Der Bund für Geistesfreiheit München (BfG München) schließt sich der Forderung von Felix Klein, dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, an. Klein möchte erreichen, dass das "Judensau"-Relief an der Lutherkirche in Wittenberg entfernt wird.
In Deutschland gibt es mindestens 20 solcher Schmähskulpturen an christlichen Kirchen - in Bayern z.B. an Kirchen in Bayreuth, Regensburg, Nürnberg oder Bamberg, worauf der bfg München schon seit vielen Jahren aufmerksam macht.
Angesichts des Terroranschlags auf die Synagoge in Halle auf, fordert der bfg München die katholische und evangelische Kirche in Bayern auf, endlich ein Zeichen zu setzen:
"Gerade in einer Zeit, in der sich Antisemitismus und Rassismus in der Gesellschaft weiter ausbreiten, müssen solche Schmähskulpturen an christlichen Kirchen entfernt werden. Oder sie werden mit Hinweistafeln versehen, die deutlich machen, dass die 'Judensau'-Reliefs Ausdruck des im Christentum Jahrhunderte lang verbreiteten und geschürten Hasses gegen Juden sind, der zu Vertreibungen, Raub, Pogromen und schließlich zum Mord an den europäischen Juden durch die Nazis führte. Das ist bisher bei den wenigsten Hinweistafeln der Fall", sagt Michael Wladarsch, Vorsitzender des bfg München gegenüber dem hpd.
Das Bildmotiv der "Judensau" entstand im Hochmittelalter als häufiges Bildmotiv der antijudaistischen christlichen Kunst. "Es sollte Juden verhöhnen, ausgrenzen und demütigen, da das Schwein im Judentum als unrein (hebr. tame) gilt und einem religiösen Nahrungstabu unterliegt. Spottbilder mit dem Judensaumotiv sind seit dem frühen 13. Jahrhundert belegt und auf Steinreliefs und Skulpturen an etwa 30 Kirchen und anderen Gebäuden vor allem in Deutschland bis heute zu sehen." (Wikipedia)
Bereits seit den 1830er Jahren sind Schimpfwörter wie "Judensau" oder "Judenschwein" in der deutschsprachigen Literatur belegt. "Die Nationalsozialisten griffen diese Bildmotive und Schimpfwörter auf und verwendeten sie zur Hetze, Verleumdung, Demütigung und Bedrohung." Die Nutzung dieser Ausdrücke kann hierzulande als Volksverhetzung geahndet werden. Umso unbegreiflicher, dass die entsprechenden Figuren an Kirchen in Deutschland bislang ohne Konsequenzen blieben.
20 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Das zeigt doch deutlich die wahre Gesinnung unserer " Christlichen" Regierung, dass man diese Schandmale nicht gleich nach 1945 entfernt hat und dies ist Wasser auf die Mühlen der ewig Nationalen in der AfD.
Bruno Mattes am Permanenter Link
Widerspruch: ein Schandmal ja - aber wofür ? Gerade deshalb sollte man es - d.h. die Judensau - original belassen, weil in hohem Maße anschaulich.
verschwinden lässt.
Karl Mühlbichler am Permanenter Link
Wie weit sind wir gesunken. Das Relief „Die Judensau „ stellt Menschen jüdischer Herkunft dar, die auf das Abartigste was es gibt dargestellt werden.
So eine Denunzierung im 21. Jahrhundert die sogar noch von Gerichten als Historie angesehen wird, ist die größte Schande für uns Deutsche. Ich frage mich? Welcher Hinderungsgrund steckt dahinter solche furchtbare Reliefs zu beseitigen die sogar an Kirchen angebracht sind.
Ich schäme mich jedenfalls, dass niemand fähig ist hier einzugreifen.
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Die „Judensäue“ sollen ruhig an den Kirchen bleiben. Sie sind der Beweis, dass Anti-Judaismus und Anti-Semitismus von den Kirchen ausging und immer noch ausgeht. Seien sie uns eine Mahnung.
Die Beleidigung der Juden wird heute lediglich in anderer Form fortgesetzt, z.B durch das unerträgliche Geschwafel vom jüdisch-christlichen Abendland. Nach 2000 Jahren Verfolgung von einer gemeinsamen Geschichte zu reden, heißt nur, dass unsere Politiker immer noch nicht verstanden haben, was Judentum und jüdischer Glaube überhaupt bedeuten. Der heute aktuelle Anti-Semitismus in Deutschland ist eine direkte Folge dieses falschen Verständnisses, wie es von Kirchen und Politikern gepredigt wird. Und genau dafür sind die „Säue“ ein treffendes Sinnbild.
Dr. Jochen Lengerke am Permanenter Link
Martin Luther war sehr angetan über das hier abgebildete "Kunstwerk". In seinem Pamphlet "Von den Jüden und iren Lügen" schreibt er 1543:
Es ist hie zu Wittenberg an unserer Pfarrkirche eine Sau in Stein gehauen; da liegen junge Ferkel und Juden drunter, die saugen; hinter der Sau steht ein Rabbin, der hebt der Sau das rechte Bein empor, und mit seiner linken Hand zieht er den Pirzel über sich, bückt und guckt mit großem Fleiß der Sau unter dem Pirzel in den Talmud hinein, als wollt er etwas Scharfs und Sonderlichs lesen und ersehen. Daher haben sie gewisslich ihr Schem Hamphoras.
Begriffserklärung:
Pirzel Schweineschwanz
Rabbi Gelehrter innerhalb der jüdischen Tradition
Schem
Hamphoras hebräischer Name für den "unaussprechlichen Namen Gottes"
Talmud eines der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums
Ich meine nicht, dass die Judensauen zu entfernen sind. Sie sind ein wichtiges Denkmal und dokumentieren eindrücklich die Position der Kirche, die heute noch im alltäglichen Antisemitismus Früchte trägt. Ich gehe sogar noch weiter: Auf diese Machwerke ist besonders hinzuweisen - gern auch mit dem Luther-Zitat. Dessen ekelhafter Antisemitismus ist viel zu wenig bekannt.
Lila Grütze am Permanenter Link
Diese Bildwerke sollten auf keinen Fall entfernt werden, sondern mit Tafeln zur Erklärung und zum Gedenken, welche die Distanzierung von Antisemitismus klar zum Ausdruck bringen, versehen werden.
ottokar am Permanenter Link
ich möchte mich ausdrücklich für die "Judensau" aussprechen.
Ebenfalls entfernen müsste man dann auch die reaktionären Segenssprüche in vielen Kirchen, die sich auf unsere heldenhaften Wehrmachtssoldaten beziehen und deren Einsatz für Gott und Vaterland verherrlichen.
Die Einstellung jeglicher Zahlungen an die Kirchen und die Übernahme der sozialen Kircheneinrichtungen ist die entscheidende Forderung die hier verwirklicht werden müsste.
Epikur am Permanenter Link
Die Schmähskulpturen der Kirchen sind aber historische Zeugnisse. Ich finde, die christlichen Kirchen sollen auf solche Gebäude verzichten, und diese sind unter einen staatlichen Denkmalschutz zu stellen.
Karl kraus am Permanenter Link
Diese Skulpturen gehören zu der Kirche und ihrer Religion dazu wie andere Darstellungen und Texte, welche die gleiche Botschaft vermitteln. Sollten auch ebensolche beseitigt werden?
Marek Nowakowski am Permanenter Link
Die Entfernung der Schmähskulpturen in Form einer "Judensau" an Kirchen würde dazu führen, dass die Beweise der seit Jahrhunderten von Christen praktizierten Judenhasses und Antisemitismus unwiederbringlich
Selbstverständlich sollten sie Hinweistafeln versehen werden, die, wie im Artikel beschrieben, ihre Bedeutung erläutern.
Jürgen Becker am Permanenter Link
...und das alles unter der Überschrift: "Christlich-jüdische Zusammenarbeit"!!!
Martin Fischer am Permanenter Link
"Man sollte die Synagogen der Juden niederbrennen, ihre Häuser zerstören, ihnen ihre Bücher wegnehmen und den Rabbinern das Lehren verbieten" - schrieb damals das grosse Vorbild der Deutschen: Martin Luther.
Roland Weber am Permanenter Link
Man kommt im Verständnis von Geschichte nie weiter, wenn man alles, was "unzeitgemäß ist" vernichtet - und sei es noch so abscheulich. Auch KZs darf man deshalb nicht abreisen, sondern muss sie bewahren.
"... Oder sie werden mit Hinweistafeln versehen, die deutlich machen, dass die 'Judensau'-Reliefs Ausdruck des im Christentum Jahrhunderte lang verbreiteten und geschürten Hasses gegen Juden sind, der zu Vertreibungen, Raub, Pogromen und schließlich zum Mord an den europäischen Juden durch die Nazis führte.
... gegen Juden sind, der zu Vertreibungen, Raub, Pogromen und schließlich zum Mord an den europäischen Juden durch die Nazis führte."
Nach meiner Ausarbeitung ist das Nibelungenlied z.B. eine literarische Reaktion und Anklage gegen den ersten Kreuzugsaufruf durch einen Papst. Das bis dahin friedliche Nebeneinander von Christen und Juden wurde schlagartig beendet und nie wieder hergestellt. Auch wenn dies nicht das vorrangige Ziel der Kreuzzüge war, das Morden an Juden auf dem Zug ins sog. Heilige Land kam der Kirche nicht ungelegen. Die Pogrome nach 1095/1096 finden ihre Spiegelung im Nibelungenlied - "Der Nibelungen Not". Diese Deutung wird gewiss der mehr oder weniger christlichen Forschung nicht gefallen: Siegfried als Usurpator im Namen des Christentums und Hagen als "staatstreuer" Jude und in Notwehr Handelnder sowie eine Kriemhild als allegorische römische Kirche auf der Suche nach dem Heil (Hort).
David Z am Permanenter Link
Aus dem Auge, aus dem Sinn? Ich halte es dann doch für dringlicher, sich dem aktuellen Antisemitismus zu widmen anstatt dem mittelalterlichen. Aber schnell mal das Gewissen beruhigen fühlt sich halt so gut an.
Topeka am Permanenter Link
Katholisch motivierte Judenhetze kommt in Deutschland nur noch sehr selten vor.
Seb am Permanenter Link
Mir war das neu, habe etwas gelernt. Insofern ist es vllt. im Sinner der Aufklärung die bessere Wahl bei derartige Darstellungen mit entsprechenden Schildern o.Ä. darauf hinzuweisen, als sie zu entfernen!?
Angela am Permanenter Link
Diese Art von Schmähfiguren müssen unbedingt (und vielmehr mit erläutenden Hinweisen versehen) erhalten bleiben!!
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Ich würde gern eine Stellungnahme der betroffenen Kirchen lesen.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Nachdem ich alle Kommentare dazu gelesen habe, schließe ich mich der Meinung an, dass
man diese Schandmale mit einer aufklärenden Tafel versehen sollte um die Gesinnung der Kirchen deutlich zu machen.
Roland Fakler am Permanenter Link
Erhalten + Erklären = Lernen