Film in Zeiten der Corona-Pandemie

"Auch diese Krise werden wir unter Kontrolle kriegen"

In Berlin, in Cannes, in Teheran, in Dhaka und vielen anderen Orten sind Filmschaffende zur Untätigkeit verdammt. Ein Virus hat unsere globalisierte Welt gestoppt. Wie gehen Menschen, die mit der ganzen Welt vernetzt arbeiten, mit dieser Situation um?

Filme bringen die Welt auf die Leinwand, sie erzählen von anderen Leben, anderen Ländern, und doch auch immer von uns selbst, die wir uns in den Filmen suchen und manches Mal finden.

Ahmed Muztaba Zamal, Leiter des Filmfestivals in Dhaka, Herausgeber eines Filmmagazins und Jurymitglied bei diversen Festivals, berichtet aus Dhaka. 1

hpd: Wie geht es Ihnen in dieser Situation? Können Sie arbeiten?

Ahmed M. Zamal: Es ist sehr hart, in dieser Situation zu arbeiten. Ich kann nicht ins Büro, meine Mitarbeiter*innen ebenso wenig und wir sind alle isoliert. Schätzungsweise zehn Prozent meiner Arbeit kann ich von zuhause, mit meinem Mobiltelefon, erledigen. Unsere Technik jedoch ist im Büro und auch viele Unterlagen.

Hinzu kommt, dass ich ein sehr aktiver Mensch bin und diese Quarantäne an meinen Nerven zehrt, weil ich so viele Dinge zu tun habe. Ich war nie jemand, der untätig im Sessel sitzt.

Der Einsendeschluss für die Filme für unser Dhaka Filmfestival ist im September, auch hier sind wir im Gespräch mit Filmemacher*innen und müssen Filme sichten.

Unser Alltag wurde gestoppt, das ist frustrierend.

Sie arbeiten mit einem globalen Terminkalender, der viele Termine in verschiedenen Ländern beinhaltet. Welche Festivals werden Sie nicht besuchen können aufgrund der Corona-Krise?

Definitiv abgesagt wurde das Filmfest in Cannes in Frankreich im Mai und das Fajr-Festival in Teheran im April. In Shanghai im Juni und in Norwegen Anfang August finden auch Filmfestivals statt beziehungsweise vielleicht finden sie nicht statt, sie wurden bisher nicht abgesagt. Wir alle leben im Moment, ohne wirklich planen zu können.

Seit 1992 leiten Sie das Internationale Filmfestival in Dhaka, das auch 2021 vom 16. bis 24. Januar stattfinden soll. Sind Sie in Sorge, dass sich diese Ausnahmesituation bis dahin hinzieht?

Mir bereiten im Hinblick auf unser Dhaka Filmfestival eher die Folgen der Corona-Krise Kopfschmerzen. Unser Festival wird zum Teil aus Staatsgeldern finanziert, verschiedene Institutionen ermöglichen unser Festival. Wir können nicht abschätzen, wie sich die wirtschaftliche Situation verändern wird. Das hängt natürlich davon ab, wie lange es dauert, bis wirksame Impfungen entwickelt worden sind.

Ahmed Muztaba Zamal
Ahmed Muztaba Zamal, Foto: privat

Sie sind auch selbst Filmemacher und haben Dokumentarfilme produziert, unter anderem einen Film über das Nowruzfest in Bangladesh, das von allen Menschen gefeiert wird, unabhängig von religiöser Zugehörigkeit. Drängt es Sie, einen Dokumentarfilm über Corona zu drehen? Spiegelt diese Pandemie nicht auch unsere globalisierte Welt und zeigt deutlich auf, wo und wie Menschen solidarisch denken und handeln und wo ungerechte Zustände noch ungerechter werden?

Es wird sicherlich hunderte von Dokumentarfilmen über und auch nach Corona geben. Ich selbst jedoch bin völlig ausgelastet damit, unser Festival vorzubereiten. Für eine Dokumentation müsste ich sechs Monate freie Zeit haben, nur für den Film. Diese Zeit habe ich nicht. Mein Team besteht aus 15 Leuten. Unser Festival hat verschiedene Sektionen, darunter auch ab 2021 eine politische, in der es um politische Figuren geht, die sich erfolgreich für soziale Verbesserungen eingesetzt haben. Das alles muss organisiert, geplant und umgesetzt werden.

Wie gehen Sie um, mit den Unwägbarkeiten des Lebens, die uns gerade bestimmen?

Natürlich bin ich frustriert. Gleichzeitig jedoch akzeptiere ich die Realität. Und da ich im Grunde meines Herzens ein Optimist bin, weiß ich, auch diese Krise werden wir unter Kontrolle kriegen. Das menschliche Gehirn ist solide, es bringt Erstaunliches hervor, auch in Zeiten der Not.

Es wird noch andere Auseinandersetzungen dieser Art geben. Das Eis, das an den Polen schmilzt und die Permafrostböden, werden einige uns unbekannte Organismen freisetzen. Wir sind mit unserer Umwelt verbunden, derartige Krisen haben mit Umweltzerstörung und verantwortungslosem Verhalten zu tun.

Das Interview führte Susan Navissi auf Englisch für den hpd.

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Ahmed Muztaba Zamal ist der Leiter des Internationalen Filmfestivals in Dhaka, Bangladesch. Er ist auch Filmkritiker und Herausgeber von Celluloid, einem Magazin, das vierteljährlich erscheint.

A. M. Zamal nahm 1991 am Münchner Filmfestival teil und organisierte bereits 1992 das erste Internationale Filmfestival in Dhaka. Er war Mitglied von FIPRESCI, der internationalen Föderation von Filmkritiker*innen in der unabhängigen Jury der Berlinale in 1998 und 2018 sowie bei den Filmfestspielen in Cannes in den Jahren 2002, 2005 und 2009 sowie in Venedig 2007.

Seine Dokumentarfilme sind: Truth and Beyond (2006) über Islam in Bangladesch.

Smritir Minar (A Monument of Memories) zeigt die Teilnahme Bangladeschs am Tag des Sieges: Vijay Diwas (Victory Day), auch 2006, eine Zeremonie, die das Ende des Indisch-Pakistanischen Krieges und gleichzeitig den Befreiungskrieg Bangladeschs 1971 zelebriert.

Pahela Baishakh (2011) zeigt in wunderbaren Aufnahmen das bengalische Neujahrsfest, das von allen Gruppen gefeiert wird.


  1. Bangladesch und Indien erklärten am 25. März 2020 die Ausgangssperre. Noch während dieses Interviews wurde diese verlängert bis zum 14. April 2020. ↩︎