Brasilien: Kirchen und rechte Politik gegen den Karneval

Weltweit ist der Karneval in der brasilianischen Stadt Rio de Janeiro ein Inbegriff für farbenprächtige Kostümierung und Samba. Der rechten Regierung ist der Karneval mit seinem Einsatz unter anderem für Diversität und Frauenrechte sowie seinen regierungskritischen Shows ebenso ein Dorn im Auge wie einigen Kirchen. Nachdem den Sambaschulen in diesem Jahr die staatlichen Gelder komplett gestrichen wurden, zeigt sich ihr Protest gegen menschen- und umweltfeindliche Zustände noch deutlicher. Die Kirchen rufen zum Boykott auf und scheuen selbst vor Hetze nicht zurück.

Am Freitag begann der Carnaval (Karneval) in der im Südosten Brasiliens gelegenen Metropole Rio de Janeiro; enden wird er am Mittwoch, den 26. Februar 2020. In den Karnevalsnächten traten und treten dabei die Sambaschulen der Stadt im Sambódromo im Wettkampf gegeneinander an. Eine Jury vergibt dabei Punkte und kürt die Siegesschule.

Bisher wurden die Sambaschulen mit staatlichen Zuschüssen unterstützt. Diese wurden seit Antritt der rechten Regierung unter Jair Bolsonaro immer härter kritisiert und vom Bürgermeister Rios, Marcelo Crivella, schließlich komplett gestrichen. Die Streichung der Gelder verwundert wenig, ist doch Crivella zudem noch Bischof der evangelikalen Freikirche Igreja Universal do Reino de Deus ("Universalkirche des Königreichs Gottes"), einer Kirche, der der Karneval mit seinen kritischen Stimmen und schillernden Protesten ein Dorn im Auge ist.

Nach Angaben der Tagesschau hat jedoch die Streichung der finanziellen Unterstützung nicht dazu geführt, die Sambaschulen mundtot zu machen. Vielmehr haben diese nun keine Förderung mehr zu verlieren und geben sich kämpferischer denn je. Die Tänzer*innen der Sambaschule "Grêmio Recreativo Escola de Samba Estação Primeira de Mangueira", kurz Manguiera, Sieger*innen des letztjährigen Karnevals, zeigen offen ihre Kritik an der Politik Bolsonaros, indem sie einen verarmten, weiblichen, schwarzen Jesus auftreten lassen.

Für die Kirchen ein Grund zu schäumen, zu Boykott des Karnevals aufzurufen, Unterschriftenlisten gegen die Sambaschulen anzulegen und gar nach Strafen wegen Blasphemie zu rufen.

Bereits letztes Jahr hatte ein rechter Politiker im Zuge des Karnevals hohe Strafen für vermeintlich blasphemische Handlungen gefordert, statt die Kritikpunkte als Grundlage für eine Politik zu verwenden, die Minderheiten schützt, Frauenrechte stärkt und den Schutz der Umwelt ausweitet.

Am Rande des aktuellen Karnevals fanden und finden sich auch die getanzten Proteste von Frauen-Organisationen, die Gewalt anprangern. Sie schließen sich damit Frauen von Mexiko bis Chile an, die sich gegen Femizide und sexualisierte Gewalt wehren.

Ebenfalls am Rande fand eine Veranstaltung der baptistischen "Igreja Batista Atitude" statt, die ihren eigenen kleinen Umzug mit Trommeln, Tanz und Gebeten unter dem Slogan "Sou cheio de amor" (Ich bin voller Liebe) im Osten der Stadt abhielt.

Für Rio de Janeiro ist der Karneval nicht nur eine Tradition, sondern tatsächlich ein starker Wirtschaftsfaktor. Immerhin zieht er nicht nur jedes Jahr Millionen von Besucher*innen in die Stadt, sondern treibt auch den reichlichen Handel mit Ausrüstung für Kostüme und weiterer Ausstattung an, der die Kassen Bürgermeister Crivellas füllt.

Unterstützen Sie uns bei Steady!