Glosse

Das "Vaterunser" ein Quotenhit?

Der KURIER hat eine Umfrage gestartet, ob das "Vaterunser" einen neuen Text braucht, wie der besorgte Papst Franziskus es vorgeschlagen hat, oder nicht. Stein des Anstoßes ist die Zeile "und führe uns nicht in Versuchung!", die quasi insinuiert, dass Gott etwas mit der Versuchung zu tun hätte. Man führt den Text auf eine mangelhafte Übersetzung zurück. Franziskus bemängelt, dass es der böse Satan sei, der uns in Versuchung führe und nicht Gott.

Da soll noch einer einmal sagen, dass bei der Kirche nichts weitergeht! Frankreich hätte den Text bereits umgestellt, In Italien wird noch ein perfekterer Text gesucht.

Offenbar geht das Thema den Lesern des KURIER nicht, wie man vermutet hätte, vollkommen am A… vorbei, denn die Umfrage ergab einen zustimmenden Wert von 57 Prozent. Nur 43 Prozent bekannten sich gegen die Umstellung. Diese dürften schlaflose Nächte verbracht haben bei dem Gedanken, dass die Versuchung von Gott direkt gesandt worden wäre. Dazu kommen die zahlreichen Gläubigen, die das wenige, das in der Religion logisch ist, bewahren wollten. Immerhin hat es was für sich, dass Gott die Menschen nicht in die Pfanne hauen möchte, obwohl die Verleihung des freien Willens schon Fragen in diese Richtung offen lässt.

Aber 57 Prozent von Umstellungsbefürwortern bilden nun keine undurchdringliche Phalanx an Konservativen. Franziskus ist angesichts der monumentalen Probleme, die er zu bewältigen hat – Katholikenschwund in Europa, Priestermangel und Missbrauchsepidemie – auf die Methode der kleinen Schritte gekommen. Aber möglicherweise möchte Vatikan-Franze das Thema auch forcieren, damit die Katholiken, die den Text seit Äonen gedankenlos herunterleiern, endlich logischer beten lernen. Denn man kann sagen, was man will, da ist etwas dran, dass der Text einer gewissen Unlogik nicht entbehrt, was im religiösen Kontext sofort auffällt, während Himmelfahrten und Transsubstantiationen in diesem Kontext völlig logisch sind, denn Heilande fahren nun mal in den Himmel auf. Das war schon immer so.

Aber seit 200 Jahren, in denen so gebetet wurde, ist den Päpsten nur diese Unlogik aufgefallen, die nun beseitigt werden soll. Um sie gründlich zu beseitigen, ist in Italien sogar ein Wettbewerb für die beste Übersetzung eingerichtet worden. "Und überlass uns nicht der Versuchung" war ein Vorschlag, der schon mal logischer klingt, da nun Gott als Versucher ausscheidet.

Der Humanistische Verband Österreich (HVÖ) in Wien hat das auf seiner FB-Seite als aufgelegten Elfer empfunden und nun ebenfalls einen Wettbewerb ins Leben gerufen, der die Zeile kreativer und vielleicht volksnäher gestalten soll. Die Kirchenkritiker kamen mit Lösungen, die kaum Chancen auf Umsetzung haben werden, jedoch ein Lacherfolg werden könnten. "Und zieh uns aus allen Schulen ab…" oder "Und schau kurz weg, wenn wir der Versuchung erliegen" waren da angebotene Textzeilen. Wer noch bessere hat, der möge sie auf der Facebook-Seite veröffentlichen.

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Auf Hinweis eines aufmerksamen Lesers hat die Redaktion den Artikel am 05.02.2020 korrigiert. Ursprünglich war von "57 Prozent von Umstellungsgegnern" die Rede; gemeint sind jedoch Befürworter.