Neuer Kirchenaustrittsrekord 2019

Die beiden christlichen Kirchen haben ihre Statistiken für 2019 veröffentlicht. Das Ergebnis: Mehr Menschen als je zuvor haben ihnen im vergangenen Jahr den Rücken gekehrt, nämlich um die 543.000.

Der Trend lässt sich nicht aufhalten: Erneut mussten die beiden Großkirchen hohe Mitgliederverluste vermelden, die sogar das berüchtigte Tebartz-van-Elst-Jahr 2014 in den Schatten stellen. 272.771 Menschen traten bei den Katholiken aus, die Protestanten schätzen ihren Verlust an Schäfchen auf etwa 270.000. Im Vergleich zu 2018 entspricht das bei letzteren einem Mitgliederrückgang von zwei Prozent. Damals traten aus der katholischen rund 216.000 und aus der evangelischen circa 220.000 Menschen aus. Damit gehören aktuell noch 22.600.371 Personen der katholischen und 20.713.213 der evangelischen Kirche an. Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von 27 beziehungsweise 25 Prozent. Die christliche gebundene Bevölkerung beläuft sich damit insgesamt lediglich noch auf 52 Prozent.

Die tatsächliche Zahl des Mitgliederverlusts ist noch größer, da die Verstorbenen noch hinzukommen. Bei den Protestanten waren das im letzten Jahr ungefähr 340.000, die katholische Kirche macht dazu keine Angaben, wie sie auf eine Anfrage des hpd erklärte: Man habe die Verstorbenenzahlen bis 2012 vom Statistischen Bundesamt erhalten, aus gesetzlichen Gründen seien die aber seitdem nicht mehr verfügbar. Da die Zahlen vom Meldewesen nur eine Annährung seien, haben man sich entschlossen, sie nicht mehr zu veröffentlichen.

Eintritte und Wiederaufnahmen in die katholische Kirche sind gleichzeitig rückläufig im Vergleich zu 2018. Auch die Inanspruchnahme von katholischen Ritualfeiern ist zurückgegangen: Es gab weniger Eheschließungen, Taufen und Bestattungen als im Vorjahreszeitraum. Nur knapp über neun Prozent der Katholiken besuchten einen Gottesdienst.

Die obersten Kirchenvertreter zeigten sich zerknirscht: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, sagte, es gebe an den Zahlen "nichts schönzureden" und sprach von einem "Prozess der Erosion persönlicher Kirchenbindung". Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, verkündete, man werde "angesichts dieser Herausforderungen (…) nicht tatenlos bleiben", jeder einzelne Austritt schmerze. In mehreren Zukunftsprozessen wolle man die Basis dafür stärken, "dass sich Sinn und Bedeutung der Kirche für den Einzelnen und die Gesellschaft erschließt", denn starke Kirchen könnten Zusammenhalt fördern und Brücken bauen. Bedford-Strohm kündigte eine Studie an, die die Gründe für den Austrittsrekord erforschen soll.

Ob das den gesellschaftlichen Wandel umkehren kann, ist fraglich: Laut einer Analyse der Albert-Ludwig-Universität Freiburg werden sich die Kirchenmitgliedszahlen bis 2060 halbieren. Die Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) schätzt außerdem, dass die 50-Prozent-Marke von konfessionsgebundenen Christen spätestens 2025 unterschritten werden wird.

Anmerkung der Redaktion: Den Verweis auf die Verstorbenenzahlen und die Antwort der Deutschen Bischofskonferenz auf die hpd-Anfrage haben wir am 29. Juni 2020, 12 Uhr ergänzt.

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