Kolumne: Sitte & Anstand

Hat Gott das nötig? Fußballer wegen Blasphemie gesperrt

Wir wissen es seit Abraham und Hiob: Der Herr prüft die Seinen. Und wer wäre deutlicher dazu ausersehen, zum Spielball des mächtigsten Herrschers in der Höhe zu werden als ein italienischer Aushilfsverteidiger mit Namen Bryan Cristante? Ein Name, in dem der Erlöser ebenso anklingt wie die höllische Quälmusik des kanadischen Schunkelrockers Bryan Adams (!), nach dem er benannt ist und der wiederum hintenrum nach dem Mann benannt ist, der wegen eines Stücks Obst aus dem Paradies geworfen wurde.

Wo Gott die Seinen prüft, wartet er gern auf einen schwachen Moment. Was aber ist tückischer für einen Mittelfeldspieler, der in der Verteidigung aushelfen muss, als ein Ball, der von der Seite hereingegeben wird, während man selbst in der Rückwärtsbewegung ist, die Situation aber nicht wirklich gefährlich? Das eigene Team, die Roma, führt in Bologna bereits 3:0, in deinem Rücken lauert eigentlich nur dein Keeper, der sich um diesen Ball ebenfalls kümmern kann – und dir fehlt, in diesem Kontext, der nötige Druck, um zu tun, was ein Innenverteidiger zu tun hat: den Ball stumpf aus dem Stadion zu dreschen und dabei selbst heroisch auf den Rücken zu krachen.

Der Herr weiß, wie er die Seinen drankriegt. Er verlangt eine Entscheidung in einem Moment, der gar nicht nach Entscheidenmüsssen riecht. Was tut Bryan Cristante? In Richtung der eigenen Grundlinie laufend, hält er den Fuß in die halbhohe Hereingabe, mit der Gelassenheit des Mittelfeldspielers, nicht ganz sicher, ob er nun elegant zur Ecke klären oder den Ball stylisch annehmen soll – und was Gottes Plan vorsah, passiert: Erstens fliegt die Kugel in einem sanften Bogen ins eigene Tor. Zweitens steht Bryan Cristante darauf unzufrieden im Tornetz. Drittens können Lippenleser in aller Welt erkennen, was er nun sagt, und es ist, was jeder Italiener in dieser Situation sagen würde: Porco dio. "Schweinegott".

Viertens wird Cristante daraufhin vom italienischen Fußballverband gesperrt. Wegen Gotteslästerung. Einmal mehr tut sich die Frage auf: Warum muss weltliche Gerichtsbarkeit sich schützend vor den Allmächtigen stellen, kann der denn nicht mehr selber strafen? Hat er Grippe seit 2.000 Jahren und seinen zuletzt bezeugten Wundern, liegt er mit einem Kreuzbandriss im Himmelreich und kann sich nicht selber kurieren?

Es ist wie immer bei dem, was sie Blasphemie nennen: Das irdische Abstrafen im Namen des Gottes ist viel lästerlicher als ein kleiner Fluch, der, streng genommen, nur ein hübsches, freundliches, kluges Säugetier und einen nicht näher bekannten Weltherrscher in einem Atemzug erwähnt. Sollte man Gott, den Herrn über Raum, Zeit, Materie und Rachegelüste, nicht gegebenenfalls selber ins Schicksal eingreifen lassen?

Und das hat er ja. Es hat nur niemand bemerkt. Dem analytischen Geist offenbart es sich sofort, auch Küchenaberglaube hilft: Die kleinen Sünden straft der liebe Gott sofort. Oder sogar noch schneller! Die Strafe fürs Fluchen war hier, für alle Welt erkennbar, ein super-super-peinliches Eigentor, erzielt von dem armen Kerl, der den Namen von Christus und den Namen von Bryan Adams wie zwei Kreuze zu tragen verurteilt ist, jetzt und immerdar.

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