Die "Reform" des kirchlichen Arbeitsrechts

Ein erster Schritt: die katholische Kirche bewegt sich millimeterweise

BERLIN. (hpd) Die Deutsche Bischofskonferenz hat eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts beschlossen. Der hpd sprach über Hintergründe und Inhalte der Reform sowie die Forderungen aus säkularer Sicht mit der ehemaligen Politikerin Ingrid Matthäus-Maier, der Sprecherin von GerDia (Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz)

hpd: Was genau und welche Änderungen haben die Bischöfe in der geänderten "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" beschlossen?

Ingrid Matthäus-Maier: Geändert hat sich, dass eine Zweitehe (Wiederverheiratung nach einer Ehescheidung) und das Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft nicht mehr automatisch zu einer Kündigung führen. Außerdem soll es eine gewisse Differenzierung der Tätigkeiten geben nach der Nähe zum Sendungsauftrag. Das ist zu begrüßen, denn das wird im Einzelfall wohl zu Erleichterungen für die Betroffenen führen.
 

Das scheint mir doch eher ein Sturm im Wasserglas zu sein und den Begriff "Reform" nicht zu rechtfertigen. Sehen Sie das ebenso?

Ja. Das ist keine grundlegende Reform, denn es bleiben grundsätzliche Kritikpunkte:

  1. Es besteht keine Rechtssicherheit: auch weiterhin weiß kein Betroffener, ob ihm gekündigt wird, ob ihn die Abwägung positiv betrifft oder nicht. Hier kann die Kirche weiterhin nach Gutsherrenmanier entscheiden. Rechtsunsicherheit ist aber für z.B. einen Geschiedenen, der erneut heiraten will und nicht weiß, was wird, oder für Homosexuelle, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen wollen, eine schwere menschliche Belastung.

  2. Nach wie vor verstoßen die genannten Loyalitätsobliegenheiten gegen die Grundrechte und die europäischen Menschenrechte. Das Eingehen einer Lebenspartnerschaft oder eine Wiederverheiratung als Loyalitätsverstoß anzusehen, ist ein Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention. So erklärt sich auch, weshalb der Vatikan (so wie auch Weißrussland) die Europäische Menschenrechtskonvention nicht unterschrieben hat.

  3. Konfessionsfreie werden nach wie vor benachteiligt. Bei einem Bevölkerungsanteil von rund 37 Prozent werden diese nur dann eingestellt, wenn die Kirchen nicht genügend gläubige Arbeitnehmer finden können. Konfessionsfreie Arbeitnehmer bleiben Beschäftigte 2. Klasse. Das ist ein Skandal - zumal Sozialeinrichtungen wie Kindergärten, Krankenhäuser oder Altenheime mit über 90 Prozent - in vielen Fällen sogar zu 100 Prozent - von der Allgemeinheit finanziert werden.

  4. Der Streik bleibt ausdrücklich ausgeschlossen.

  5. Da die Umsetzung der Reform bei den Diözesen verbleibt, lässt sich derzeit noch nicht sagen, wie das Ganze ausgeht, wo und wann und in welchem Rahmen das umgesetzt wird.

Meiner Auffassung nach ist diese sog. "Reform" ein minimales Einlenken der Kirchen aufgrund des großen öffentlichen Drucks, der unter anderem auch durch GerDia erreicht wurde. Immer deutlicher wird Kritik am sog. "Dritten Weg" auch in den Medien geäußert. Würden Sie diesen Eindruck bestätigen?

Ja, dieses "Reförmchen" zeigt, dass gesellschaftlicher Druck - auch aus der Kirche selbst - aber vor allem durch GerDia und auch durch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, durchaus eine Wirkung zeigt, wenn auch noch zu langsam.
 

Welche Schritte wären Ihrer Meinung nach notwendig, damit tatsächlich von einer Reform des kirchlichen Arbeitsrechts gesprochen werden kann?

Unser Ziel muss weiterhin bleiben, dass die Politik den § 118, Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz abschafft, wonach das Betriebsverfassungsgesetz nicht für die Kirchen gilt. Der für Tendenzbetriebe notwendige Tendenzschutz nach Absatz 1 bliebe ja erhalten, sowie er z.B. auch für Sozialinstitutionen wie die AWO oder den Paritätischen Wohlfahrtsverband gilt.

Außerdem muss es in allen Regionen der Bundesrepublik säkulare Sozialeinrichtungen in erreichbarer Nähe geben. In einigen Gegenden wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz haben die konfessionellen Einrichtungen Monopolcharakter: oft sind weit über 50 Prozent oder sogar fast alle sozialen Einrichtungen in kirchlicher Hand.
 

Herzlichen Dank für das Gespräch.
 

Das Interview führte Frank Nicolai für den hpd.