Vorsatz für 2021:

Die Kirchensteuer kannst du dir sparen

Vorweg: Die meisten Religionsgemeinschaften erheben keine Kirchensteuern. Ausgerechnet die großen Kirchen tun dies sehr wohl. Nicht weil sie es brauchen – sie hängen am permanenten Tropf des Staates. Sie brauchen eher Mitglieder. Aber gerade da hapert es. Seit Jahrzehnten gleicht die Kurve mit naturwissenschaftlicher Präzision dem Zerfallsprozess radioaktiver Nuklide, sagte der Physiker Heinz Oberhummer. Es gibt gute Gründe, sich das Kirchen-Geld zu sparen.

Menschen, die wenig mit der Religion anfangen können, sollten zusammenrechnen, was sie so im Laufe eines Lebens an Kirchensteuer – in Österreich "Kirchenbeitrag" genannt – bezahlen. Bitte mich nicht falsch zu verstehen! Sollte der Kirchensteuerpflichtige genau wissen, was mit dem Geld wirklich passiert und er/sie dem Geschehen aus vollem Herzen zustimmen, dann rentiert sich die Ausgabe durch ein gutes Gefühl, etwas Sinnvolles unterstützt zu haben. Aber genau das ist ja selten der Fall. Angesichts der sonstigen Knausrigkeit des Herrn Meier und der Frau Müller, die bei jeder Bier-Aktion dabei sind, um sich zehn Cent pro Dose zu ersparen, ist die Großzügigkeit bei der Kirche irrational.

Aber wenn es darum geht, die Kirchenmitgliedschaft zu beenden, die die meisten nie selbst begonnen haben, agieren sie ferngesteuert, da regen sich bei vielen die in früher Kindheit eingetrichterten Gewissensbisse der heiligen Kirche gegenüber, eingeübte Hemmungen, die jeder Grundlage entbehren.

Die meisten Menschen sind heute ohnehin mehr oder weniger säkulare Humanisten. Selbst wenn die "Segnungen" des Säkularismus sie noch nicht erreicht haben, tragen sie bereits viele Merkmale eines Ungläubigen an sich oder in sich, was an den Äußerungen des Klerus abzulesen ist. Sie gehen nur in die Kirche, weil die Oma es so wünscht. Die Oma besteht auch auf eine Taufe des Enkerls. Man sträubt sich mit dem guten Argument, dass es nicht ihr Kind ist, gibt aber dann doch nach, um des lieben Friedens willen. Man kann mit den kirchlichen Ideologien, die politisch meist Schlagseite haben, wenig anfangen, schickt aber dennoch das Kind auf eine konfessionelle Schule, weil "die dort einen wunderschönen Rasen haben". Auf eine geistliche Einsegnung pfeifen heute viele Menschen, aber es wäre ihnen dennoch peinlich, wenn im Ort der Pfarrer beim eigenen Begräbnis ausgeschlossen wäre und offenkundig würde, dass man aus der Kirche ausgetreten ist.

Vielen fällt es schwer, die oft als autoritär, gewalttätig und inhuman empfundenen Bekundungen in fast zweitausend Jahre alten "heiligen Schriften" als Grundlage einer heute verantwortbaren Ethik zu akzeptieren. Viele Menschen merken erst an den Antworten der Religionsgesellschaften auf aktuelle Fragestellungen (wie humanes Sterben, Schwangerschaftsabbruch …), dass die von ihrer Religion gegebene Antwort nicht mehr mit ihrer eigenen Anschauung in Einklang zu bringen ist (Edgar Baeger, zitiert in Edgar Dahl: "Die Lehre des Unheils", Carlsen, 1993).

Wenn es darum geht, innerlich den Anti-Modernisten-Eid zu schwören, wie es Leo der XIII. seinem geistlichen Personal verordnete, streiken heute schon die meisten. Anders als die unverbesserlich naiven Amerikaner, sehen die Menschen in Europa aufgrund des schwächeren Einflusses der Religion und der doch erheblich besseren Bildung die Evolution als Faktum an, während in den USA fast die Hälfte der Bevölkerung die Bibel noch wörtlich nimmt, was das wahre Alter des Universums von 13,7 Milliarden Jahren auf schlappe 6.000 Jahre reduziert und mit der Evolution unvereinbar ist. Das reißt die Bildungsschere in einem unerträglichen Maße auf. Während die einen sich noch bronzezeitlich geben, müssen die anderen einen Impfstoff gegen Covid-19 auf die Beine stellen. Was sollen wir mit den Bronzezeitmenschen reden, die jeden noch so verworrenen Blödsinn glauben und auf Impfangebote mit einem Veitstanz reagieren? Dass modernes Leben einfach nicht mehr mit Leichtgläubigkeit, kirchlichen Grundsätzen und schon gar nicht mit Dogmen vereinbar ist, leuchtet vielen ein, sogar vielen gebildeten kirchlichen "Würdenträgern", deswegen auch dort der Ruf nach Veränderung.

Religion ist die Volksmusik der Philosophie

Religion ist aber eben nicht nur Glauben, sondern vielmehr ein identitätsstiftendes Geisteskonstrukt von abenteuerlicher Abstrusität und Unlogik. Es ist ein Festhalten an Erzählungen, die gemeinschaftsstiftend sind. Je abstruser, umso mehr. Die Menschen wollen einfach "dabei sein". Das ist ihnen viel wichtiger als Logik, Wahrheit und Stimmigkeit eines Weltbildes. Einfachheit und Kitsch sorgen für ein Gefühl der Geborgenheit. Wer kümmert sich schon um "Stringenz"? Religion ist die Volksmusik der Philosophie. Selbst ein falscher Ton hie und da ist verzeihlich, wenn die Melodie ins Hirn knallt. Aber wann kippt das System? Aber welchem Glaubwürdigkeits-Tief wollen die meisten gar nicht mehr dabei sein?

In einer Welt, in der die Menschenrechte durchgesetzt werden sollen, gibt es nur die Option Säkularität, also strikte Trennung von Religion und Politik. Religion regelt unseren Irrsinn, Politik und Philosophie unseren Sinn. Politik hat Probleme zu klären, Religion ist zuständig für Verklärung. Beides gehört zum Menschen. Religion schaltet das Großhirn aus wie im Rundfunk ein rote Lampe das Reden. Gott ist genau deswegen die Liebe. Sie schaltet ebenfalls das Denken aus und die freiwillige Unterwerfung ein. Will man da unterstützend dabei sein?

Besonders bedrückend ist die moralische Sonderstellung, die die Kirche trotz einer Serie von übelsten Skandalen für sich zu beanspruchen sucht. Die Diversität solcher Verfehlungen der Kirche war schon immer beeindruckend (siehe den zehnbändigen Deschner: "Die Kriminalgeschichte des Christentums", Rohwolt), aber in letzter Zeit mehren sich wieder die Fälle, die die mangelnde Sorgfalt im Umgang mit Geld, ja Spendengeld, vermissen lassen, bis hin zu eindeutig mafiösen Umtrieben. Die Chronologie der Millionenskandale würde Seiten füllen, die der Missbrauchsskandale Bände.

Besonders tiefgreifend und überzeugend negativ sind die Auswirkungen überall dort, wo der hohe politische Preis für diese Art der Identitätsstiftung und der Geborgenheit zutage tritt und dort, wo auch offenkundig wird, wie verletzlich die zarte Pflanze der Aufklärung ist, die als Korrektiv der Religion seit 250 Jahren in Europa ihre mühsame Arbeit verrichtet. Die theokratischen Staaten des Vorderen Orients und Asiens wie Iran, Saudi-Arabien und Afghanistan sind ja Beweis genug, dass zumindest monotheistische Religionen Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Bildungsfeindlichkeit mit sich bringen. Bei orthodoxer Auslegung ist dies auch im Christentum der Fall. Dieser Salto rückwärts in der Entwicklung, den viele Politologen bereits für unmöglich gehalten haben, ist nun tatsächlich in Polen, Ungarn und anderen Ländern als Menetekel an der Wand zu sehen.

Schließen Sie sich den jährlich 550.000 – in Österreich 60.000 – Menschen an und hören auch Sie auf, die Kirche zu unterstützen? Laut einem Interview des früheren Bischofs Klaus Küng in der Zeitung News in St. Pölten hat die Kirche genug Geld, sodass sie auch ohne Kirchenbeitrag zurechtkommen würde. Dass es hier um Milliarden-Beträge geht, wird die Entscheidung leichter machen. Die Kirche hat ja enorme Fixkosten zu bewältigen, denen mittlerweile aufgrund des Mitgliederschwundes Auslastungsprobleme gegenüberstehen, die in Kürze kaum mehr zu bewältigen sein werden. Damit investiert man in eine aussichtslose Sache, bei der das Wasser in der Dachrinne hinaufbefördert wird. Die Kirche selbst ist der beste Promotor für den Zerfall, nicht nur moralisch, sondern auch finanziell.

Wenn schon Spiritualität, dann zeitgemäße. Es gibt ja genug humanistische Einrichtungen, die Bildung fördern, die Hilfe zur Selbsthilfe anbieten, die Frauen in der Dritten Welt unterstützen und ihnen bei der Geburtenregelung helfen, die Geld in ökologisch wertvolle, regionale Miniprojekte pumpen und vieles mehr, anstatt die Mission zu fördern. Es geht nicht nur darum, Geld zu sparen oder die Kirche weniger zu unterstützen. Es geht auch darum, dass die Gesellschaft an allen Ecken und Enden humanistischer wird, aber alle diese Projekte aus dem letzten Loch pfeifen, während die Kirche leere Kirchen heizt. Auch mit dem Geld von Nicht-Gläubigen.

Letzten Endes ist auch nur der politisch-humanistische Ansatz der Garant dafür, dass Religionen weiter bestehen dürfen, Religions- und Gedankenfreiheit herrscht und sich die Religionsanhänger nicht gegenseitig bekämpfen und umbringen. Wir müssen nicht Menschen bekämpfen, sondern falsche Ideen. Die darf man sogar verachten oder wenigstens nicht unterstützen.

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