Geschichtsrevisionismus in öffentlicher Symbolik

TRIER. (hpd) Geschichtsrevisionismus wird allgemein eher als gesellschaftliches Randphänomen wahrgenommen und behandelt. Allzu häufig wird dieser auf Anhieb mit rechtsradikaler Ideologie und Programmatik in Verbindung gebracht, was auch in den meisten Fällen Tatsache ist. Doch wie ist es um all die subtilen Elemente im öffentlichen Raum bestellt, die den meisten Menschen gar nicht auffallen? Denn es gibt zahlreiche Beispiele für revisionistische Inhalte, die entweder nicht angesprochen werden, weil sie nicht auffallen, oder weil sich die wenigsten um die Debatte über solche Inhalte kümmern wollen. Einige davon sollen erörtert werden.

Kann die Mehrheit der Bevölkerung etwas mit dem Begriff „Langemarck“ anfangen? Wohl eher kaum. Doch Ungeheuerliches verbirgt sich dahinter: Langemarck ist ein Ort in Belgien, in dessen Nähe ein beispielloses Massaker im Ersten Weltkrieg stattfand. Insbesondere tausende junge Menschen verloren durch sinnlose Attacken ihr Leben. Doch anstatt die Sinnlosigkeit dieses Unterfangen einzusehen, wurde diese Schlacht gnadenlos propagandistisch ausgeschlachtet und die jungen Männer zu Helden verklärt, die starben während sie das Deutschlandlied sangen. Wer genauer darüber nachdenkt, merkt sofort, dass das nahezu unmöglich ist. Welcher Mensch ist dazu in der Lage, mit Gepäck, im Sturmangriff und unter schwerem Maschinengewehr- sowie Artilleriebeschuss ununterbrochen das Deutschlandlied zu singen? Eine glatte Farce, um die Kriegsmoral der Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Ein Platz in Koblenz ist nach diesem grausamen Ort benannt. Einen Kommentar oder eine Erläuterung dazu sucht man vergeblich.

Ein weiteres Beispiel für äußerst umstrittene historische Vermächtnisse befindet sich auf dem Potsdamer Babelsberg: Das „Michaelsdenkmal“. Angesichts der sakralen Ausgestaltung würde niemand auf die Idee kommen, welches politisches Sendungsbewusstsein von diesem Denkmal ausging. Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. ließ dieses Denkmal zu Ehren seines Bruders Wilhelm, dem späteren deutschen Kaiser, errichten als Dank für die Niederschlagung des badischen Aufstand 1849. Doch worum ging es beim Badischen Aufstand? Nachdem die Frankfurter Nationalversammlung aufgelöst wurde und die Monarchien in Deutschland im Begriff waren, die demokratische Revolution endgültig niederzuschlagen, versuchten noch versprengte Kräfte radikaler Demokraten ihre Ziele durchzusetzen. Als diese unterlagen, waren sie zur Flucht gezwungen oder wurden zu harten Strafen verurteilt - ihr Anliegen geriet in Vergessenheit. Während einerseits gegenwärtig Personen wie der frühere Reichskanzler Bismarck kaum kritisch behandelt werden, sondern ihnen eher der Status eines Idols zuteil wird, ganz gleich wie antidemokratisch er eingestellt war, sind Demokraten wie Friedrich Hecker nahezu vergessen.

Und wie wird mit Personen umgegangen wie Paul von Hindenburg, der noch heute Namensgeber zahlreicher Straßen ist? Allzu häufig wird eine öffentliche Auseinandersetzung über sein Leben und Wirken gemieden. Er verkörperte wie kaum ein anderer den verletzten deutschen Nationalstolz in der Zeit der Weimarer Republik und begründete maßgeblich die sogenannte Dolchstoßlegende. In seiner Zeit als Chef der Obersten Heeresleitung im Ersten Weltkrieg mobilisierte er die Bevölkerung für den totalen Krieg, indem sämtliche gesellschaftlichen und öffentlichen Bereiche konsequent nach diesem ausgerichtet wurden. Abgesehen von den vielen Kriegstoten, hatte die Zivilbevölkerung besonders unter diesen Maßnahmen zu leiden: Die Folgen waren Massenverelendungen, Krankheit, Hunger und Tod. Solche Aspekte seines Wirkens werden leider überwiegend in wissenschaftlichen Rahmen diskutiert, denn einem größeren Publikum scheinen diese Diskussionen zuwider. Erst vergangenes Jahr scheiterte in Trier der Versuch, die Hindenburg- Straße umzubenennen, aufgrund von Widerstand seitens der Anwohner. Von einer tiefer gehenden Diskussion mit ihnen wurde bedauerlicherweise abgesehen.

All diese Beispiele zeigen eine noch längst nicht ausreichende kritische Beschäftigung mit unserer Vergangenheit und ihren Einflüssen auf die Gegenwart. Politische Entscheidungsträger auf allen Ebenen müssen sich verstärkt diesen Problemen stellen und eine Erinnerungskultur pflegen, die über die Zeit des Nationalsozialismus hinaus geht. Dieser Problematik müssen sich auch die Akteure im Bereich der Bildungspolitik bewusst werden, denn der Geschichts- und Sozialkundeunterricht ist meistens so ausgedünnt, dass sich Lehrkräfte nur auf das Nötigste beschränken können. Nachkommenden Generationen könnten dadurch wichtige gesellschaftliche Zusammenhänge und Zustände verwehrt bleiben.