MIZ 1/20 erschienen: Bühne Kulturpolitik

Die aktuelle MIZ wirft einige Schlaglichter aus säkularer Perspektive auf den Bereich Kulturpolitik. Im Schwerpunkt geht es um Kunstfreiheit und den Kampf um kulturelle Hegemonie. Dabei zeigt sich, dass ein universalistisches Kulturverständnis von verschiedenen Seiten unter Druck gerät.

Nicole Thies verweist in ihrem Editorial darauf, dass die Kirchen bedeutende Akteure im Kulturbereich sind. Mehrere Milliarden Euro geben sie jährlich für Kulturelles aus und gestalten dadurch auch den öffentlichen Raum mit. Am Beispiel des Humboldtforums, dem Neubau des Berliner Stadtschlosses, wird erkennbar, welche Bedeutung die Sichtbarkeit von Religion im Kampf um eine konservative kulturelle Hegemonie hat. Als Zentrum für einen "Dialog der Kulturen" gedacht, krönt das Gebäude nun ein großes Kreuz. Finanziert von einer privaten Spenderin, gefördert von der CDU-Kulturstaatsministerin, begrüßt nicht nur von den Kirchen, sondern auch vom Zentralrat der Muslime. Ein Triumphzeichen für den Sieg des preußischen Königtums über die demokratischen Revolutionäre von 1848 anstatt eine Erinnerung an die Tradition der Aufklärung.

Deutsche Leitkultur

Auch die Kulturpolitik der Alternative für Deutschland (AfD) ist auf eine homogene Kultur ausgerichtet. In ihrem Artikel zeigt Manuela Lück, wie die AfD sich als Bewahrerin der "deutschen Nation" darstellt, wie sie ihre Vorstellungen beispielsweise im Bereich der Theater durchzusetzen versucht und in welcher ideologischen Tradition sie sich dabei bewegt.

Während sich die politische Rechte hier von ihrer Zensur-Seite präsentiert, also die Absetzung missliebiger Stücke oder die Kürzung öffentlicher Zuschüsse fordert, nimmt sie an anderer Stelle für sich in Anspruch, die Kunstfreiheit zu verteidigen. Der Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich erklärt im Interview den Hintergrund. Dabei geht es nicht nur um geschickte Selbstdarstellung der Rechten, sondern auch um ein sich veränderndes Verhältnis der Linken zur Kunstfreiheit.

Serie: Aufklärung

Im vergangenen Heft der MIZ begann mit einem Artikel von Hermann Josef Schmidt eine Serie, die Leistung und Versagen der Aufklärung beleuchten soll. Diesmal geht der Philosophiehistoriker Philipp Blom im Interview einigen grundsätzlichen Fragen nach, etwa, warum die Aufklärung ausgerechnet in Europa geschichtswirksam wurde und welche "blinden Flecke" sie hatte.

Sterben, zahlen, lernen

In der Rubrik "Staat und Kirche" geht es zunächst um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum "Sterbehilfe-Verhinderungs-Paragraphen" 217 StGB. Gerhard Rampp sieht darin einen historischen Einschnitt, weil erstmals das Selbstbestimmungsrecht auch in der Frage des eigenen Todes von Karlsruhe anerkannt wurde und religiöse Interpretationen ethischer Normen nicht mehr als allgemein verbindlich gesehen werden.

Mit der Initiative der Oppositionsparteien FPD, Grüne und Linke für ein Gesetz, das nach über 100 Jahren den Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen umsetzt, beschäftigt sich Daniela Wakonigg. Sie betont, dass die Idee im säkularen Spektrum zwar grundsätzlich begrüßt wird, die vorgeschlagenen Ablösemodalitäten aber kritisch gesehen werden.

Auf ein in Kürze anstehendes Jubiläum weist Horst Groschopp hin. Im Mai vor 100 Jahren erhielt die erste Weltliche Schule die "Ministererlaubnis" und konnte den Betrieb aufnehmen. Am Ende gab es etwa 200 dieser auf eine sozialdemokratische Klientel ausgerichteten Schulen, in denen es statt Religionsunterricht Lebenskunde gab – bis der Nationalsozialismus dem freigeistigen Spuk unter dem Applaus der Kirchen ein Ende bereitete.

Entern und ändern

Im Herbst soll ein evangelikales Missionsschiff in Bremen anlegen. Aus diesem Anlass erinnern Aktivisten des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) an Positionen und Ziele der Evangelikalen, erklären, warum diese sich Bremen als diesjährige Anlaufstelle ausgesucht haben und mobilisieren für Protestaktionen.

Die Gültigkeit der Istanbul-Konvention für alle Frauen zu erstreiten, fordert Nicole Thies. Im längsten Beitrag des Heftes erläutert sie, warum und für wen die eigentlich wegweisende Vereinbarung zum Schutz von Frauen vor Gewalt in Deutschland nur eingeschränkt gilt. Nicht nur weil es gerade religiöse Organisationen sind, die die "heiligen, patriarchalen Familienbilder" gegen die Konvention in Stellung bringen (wie etwa die katholische Kirche in Tschechien), empfiehlt sie den säkularen Organisationen, dem Thema größte Bedeutung einzuräumen. Und das heißt in erster Linie, sich für eine Abschaffung des "Vorbehalts" einzusetzen, mit dem die Bundesregierung einen wesentlichen Artikel belegt hat – was vor allem Auswirkungen für geflüchtete Frauen hat.

Daneben gibt es noch die üblichen Rubriken Blätterwald und Internationale Rundschau sowie die Glosse Neulich... (bei der heiligen Corona).

Weitere Informationen zur aktuellen MIZ auf der Webseite der Zeitschrift: www.miz-online.de

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