehr als ein Jahrzehnt vom BVerfG und seiner grundlegenden Rechtsprechung abgekoppelt und in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft geurteilt hat.
Bleibt die Frage des von Ihnen aufgezeigten Widerspruchs zwischen Sachverhalt und Begründung der NZB. Wie gesagt, der Sachverhalt ist hier irrelevant, da es bei der NZB nur um Rechtsfragen der Zulassung der Revision geht.
Wenn die Kläger ihre Beschwerde tatsächlich entgegen der Sachlage mit "Kirchgeld bei geringem Einkommen" begründet haben, dann wurde die Beschwerde zu Recht zu zurückgewiesen, und die Entscheidungsbegründung bleibt stehen.
Wenn aber die Kläger generell mit "Kirchgeld bei eigenem Einkommen" begründet haben, dann hat der BFH hier die Begründung der Kläger unzutreffend wiedergegeben, die Entscheidung über die NZB ist rechtswidrig. Die verfassungsrechtliche Begründung des BFH ("besonderes Kirchgeld nur wenn kirchensteuerfrei") bleibt aber zunächst einmal bestehen, egal ob sie hier anwendbar ist oder nicht, z.B. bis das BVerfG anders entscheidet. Verfassungsbeschwerde für den konkreten Streitfall - Verletzung von Rechten der Kläger - ist eingereicht.
Volker Korndörfer am Permanenter Link
Ich möchte noch mal kurz verdeutlichen, was diese Beschlüsse des BFH I B 27/18 und I B 28/18 bedeuten:
Der BFH hat gesagt: Die RECHTSLAGE beim besonderen Kirchgeld ist geklärt, und zwar durch das Obiter dictum des BVerfG von 1965. Dieses besagt "besonderes Kirchgeld nur wenn einkommenslos". Wir der BFH lesen dies so, dass damit auch ein besonderes Kirchgeld zulässig ist, wenn bei sehr geringem Einkommen keine KiESt anfällt.
Schlussfolgerung im Umkehrschluss: Damit ist lt. BFH 2019 seit 1965 verfassungsrechtlich geklärt, dass das besondere Kirchgeld dann verfassungsrechtlich NICHT zulässig ist, wenn auf das eigene Einkommen des Kirchenmitglieds KiESt anfällt. So ergibt sich dies auch aus dem Wortlaut des Obiter dictum und den tragenden Gründen des BVerfG-Urteils 1 BvR 606/60, das lt. BVerfG 2 BvR 591/06 für die Heranziehung zur Kirchensteuer und zum besonderen Kirchgeld verfassungsrechtlich maßgeblich ist.
Damit sagt der BFH 2019 aber auch, dass seine Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei einem eigenen Einkommen nicht der "geklärten" verfassungsrechtlichen Rechtslage von 1965 entspricht, weil der BFH das besondere Kirchgeld auch "bei einem nicht unerheblich Eigenverdienst" des Kirchenmitglied für zulässig erklärt hatte (I B 43/06).
Auf dieser BFH-Rechtsprechung basiert praktisch aber die gesamte Rechtsprechung der unteren Gerichte. Sie ist damit ebenfalls hinfällig. Gleiches gilt für die Behördenpraxis.
Die weitere Diskussion geht allenfalls noch um die Frage, ob das besondere Kirchgeld bei einem geringen Einkommen ohne KiESt tatsächlich verfassungsrechtlich zulässig ist, wie es der BFH in seinen Beschlüssen I B 27/18 etc. behauptet. Da gibt es schon Gegenargumente.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Alles schön und immer noch nicht gut. Aber der ganze Komplex entbehrt nach wie vor der Stringenz und inneren Logik. Und vor allem dem, was man als recht und billig nach allgemeiner Verkehrsanschauung nennt.
Kirchenrepublik Deutschland, um mit Carsten Frerk zu sprechen.
V. Korndörfer am Permanenter Link
Ja. Aber nur so kommen wir voran.
Arno am Permanenter Link
Mein Einspruch gegen den Bescheid für 2018 auf Basis des neuen Musters von https://kirchgeld-klage.info/4-handlungsmoglichkeiten/2-verfahren-beim-finanzamt/#IV%202.3.1a wurde vom Finanzamt gerade abgelehnt.
Mario Lichtenheldt am Permanenter Link
Mit welcher Begründung?
Marcel am Permanenter Link
Bei mir hat das Bistum mit folgender Begründung abgelehnt (Ausschnitt aus vier Seiten mit vielen alten Beschlüssen):
Das ist die Antwort auf meine verwiesenen Urteile BFH I B 27/18 und I B 28/18.
Aus meiner Sicht ist diese Aussage nicht korrekt!?
Mario Lichtenheldt am Permanenter Link
"... das Besondere Kirchgeld bestätigt, obwohl der Kirchensteuerpflichtige über ein eigenes - wenn auch geringfügiges- Einkommen verfügte."
Ich glaube, hier liegt der Hase im Pfeffer. Ich verstehe es so: Das Einkommen ist nicht der Punkt. Das besondere Kirchgeld darf nur dann festgesetzt werden, wenn bei dem kirchensteuerpflichtigen Ehepartner keine Kirchensteuer anfällt. Das kann sowohl bei 0 Einkommen der Fall sein als auch bei sehr geringem Einkommen. Die Frage ist im konkreten Fall, um welche Beträge es geht und ob sich der Klageweg lohnt; der außergerichtliche Weg ist ja, wenn ich richtig verstehe, ausgeschöpft (Achtung! Fristen beachten!). Wenn ich mehr weiß, melde ich mich nochmal.