Raffia Arshad ist die erste Richterin mit Kopftuch in Großbritannien. Während der Hijab in säkularen Kreisen als Symbol für ein menschenverachtendes Frauenbild gilt und das Tragen im öffentlichen Dienst in Deutschland heftig debattiert wird, präsentiert sich Arshad als Vorkämpferin für gesellschaftliche Vielfalt. Sie wolle Frauen ermutigen, Karriere zu machen, auch mit Kopftuch, erklärt die 40-Jährige im Zeitungsinterview.
Die Juristin mit Oxford-Abschluss wurde Ende Mai zum "Deputy District Judge" für die Region Midlands ernannt. Hierbei handelt es sich um einen nebenberuflichen Richterposten am County Court, ähnlich dem Amtsgericht in Deutschland. Die Deputy District Judges verhandeln auf Honorarbasis an mindestens 15 Sitzungstagen jährlich einfache Zivilsachen.
Aufgewachsen in Yorkshire in einer Familie ohne akademischen Hintergrund, sieht sich Raffia Arshad als Wegbereiterin für andere muslimische Frauen, die eine juristischen Laufbahn einschlagen wollen. Ihre Ernennung zur Richterin sei mehr als nur ein individueller Erfolg, nämlich eine große Errungenschaft für jede Person mit diversem Hintergrund, sagte sie gegenüber dem Magazin metro.uk.
Obgleich sich die Behörden bemühen würden, Diversität zu fördern, habe dies keinen Einfluss auf ihre Berufung gehabt, beteuert Arshad. "Ich wurde wegen meiner Verdienste ausgewählt, nicht weil ich den Hijab trage. Nun ist es meine Aufgabe, dem Klang der Diversität laut und deutlich Gehör zu verschaffen, damit er die richtigen Stellen erreicht."
Diversität – gesellschaftliche Vielfalt – dürfte auch der Prüfstein sein, an dem sich der Erfolg der neu ernannten Richterin im neuen Amt messen lassen muss. Einerseits repräsentiert sie gleich mehrere an britischen Gerichten extrem unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen. Laut einer Statistik von April 2019 sind von den 3.210 Personen im Richteramt in Großbritannien nur 1.013 (31 Prozent) Frauen, lediglich 205 (6 Prozent) gehören einer anderen Gruppe als der weißen an.
Andererseits widerspricht das islamische Recht in vielen Fragen dem zeitgemäßen westlichen Verständnis von einer diversen Gesellschaft. Konflikte sind also vorprogrammiert. Dies gilt besonders für Arshads Arbeitsschwerpunkt. Sie ist seit 17 Jahren im Bereich des Privatrechts tätig, hauptsächlich im Familienrecht. Zu ihren Fachgebieten gehören Zwangsehe, weibliche Genitalverstümmlung und andere Fälle, in denen das islamische Recht eine Rolle spielt.
"Islamic Family Law" ist auch der Titel ihres 2010 veröffentlichen Fachbuches. Dem Verlag zufolge "hilft das Buch, die Bedürfnisse derjenigen Klienten zu erfüllen, die das muslimische Recht (Scharia) befolgen möchten". Weiter heißt es, der Band erkläre "die Überschneidung mit dem englischen Recht" und biete "eine umfassende Erläuterung der Rechtsmittel, die muslimischen Klienten zur Verfügung stehen".
In Großbritannien kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen muslimischen Interessenvertreter*innen und einem zeitgemäßen westlichen Verständnis von gesellschaftlicher Vielfalt, zuletzt etwa bei der strengen Geschlechtertrennung an einer Schule oder anlässlich eines LGTBI-freundlichen Unterrichts.
In Deutschland gibt es bislang keine Personalie, die mit Raffia Arshad vergleichbar wäre. Jedoch darf der Gesetzgeber bei Rechtsreferendarinnen das Kopftuch verbieten, wenn sie als Repräsentantinnen der Justiz oder des Staates wahrgenommen werden, also etwa auf der Richterbank. Das entschied das Bundesverfassungsgericht im Februar mit Hinweis auf die Pflicht, im Rechtsreferendariat die weltanschaulich-religiöse Neutralität zu wahren.
8 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Erst der Hijab in den englischen Gerichtssälen, dann die Scharia, wehret den Anfängen!
Muslimische Weltanschauung und Gesetze dürfen nicht durch die Hintertürchen in Europäische Länder gelangen.
in Deutschland.
SG aus E am Permanenter Link
Würde die unausgesprochene Unterstellung zutreffen, hätte eine kopftuchtragende Kandidatin nie und nimmer eine Chance, zur Richterin berufen zu werden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Richter_(Deutschland)#Ausbildung_und_Einstellung
Peter Schmitt am Permanenter Link
Entschuldigung,aber das ist das Hinterletzte!!
Religiöse Zeichen haben da nichts zu suchen!
Carola Dengel am Permanenter Link
Lieber Peter Schmitt, die Verhüllung der Frau ist kein religiöses Zeichen, wie uns der fundamentalistische politische Islam eingebläut hat, zum Bild DER Muslimin schlechthin propagiert.
Außerdem gibt es das wunderbare Buch von Wassyla Tamzali: Eine zornige Frau, Brief aus ALgier an die in Europa lebenden Gleichgültigen. Mit einem Essay von Naila Chikhi als Nachwort, die das ganz genau erläutert. Bei ALIBRI.
Unechter Pole am Permanenter Link
Ein Kopftuch (Kreuz, Kippa, usw.) beim Juristen ist ein Eingeständnis der mitunter fehlenden Verfassungstreue, auf jeden Fall aber der Befangenheit in jeder Sache.
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Das ist schon erstaunlich dass jetzt religiöse Symbole von einer Richterin in der Verhandlung getragen werden dürfen.
Kopftuch ist doch nur ein Bekenntnis zu einer Religion, und die ist und muss in der Funktion einer Richterin Privatsache sein, eigentlich ähnlich wie irgendwelche aufgedruckten Statements auf einem T-Shirt Privatsache sind und in der Ausübung der meisten Berufe zu recht nicht erlaubt sind. Das Argument der freien Religionsausübung im Gericht kann und darf nicht gestattet werden. Man muss doch seine gesamten geistigen Leistungen auf die Gerichtsverhandlung konzentrieren und für die Religionsausübung bleibt da kein Platz mehr. Ich habe mich ja schon öfters hier im hpd zum Thema Kopftuch im Gericht geäußert, nur so viel: Die wichtigsten Personen in einer Gerichtsverhandlung sind immer noch die Beschuldigten und die Zeugen. Das heißt am Ende eines Prozesses, unabhängig wie er ausgeht, hat sich das Leben dieser Betroffenen mehr oder weniger verändert und haben daher ein Recht auf eine neutrale, unvoreingenommene Behandlung. Im Gegensatz dazu ändert sich im Leben der Richter und Anwälte nichts, sie bekommen weiterhin ihr Gehalt und behalten ihren sehr sicheren Arbeitsplatz, desgleichen der Staatsanwalt und die Verteidiger. Also die kopftuchtragende Richterin sollte auch in diesem Zusammenhang erst einmal ihre Interessen zurückstellen und sich in Glaubensdingen nicht so wichtig nehmen!
Aber eigentlich hoffe ich inständig, dass es sich bei dieser Nachricht aus England wegen ihrer Unglaublichkeit um eine Falschmeldung (Fake News) handelt!
M. Landau am Permanenter Link
Diversität ist eine Sache, Neutralität eine andere. Erstaunlich wie enorm die religiöse Symbolik in der Vordergrund tritt, denn Muslima ist sie mit und ohne. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht was ich davon halten soll.
Der Hijab der Raffia Arshad in UK wäre dann das Kruzifix des Marcus Söder in Bayern. Das Wirken religiöser Eiferer lässt leider keinen Spielraum für positive Perspektiven.
Edgard L. Fuss am Permanenter Link
"Dies gilt besonders für Arshads Arbeitsschwerpunkt. Sie ist seit 17 Jahren im Bereich des Privatrechts tätig, hauptsächlich im Familienrecht.
"Islamic Family Law" ist auch der Titel ihres 2010 veröffentlichen Fachbuches. Dem Verlag zufolge "hilft das Buch, die Bedürfnisse derjenigen Klienten zu erfüllen, die das muslimische Recht (Scharia) befolgen möchten". Weiter heißt es, der Band erkläre "die Überschneidung mit dem englischen Recht" und biete "eine umfassende Erläuterung der Rechtsmittel, die muslimischen Klienten zur Verfügung stehen"."
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